Eine Frau posiert auf einer Anhöhe, im Hintergrund ist unten ein Yachthafen zu sehen.© J. Kö­nigs

"Je mehr Frau­en im Schiff­bau desto bes­ser"

von viel.-Re­dak­ti­on

"Je mehr Frau­en im Schiff­bau desto bes­ser"

FH-Ab­sol­ven­tin kon­stru­iert Su­pe­r­yach­ten

 Nau­tik-Stu­di­um, Ba­che­lor- und Mas­ter­ab­schluss in Schiff­bau, Be­rech­nungs­in­ge­nieu­rin und Schiffs­akus­ti­ke­rin auf der Werft No­bis­krug und das nau­ti­sche Pa­tent: Leo­nie Föh­ring hat ihre Stu­di­en­zeit, die sie auch an die Fach­hoch­schu­le Kiel führ­te, aus­ge­kos­tet.

Ur­sprüng­lich star­te­te sie mit dem Stu­di­um See­ver­kehr, Nau­tik und Lo­gis­tik in Flens­burg und fuhr für ein Jahr als Nau­ti­sche Of­fi­ziers­as­sis­ten­tin zur See, ehe sie an die FH Kiel in den Schiff­bau wech­sel­te. Sie konn­te den Ba­che­lor um zwei Se­mes­ter ver­kür­zen, an­schlie­ßend ihren Mas­ter ma­chen und par­al­lel auf der Werft in Rends­burg wei­ter­ar­bei­ten, wo sie auch ihre bei­den Ab­schluss­ar­bei­ten schrieb.

Be­rech­nungs­in­ge­nieu­rin bei No­bis­krug

Heute, fast zwei Jahre spä­ter, ist die 29-jäh­ri­ge in der Ab­tei­lung für Stahl­kon­struk­ti­on, Stahl­ent­wurf und Schiffs­akus­tik tätig. „Ge­ra­de bei Yach­ten und Ma­ri­ne­schif­fen ist es von gro­ßem In­ter­es­se, dass sie sehr leise sind“, er­klärt Föh­ring.

Aber was genau sind ihre Auf­ga­ben? „Die Stahl­struk­tur ist das Rück­grat des Schif­fes. Diese sieht man spä­ter nicht, weil sie unter vie­len schi­cken Ober­flä­chen ver­klei­det ist“, er­läu­tert Föh­ring. „Aber die Stahl­struk­tur hält das ganze Schiff zu­sam­men.“ Die Schiff­baue­rin über­prüft also, dass die Ein­zel­tei­le nicht bre­chen, sich nicht ver­for­men oder bie­gen, Lö­cher nicht rei­ßen und keine Schwin­gun­gen ent­ste­hen, wenn je­mand über das Deck eines Schif­fes geht. Gleich­zei­tig küm­mert sie sich darum, dass das Schiff nicht vi­briert, wenn es durch eine be­stimm­te Fre­quenz des Mo­tors an­ge­regt wird, und darum, dass das Schiff leise ist. „Das ist wich­tig für Kom­fort und Ar­beits­schutz“, so Föh­ring.

Ihre Ar­beit ver­lan­ge ihr viel Krea­ti­vi­tät und Be­rech­nungs­vor­gän­ge ab: Struk­tu­ren müss­ten so ent­wor­fen wer­den, dass sie nicht nur hal­ten, son­dern auch tat­säch­lich ge­baut wer­den kön­nen. Schlie­ß­lich sei das Schiff an sich eine fer­ti­ge Stadt. „Es ist span­nend, dass man mit vie­len Fach­rich­tun­gen auf sehr engem Raum ge­mein­sam ar­bei­tet“, be­rich­tet Föh­ring. „Das Schiff ist be­grenzt in sei­nen Räum­lich­kei­ten, sei­nem Ge­wicht, in den Kos­ten, die es auf­brin­gen darf – man kann nie eine Ent­schei­dung tref­fen, ohne dass man an­de­re Be­rei­che damit be­ein­flusst.“ Man müsse sich mit Fach­kol­le­gen ab­spre­chen und Vor­ha­ben be­rück­sich­ti­gen, die das Sys­tem Schiff so be­son­ders ma­chen. „Es ist ganz an­ders als im Land­bau, zum Bei­spiel bei einem Thea­ter. Da müs­sen keine Klär­an­la­ge und kein Block­heiz­kraft­werk mit­ten durch den Kon­zert­saal lau­fen, weil alles so eng zu­sam­men­liegt.“

Als Frau im Schiff­bau – und auf See

In der Stahl­kon­struk­ti­on ar­bei­tet Leo­nie Föh­ring mit vie­len Kol­le­gin­nen zu­sam­men, ob­wohl der Werft­be­trieb an­sons­ten stark män­ner­do­mi­niert sei. „Ich bin ge­ra­de Pro­jekt­ver­ant­wort­li­che für einen Neu­bau“, sagt die junge Frau, „wo ich auch in den Be­spre­chun­gen mit den Pro­jekt­ver­ant­wort­li­chen der an­de­ren Fach­a­tei­lun­gen sitze. Da bin ich die ein­zi­ge Frau.“

Auch eine an­de­re Be­fä­hi­gung hat die Be­rech­nungs­in­ge­nieu­rin, die nicht viele Frau­en haben: Sie be­sitzt das nau­ti­sche Pa­tent. „Es er­laubt mir, als nau­ti­sche drit­te oder zwei­te Of­fi­zie­rin, also als Wa­ch­of­fi­zie­rin, Teil der Be­sat­zung eines Schif­fes zu sein“, er­klärt Föh­ring. Fahre man lange genug zur See, werde man nach dem ers­ten Of­fi­ziers­rang auch Ka­pi­tän.

Zum Pa­tent ge­hö­ren viele Aus­bil­dungs­zwei­ge, dar­un­ter die Na­vi­ga­ti­on, eine Funk­aus­bil­dung, Sta­bi­li­tät, damit das Schiff nicht schief schwimmt oder kippt, In­stand­hal­tung, Brand­schutz und Ret­tung auf See. Und eine me­di­zi­ni­sche Aus­bil­dung mit einem Prak­ti­kum in einem Kran­ken­haus. Auch so­zia­le Kom­pe­ten­zen spie­len eine große Rolle. Föh­ring: „In einer Be­sat­zung ist man über Mo­na­te zu­sam­men, sieht sich beim Früh­stück, Mit­tag- und Abend­essen, bei der Ar­beit und in den Pau­sen. Man kann sich nicht aus dem Weg gehen und muss in die­sem Mi­kro­kos­mos klar­kom­men.“ Auf See falle sie nie aus der Rolle der Kol­le­gin. „An Land ist man Freun­din, Fa­mi­li­en­mit­glied…auf dem Schiff bin ich immer die­sel­be. Das ist her­aus­for­dernd, aber man sieht na­tür­lich die Welt.“

Wäh­rend ihrer zwölf Mo­na­te auf Gro­ß­con­tai­ner­schif­fen in welt­wei­ter Fahrt, hat Leo­nie Föh­ring Süd­ost­asi­en und Nord­ame­ri­ka be­reist, ist über den At­lan­tik, den Pa­zi­fik und durch den Golf von Aden ge­fah­ren und konn­te viele Men­schen und Kul­tu­ren er­le­ben, die ihren Ho­ri­zont er­wei­tert haben.

Lehr­stel­le an der FH Kiel

Trotz ihrer viel­fäl­ti­gen Tä­tig­keit bei No­bis­krug, ist die Ab­sol­ven­tin der FH treu ge­blie­ben. Sie be­treut einen Teil der Ta­fel­übung zur Schiffs­fes­tig­keit für das drit­te und vier­te Ba­che­lor-Se­mes­ter mit einer Se­mes­ter­wo­chen­stun­de in zwei Grup­pen. „Das hatte ich ur­sprüng­lich als Nach­hil­fe-Leh­re­rin an­ge­bo­ten, da­nach als HiWi unter Pro­fes­sor Bohl­mann.“

In­ter­dis­zi­pli­nä­re Wo­chen nut­zen, Prak­ti­ka ma­chen

Föh­ring ge­fällt es gut, dass die FH Kiel eine ver­gleichs­wei­se klei­ne Hoch­schu­le ist, die den di­rek­ten Kon­takt zwi­schen den Leh­ren­den und Stu­die­ren­den för­dert. „Das habe ich sehr schät­zen ge­lernt und es war immer wich­tig, die­sen Kon­takt auch zu hal­ten“, be­rich­tet sie. „Man kennt die Do­zie­ren­den schnell per­sön­lich, kann di­rekt an die Bü­ro­tü­ren klop­fen und sich Un­ter­stüt­zung holen.“ Ihr ge­fal­le auch der Cam­pus und ins­be­son­de­re die La­bo­re des Fach­be­reichs Ma­schi­nen­we­sen: Mit dem Wind­ka­nal, dem Um­lauf­tank und dem Labor für Schiffs­fes­tig­keit habe die FH span­nen­de Mög­lich­kei­ten für die Stu­die­ren­den ge­schaf­fen.

Wäh­rend ihres ei­ge­nen Stu­di­ums schöpf­te Leo­nie Föh­ring auch die Kurse und Ex­kur­sio­nen der In­ter­dis­zi­pli­nä­ren Wo­chen (IdW) aus. Sie nahm an der Ex­kur­si­on zur Meyer-Werft in Pa­pen­burg teil, mach­te beim Blitz-Labor mit, be­leg­te Kurse zur Kör­per­spra­che und zur Kar­rie­re­ent­wick­lung, be­such­te eine Ge­richts­ver­hand­lung und konn­te auch beim Vor­trag zur Pa­ti­en­ten- und Vor­sor­ge­voll­macht viel ler­nen. „Auch so ein Thema soll­te einen in jun­gen Jah­ren be­schäf­ti­gen“, be­grün­det sie ihr En­ga­ge­ment. „Es ist toll, dass die FH da so auf­klärt.“ Auch beim star­tIng!-Pro­jekt der Fach­be­rei­che In­for­ma­tik und Elek­tro­tech­nik und Ma­schi­nen­we­sen war sie als Stu­den­tin und spä­ter als Fach­coach dabei.

„Prak­ti­ka hel­fen zu­sätz­lich, um sich wei­ter­zu­bil­den und den Ein­stieg in das Be­rufs­le­ben zu fin­den“, so Föh­ring, die rät, für das Schiff­bau­stu­di­um eine ge­wis­se tech­ni­sche Af­fi­ni­tät mit­zu­brin­gen und sich von Zah­len nicht ab­schre­cken zu las­sen. „Man kann alles ler­nen.“ Be­son­ders als Frau solle man nicht auf­ge­ben, son­dern ein­fach mit­ma­chen: „Es gibt Frau­en im Schiff­bau, und je mehr, desto bes­ser.“

Julia Kö­nigs

© Fach­hoch­schu­le Kiel