Es ist hellgrau, fast vier Meter lang und 113 Kilogramm schwer. Am Bug des Kanus prangt der Name: „(S)Print“. Den trägt das Wasserfahrzeug nicht nur, weil es besonders schnell sein soll. Es ist auch ein Ausdruck seiner Entstehungsgeschichte. Das Betonkanu wurde zu Beginn des vergangenen Wintersemesters von zwölf Studierenden des Instituts für Bauwesen konzipiert. Das Wahlmodul unter der Leitung von Dr. Kenji Reichling, Professor für Baustofftechnologie am Institut, hatte zum Ziel, ein schwimmfähiges Betonkanu zur zweijährig stattfindenden Betonkanuregatta nach Brandenburg zu schicken. Diese wurde Mitte Juni auf der Havel ausgetragen.
So machten zehn junge Männer und zwei Frauen aus allen Studiensemestern erste Pläne zu dem Betonkanu, zu Material und Konstruktion der Schalung. „Wir hatten keinerlei Erfahrungswerte“, erinnert sich Kay Lengert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut. „Andere Hochschulen nehmen schon seit Jahren an dieser Regatta teil. Die Fachhochschule Kiel hat das letzte Mal 1990 ein Team an den Start geschickt.“ Zu dem Zeitpunkt war der Fachbereich noch in Eckernförde. Er wurde ausgegeben und im Wintersemester 2018 am neuen Standort am Seefischmarkt in Kiel wieder angesiedelt. „Wir mussten uns das gesamte Konzept neu überlegen: Kaufen wir ein Kanu aus Fiberglas und nutzen es als Schalung? Bauen wir eine Holzkonstruktion als Schalung?“, erzählt Lengert. „Wir haben dann erst einmal Modelle in CAD angefertigt.“
Schließlich kamen sie auf die Ideen, die Schalung aus Einzelteilen zusammensetzen, die aus einem handelsüblichen 3D-Drucker kamen. „Die Art der Schalung war tatsächlich eine der größten Nüsse, die wir zu knacken hatten“, sagt Robert Haack, der auch die Idee zum 3D-Druck hatte. Er selbst besitzt ein solches Gerät und kannte das Erstellen von Prototypen mit Hilfe des dreidimensionalen Drucks aus dem Maschinenbau. Die Einzelteile – ungefähr 10 x 10 Zentimeter große Kunststoffstücke, die mit einer 180 Grad abstehenden Kante versehen waren – wurden miteinander verschraubt und bildeten so eine Art 3D-Puzzle eines halben Kanus. Die Aufsicht über den Arbeitsprozess hatte Haack: „Es hat drei Monate gedauert, bis die 160 Teile gedruckt waren.“ Denn für ein Teil benötigte der Drucker acht Stunden.
In der Zwischenzeit machten sich die Studierenden daran, die perfekte Rezeptur für den Beton zu finden. Eine Mischung aus dem Baumarkt reicht nicht. Der Beton musste sich gut verarbeiten lassen, leicht und dicht sein, eine hohe Festigkeit haben, sowie möglichst auch nachhaltig sein. Mit dem Endergebnis war die Gruppe zufrieden, für die kommenden Regatten soll der Beton jedoch noch weiter optimiert werden. Die Einzelteile wurden zu einer Schalung für eine Kanuhälfte zusammengefügt, und der Beton konnte auflaminiert werden. Um Risse zu vermeiden wurde eine Bewehrung aus Basaltgewebe eingelegt. Zum Schluss wurden zwei so hergestellte Kanuhälften miteinander verbunden.
Ganz frei in ihrer Gestaltung waren die angehenden Bauingenieur*innen nicht. Die Formgebung sah ein klassisches Kanu mit breitem Mittelteil und sich verjüngenden Enden vor. „Es gab ein Regelwerk, das uns die Rahmenbedingungen für Breite, Höhe und Länge vorgab“, berichtet Torge Dubau. „Unser Kanu lag zwar innerhalb der Anforderungen, war aber deutlich schwerer und länger als manch anderes Kanu.“
Das rächte sich während der Regatta. Die Zweierteams hatten trotz hoher Geschwindigkeit auf der Geraden Schwierigkeiten, das Kanu um die Boje zu manövrieren. Deswegen konnten sich die angehenden Bauingenieur*innen mit ihrem Betonkanu nicht den Sieg im sportlichen Wettkampf erpaddeln. Aber sie haben den „Nachwuchspreis“ gewonnen sowie jeweils den 5. Platz in den Kategorien „Gestaltung“ und der „Konstruktion“ belegt. „Das ist ein hervorragendes Ergebnis und zeigt allen anderen Hochschulen, dass Kiel, Wassersport und Beton nun wieder zusammengehören“ freut sich Reichling. Die Studierenden hatten vor allem Spaß daran, ihr Kanu vorzustellen und sich mit der Jury und den anderen Teilnehmern über den Bau auszutauschen. Vor allem die sichtbare Struktur, die durch die Schalung aus dem 3D-Drucker einem großen Schachbrett gleicht, kam gut an. Aber auch die Idee der Konstruktion an sich, sowie die geringen finanziellen Mittel, mit denen die angehenden Bauingenieur*innen das Projekt bestritten, wurden lobend anerkannt.
In zwei Jahren wollen die Studierenden, die bis dahin noch keinen Abschluss gemacht haben, wieder an den Start gehen. „Bis dahin haben die dann auch Zeit, an der Rezeptur herumzufeilen“, sagt Haack grinsend. Ob die Schalung wiederverwendet wird? Mal sehen – vielleicht hat die nächste Gruppe noch ganz andere Ideen.