Der Beginn eines Studiums ist für viele Studierende mit dem Auszug aus dem Elternhaus und der Frage „Wie möchte ich wohnen?“ verbunden. Bauingenieurwesen-Studentin Liv Maylen Sell hat dies zum Thema ihrer Bachelorarbeit gemacht und sich in ihrer Arbeit mit Wohnformen und der Finanzierung studentischen Wohnens beschäftigt.
„Ich wollte gern über ein Thema schreiben, das mich persönlich betrifft und interessiert – da hat das studentische Wohnen natürlich gut gepasst“, erzählt Sell. Sie berichtet, dass sie und ihre Kommiliton*innen bei Professorin Brigitte Wotha bereits viele spannende Projekte umgesetzt haben - sie befragten zum Beispiel schon Schüler*innen zu ihrem Mobilitätsverhalten. „An dieser Methode fand ich so spannend, dass man direkt mit den Betroffenen in Kontakt kommt“, erklärt sie.
Eine spannende Methode und ein Thema, das ihr Interesse weckte, hatte sie also schon - nun galt es, die Einzelteile zu einem Forschungsdesign zusammenzufügen. Herausgekommen ist ein Methodenmix, bei dem Liv Maylen Sell drei verschiedene Interessengruppen zum Thema studentisches Wohnen befragt hat.
Die erste Gruppe bildeten Studierende, mit denen sie circa 20-minütige Einzelinterviews führte. Um die Wünsche und Erwartungen der Studierenden von morgen zu erfassen, konnte Sell eine Oberstufen-Schulklasse befragen. So organisierte sie eine Schulstunde, in der die Schüler*innen neben einer offenen Diskussionsrunde ihre Vorstellungen ihrer zukünftigen Wohnsituation in Gruppenarbeit präsentieren konnten. Durch Expert*innen-Interviews mit Kieler Wohnungsbau-Unternehmen und Wohnheimträgern ergänzte sie ihre Forschung um die Perspektive der Anbieter*innen von Wohnmöglichkeiten für Studierende.
Liv Maylen Sell hebt besonders positiv hervor, dass sich alle Beteiligten viel Zeit genommen haben - das war gut für das Forschungsergebnis, führte aber auch zu einer langen Auswertungsphase. Ihre Betreuerin Professorin Wotha empfahl ihr die Software MAXQDA, ein Programm zur qualitativen Datenanalyse, das ihr das Transkribieren, Paraphrasieren und Kürzen sehr erleichterte. „Irgendwann konnte ich die Interviews fast auswendig mitsprechen“, bemerkt Sell lachend.
Begeistert ist sie auch von dem Engagement aller ihrer Interviewpartner*innen. „Ich dachte, dass ich die Informationen aus den Schüler*innen ‚herausquetschen‘ muss“, so Sell. Doch das war nicht der Fall - die Schulklasse entpuppte sich als interessierte Zuhörerschaft, für die der Auszug von zu Hause bereits ein präsentes Thema ist. Gleiches gilt für die Expert*innen: „Alle waren super vorbereitet und haben mir viel Wissen und Input gegeben, den man so nicht in der Literatur finden würde. Das hat mich natürlich sehr weitergebracht“, sagt sie.
„Wir müssen berücksichtigen, dass wir heute nicht mehr so bauen können, wie wir immer gebaut haben“, fasst Liv Maylen Sell die wichtigste Erkenntnis ihrer Arbeit zusammen. Es sei wichtig, beim Bauen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziologische Aspekte zu berücksichtigen und den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Da sich die Wohnbedürfnisse der Gesellschaft stark verändert haben, müssen Bauingenieur*innen mit der Zeit gehen und ihre Arbeit interdisziplinär verstehen.
Interdisziplinär ging sie selbst auch beim Schreiben ihrer Thesis vor, für die sie über den eigenen Tellerrand hinausschauen und sich in soziologische Texte einlesen musste. Dass sie neben der klassischen Literaturarbeit auch viel mit Menschen zu tun hatte, sieht Sell als klaren Vorteil: „Das hat mich nicht nur inhaltlich weitergebracht, ich habe nebenbei auch viel fürs Berufsleben gelernt, was Kommunikation und Koordination angeht“, sagt die 23-Jährige.
Ob sie später in der Stadtplanung arbeiten möchte, weiß Liv Maylen Sell noch nicht genau. Sie kann sich beruflich verschiedene Bereiche gut vorstellen und hat Lust, viel Neues zu lernen. Damit soll es im Herbst weitergehen, wenn sie mit dem Bauingenieurwesen-Masterstudium beginnt.