Manchmal sind es die Umstände, die aus einer misslichen Lage eine glückliche Fügung machen. So geschehen bei Justus Schiszler, der Schiffbau und Maritime Technik an der Fachhochschule Kiel studiert und dessen Thema für die Bachelorarbeit kurzerhand flachfiel. „Eigentlich wollt ich bei der Flensburger Schiffbaugesellschaft meine Bachelorarbeit schreiben, wo ich als Industrieprojekt Flächen für den Bau von Schiffen mit der AutoCAD-Software auswerten musste. Während des Praktikums hatte ich alles Schiffsbauliche schon abgearbeitet. Es stellte sich aber heraus, dass das Thema dann doch zu IT-lastig war und sich nicht für eine Bachelorarbeit eignete.“
Doch Dr.-Ing. Hendrik Dankowski, Professor für Professor für Entwerfen von Schiffen und Maritimen Umweltschutz an der FH Kiel, erhielt kürzlich eine Anfrage von Armin Süss, Betreiber der Internetplattform taucher.net. Erst vor kurzer Zeit war wieder einmal ein Tauchsafarischiff gekentert. Süss fragte, ob jemand an der FH Kiel Interesse hätte, zu recherchieren, warum es immer wieder zu solchen Unfällen kommt und wie man sie verhindern könnte. Schiszler hatte Interesse - und ein neues Thema.
Dass der junge Niedersachse in Kiel gelandet ist, resultiert ebenfalls aus einer für ihn nicht ganz optimalen Situation. Denn eigentlich hatte der heute 23-Jährige in München an der Technischen Universität angefangen, Maschinenbau zu studieren. „Das war mir zu unpersönlich. Wir waren über 500 Erstsemester.“ Hinzu kam der lange Anfahrtsweg von gut eineinhalb Stunden, denn eine Wohnung in der Nähe der Uni konnte sich der junge Student nicht leisten. Also suchte Schiszler nach Alternativen. Ein Ingenieurberuf sollte es sein, aber nicht so allgemein. So stand er schließlich vor der Wahl: Luft- und Raumfahrttechnik oder Schiffbau. „Ich segele gerne - da habe ich mich für Kiel entschieden.“ An der Fachhochschule und in seinem Studiengang Schiffbau und Maritime Technik fühlt sich Schiszler wohl. Vor kurzem hat er seine Bachelorarbeit abgegeben, jetzt hat er mit dem Masterstudium begonnen.
Auslöser für die Anfrage an die Fachhochschule, das Thema Unfälle von Tauchurlaubsjachten genauer zu untersuchen, war das Kentern des Tauchsafarischiffes Carlton Queen im April 2023 in Ägypten. „Es galt herauszufinden, ob diese Unfälle mit der Führung des Schiffes, mit schiffbaulichen Aspekten oder mit beidem zusammenhängen“, erläutert Schiszler, „also etwa: War das Schiff für eine bestimmte Wellenhöhe nicht ausgelegt, wurde seine Stabilität beeinträchtigt und ähnliche konstruktionsseitige Gegebenheiten.“ Eine herausfordernde Aufgabe, wie Schiszler bald bemerkte.
Zunächst erstellte er eine Statistik der verunglückten Schiffe und der Ursachen von 2006 bis April 2023. „Das ist natürlich nicht gleichzusetzen mit einem offiziellen Untersuchungsbericht“, betont der Student. Oft gab es keine offiziellen Unfallberichte, deshalb versuchte Schiszler immer, mindestens zwei unabhängige Quellen für die Auflistung der Unfälle zu finden. „Trotzdem sind die Varianz innerhalb der Statistiken relativ groß und daher mit Vorsicht zu genießen. Richtige Seeunfalluntersuchungen würden mehrere Jahre dauern, Befragungen aller Beteiligten und eine umfangreiche Schiffsanalyse beinhalten. Ein weiteres Problem: Touristisch genutzte Schiffe haben oft keine Baupläne, oder diese sind nicht einsehbar. Schiszler musste sich daher bei Bedarf mit Decksplänen behelfen. „Über das Tankdeck, das schiffbaulich am interessantesten ist, gab es am wenigsten Informationen“.
Zumindest ließen sich die vermutlichen Unfallursachen gruppieren. Auch die Vorschriftenlage untersuchte Schiszler und verglich die Unfallzahlen mit denen der allgemeinen Schifffahrt. Schiszlers Fazit? „Viele der verunglückten Tauchsafarischiffe werden auf traditionellen Werften ohne Konstruktionspläne gebaut - eben so, wie sie schon immer gebaut wurden. Offensichtlich gibt es auch keine Regeln, nach denen die Tauglichkeit solcher Boote ausreichend kontrolliert werden kann.“ Das wollen taucher.net und Schiszler ändern. Sie wollen eine Art Siegel einführen, das die Sicherheit eines Tauchsafarischiffes für die jeweiligen Gewässer, in denen es unterwegs ist, bescheinigt. Das wäre auch eine Möglichkeit für die Anbieter solcher Touren, für ihr Unternehmen zu werben, meint Schiszler.
Der Weg dahin ist steinig. Doch die Bachelorarbeit hat Schiszler eine neue Richtung aufgezeigt. Er könnte sich gut vorstellen, in Zukunft für die Bauaufsicht einer Klassifikationsgesellschaft zu arbeiten.