Mehr als neun Stunden Filme rund um das Thema „Selbstjustiz“ standen im Mittelpunkt des Bunker-Filmtags, der am 28. Oktober während der Interdisziplinären Wochen (IDW) stattfand. Dr. Tobias Hochscherf, Professor für ‚Audiovisuelle Medien‘, führte in das Thema ein. Jeder der drei ausgewählten Filme, die an diesem Tag gezeigt werden sollten, spiegelte einen typischen Anlass für Selbstjustiz wider: Beim Klassiker ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘ (1968) hat die Vergeltung ihre Wurzel darin, dass in der Welt des Wilden Westens eine staatliche Instanz fehlt, die für Gerechtigkeit sorgt. In ‚Get Carter‘ (1971) spielt die Mafia eine Rolle und damit eine Parallelgesellschaft, in der Verbrecherorganisationen selbst auf Rachefeldzug gehen. In ‚Promising Young Woman‘ (2020), der von sexuellem Missbrauch und einer Vergewaltigung handelt, die nicht bestraft wurden, widersprechen sich Recht und Rechtsempfinden.
Nach jedem Film gab es Gelegenheit zum Gespräch. Dass alte Produktionen immer noch attraktiv sein können, betonten mehrere Studierende im Anschluss an den Italo-Western ‚Spiel mir das Lied vom Tod‘. „Der Film ist episch“, meinte zum Beispiel Jakob Siebmann, der im dritten Semester Multimedia Production studiert. Die filmische Erzählung, in der es um kaltblütigen Mord, das Trauma eines Jungen, die Hoffnung einer ehemaligen Prostituierten und raue Banden geht, ist in die Geschichte des Eisenbahnbaus eingebunden.
Hans Peter Kunze, der im dritten Semester Bauingenieurwesen studiert, lobte: „Die Schauspielleistung ist wunderbar und die Musik passend.“ Auch Antonia Parentis, die im dritten Semester Erziehung und Bildung im Kindesalter studiert, fand den Film, den sie zum ersten Mal gesehen hatte, „gut gemacht“. Trotz der Länge von knapp drei Stunden empfand sie keine Langeweile. Der Informatikstudent Mike Schröder meinte: „Der Film zeigt kein klassisches Schwarz-Weiß-Denken, sondern differenzierte Charaktere.“ Und dem Maschinenbaustudenten Benjamin Rönnau gefielen die Kameraeinstellungen, die häufig den Gesichtsausdruck der Personen in größter Nähe einfingen.
Arwin Mofateh, Multimedia-Production-Student im dritten Semester, stellte fest: „Wir sympathisieren oft automatisch mit den Rächern.“ Er fragte in die Runde: „Wo ist die Grenze der moralischen Toleranz? Erlauben wir dem Helden alles?“ In den Augen von Prof. Hochscherf ist das Thema ‚Selbstjustiz‘ hochaktuell: „Es gibt heute Tendenzen, dass Menschen in vielen Ländern oder Situationen das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen verlieren. Wenn sie dann Recht und Gerechtigkeit in die eigenen Hände nehmen, dann ist dies für eine liberale, demokratische Gesellschaft gefährlich.“
Hinter dem Bunker-Filmtag steht ein Dreiergespann, dem neben Hochscherf auch Jan Pieper und Michael Lempart, die beide am Zentrum für Kultur- und Wissenschaftskommunikation arbeiten, angehören. Von Beginn an war es ihnen wichtig Produktionen auszuwählen, die zur Diskussion und Auseinandersetzung reizen. „Wir wählen in der Regel einen Klassiker, einen eher unbekannten Film und einen, der leichter bekömmlich ist“, erklärte Jan Pieper. Michael Lempart ergänzte: „Wenn es passt, nehmen wir auch Wunschfilme auf.“
Bereits zum vierten Mal hatte es Britta Ingwersen geschafft, einen der beliebten Plätze – es gibt meist über hundert Anmeldungen – zu ergattern. „Beim Ersti-Rundgang habe ich erfahren, dass es in den IDW dieses Angebot gibt“, erinnerte sich die Studentin der Sozialen Arbeit, die im fünften Semester studiert. „Ich finde es spannend, in unterschiedliche Filmgenres einzutauchen, Hintergründe zu erfahren und im Anschluss ins Gespräch zu kommen“, meinte die 32-Jährige. „So kann man die Empfindungen einordnen.“ Weitere Gründe für ihr Interesse am Filmtag: „Ins Kino zu gehen ist recht teuer“, sagte die Studentin. „Und hier kann man Leute aus anderen Fachbereichen kennenlernen.“ Sie wünscht sich für einen der nächsten Events dieser Art in den Interdisziplinären Wochen Filme zu Studentenrevolten.