Eine Frau© M. Pilch

Green Buil­ding

von Joa­chim Kläschen

Bau­vor­ha­ben sind immer eine en­er­gie­in­ten­si­ve An­ge­le­gen­heit. Wie viel En­er­gie Bau­vor­ha­ben be­nö­ti­gen und wie viel kli­ma­schäd­li­ches CO2 bei Bau­vor­ha­ben frei­ge­setzt wird, ver­an­schau­licht Prof. Dr.-Ing. Frau­ke Ger­der-Roh­kamm vom In­sti­tut für Bau­we­sen der FH Kiel an einem Ver­gleich: „Wäre das Bauen eine Volks­wirt­schaft, käme sie hin­sicht­lich des CO2-Aus­sto­ßes gleich hin­ter Län­dern wie China und den USA.“ Vor allem Beton, der welt­weit wich­tigs­te Bau­stoff, ist in der Her­stel­lung sehr en­er­gie­in­ten­siv, führt die Pro­fes­so­rin aus: „Die Her­stel­lung des Beton-Be­stand­teils Ze­ment er­for­dert Tem­pe­ra­tu­ren von gut 1.400 Grad. Doch nicht nur der hohe En­er­gie­ver­brauch ist öko­lo­gisch be­denk­lich. Zudem wer­den für die Her­stel­lung von Beton und Bau­werks­grün­dun­gen auch große Men­gen von Sand be­nö­tigt, und der wird in ei­ni­gen Tei­len der Welt be­reits knapp.“ Höchs­te Zeit also, dass ein Um­den­ken ein­setzt, doch der wich­tigs­te Bau­stoff ist kon­kur­renz­los güns­tig und bie­tet her­vor­ra­gen­de Ma­te­ri­al­ei­gen­schaf­ten. Ab­seh­bar wird sich das Bau­we­sen auf­grund feh­len­der Al­ter­na­ti­ven nicht vom Beton ver­ab­schie­den.

Es braucht also an­de­re Wege, um das Bauen nach­hal­ti­ger zu ma­chen. „Ein Weg zu einer bes­se­ren CO2 -Bi­lanz beim Bauen ist das Re­cy­cling von Bau­stof­fen. Die Bau­ten, die uns um­ge­ben, sind rie­si­ge Roh­stoff­la­ger vol­ler Stahl, Alu­mi­ni­um und Kup­fer. Al­ler­dings ist meist nur wenig über das Ab­bruch­ma­te­ri­al und des­sen Ei­gen­schaf­ten be­kannt und – wie bei­spiels­wei­se beim Stahl­be­ton – lie­gen häu­fig Ver­bund­stof­fe als Aus­gangs­ma­te­ri­al für den Re­cy­cling-Pro­zess vor“, um­rei­ßt Ger­der-Roh­kamm die grö­ß­ten Her­aus­for­de­run­gen bei die­ser Her­an­ge­hens­wei­se. Denn bei der Wie­der­ver­wen­dung von Bau­stof­fen ist es von gro­ßer Wich­tig­keit, dass bei­spiels­wei­se die Ma­te­ri­al­gü­te be­kannt ist. Im Be­reich Bau­stoff­re­cy­cling muss daher ein Um­den­ken er­fol­gen. Dies er­for­dert neue krea­ti­ve An­sät­ze, wie ein Bei­spiel aus den Nie­der­lan­den zeigt: Im Nach­bar­land zer­sä­gen In­ge­nieu­rin­nen und In­ge­nieu­re Teile von Klin­ker-Fas­sa­den und set­zen diese wie große Mo­sa­ik­stei­ne in Neu­bau­ten ein. Wenn Altes zu Neuem wird, schont das nicht nur Res­sour­cen, son­dern sorgt auch ar­chi­tek­to­nisch für in­ter­es­san­te Ef­fek­te. Hier sind krea­ti­ve Köpfe ge­fragt, die zu­künf­tig in­no­va­ti­ve Lö­sun­gen ent­wi­ckeln.

Viele Be­mü­hun­gen im Be­reich ‚Green Buil­ding‘ sind auf die Zu­kunft ge­rich­tet. Je ge­nau­er bei ak­tu­el­len Bau­vor­ha­ben ver­wen­de­te Kom­po­nen­ten und ihre Ma­te­ri­al­ei­gen­schaf­ten do­ku­men­tiert sind, desto bes­ser las­sen sich diese bei einem spä­te­ren Ab­bruch wie­der­ver­wen­den. So gilt es beim Auf­bau gleich an den Ab­bruch zu den­ken. Wird eine sol­che prä­zi­se Do­ku­men­ta­ti­on auch auf be­weg­li­che Bau­tei­le aus­ge­dehnt, bie­tet das zudem die Mög­lich­keit, War­tungs­kos­ten zu sen­ken und die Le­bens­dau­er des Ge­bäu­des zu er­hö­hen. Hier setzt das Buil­ding In­for­ma­ti­on Mo­de­ling (BIM) an, ein vir­tu­el­les Mo­dell des Bau­werks, das alle ver­füg­ba­ren In­for­ma­tio­nen ent­hält. „Wenn so ein ‚di­gi­ta­ler Zwil­ling‘ eines Ge­bäu­des bei­spiels­wei­se der be­treu­en­den Haus­ver­wal­tung recht­zei­tig mit­teilt, dass Bau­tei­le bald ein kri­ti­sches Alter er­rei­chen wer­den, kann sich diese früh­zei­tig um Er­satz küm­mern. Das ist deut­lich güns­ti­ger, als wenn Schä­den erst spät be­merkt wer­den“, er­klärt die Ex­per­tin für ‚Green Buil­ding‘ wich­ti­ge Po­ten­zia­le des BIM.

Werk­zeu­ge wie BIM bie­ten aber be­reits wäh­rend des Pla­nungs­pro­zes­ses viele Vor­tei­le, da un­ter­schied­li­che Ex­per­tin­nen und Ex­per­ten gleich­zei­tig an einem Mo­dell ar­bei­ten kön­nen, er­klärt die Pro­fes­so­rin. „Frü­her hat der Ar­chi­tekt eine Zeich­nung ge­macht, diese an den Sta­ti­ker wei­ter­ge­reicht, der diese mit Än­de­run­gen dem Haus­tech­ni­ker schick­te, und das Spiel be­gann mit jeder Än­de­rung von vorn, da sich alles auf­ein­an­der aus­wirkt. Durch BIM kön­nen nun alle Be­tei­lig­ten live sehen, wie sich Än­de­run­gen aus­wir­ken und re­agie­ren. Diese Ar­beits­wei­se ver­su­chen wir un­se­ren Stu­die­ren­den na­he­zu­brin­gen.“

Auch für äl­te­re Bau­wer­ke ist das Er­stel­len eines vir­tu­el­len Nach­baus sinn­voll, denn er zeigt auf Basis von Si­mu­la­ti­ons­be­rech­nun­gen für Laien ver­ständ­lich die Pro­ble­me von äl­te­ren Bau­wer­ken auf. „Im Be­trieb haben äl­te­re Ge­bäu­de meist eine sehr schlech­te En­er­gie­bi­lanz“, er­klärt Ger­der-Roh­kamm und be­legt das mit Zah­len. „Wäh­rend ein mo­der­ner Nied­rig­ener­gie­bau einen durch­schnitt­li­chen jähr­li­chen En­er­gie­be­darf von etwa 15 kWh/(m²a) hat, lie­gen äl­te­re Ge­bäu­de bei Wer­ten von mehr als 120 kWh/(m²a). Mit Hilfe von Si­mu­la­ti­ons­werk­zeu­gen lässt sich an­schau­lich auf­zei­gen, wel­che en­er­ge­tisch po­si­ti­ven Aus­wir­kun­gen bei­spiels­wei­se der Aus­tausch von Fens­tern oder der Hei­zungs­an­la­ge sowie die Däm­mung des Da­ches zur Folge hat. Das ist zwar zu­nächst mit hohen Kos­ten für Ei­gen­tü­me­rin­nen und Ei­gen­tü­mer ver­bun­den, die sich aber lang­fris­tig durch nied­ri­ge Be­triebs­kos­ten rech­nen kön­nen, vor allem aber um­ge­hend einen wich­ti­gen Bei­trag zum Kli­ma­schutz leis­ten.“ Die Kom­ple­xi­tät der Si­mu­la­ti­ons­be­rech­nun­gen ist be­ein­dru­ckend, denn diese kön­nen auch Geo- und Wet­ter­da­ten mit­ein­be­zie­hen und so bei­spiels­wei­se dar­stel­len, wie sich Son­nen­stand und Wit­te­rung über das Jahr auf den Bau aus­wir­ken, so dass dies in der Pla­nung ent­spre­chend be­rück­sich­tigt wer­den kann.


Doch am In­sti­tut geht es nicht nur um Ge­bäu­de. Bau­in­ge­nieu­rin­nen und -in­ge­nieu­re sind schlie­ß­lich auch im Stra­ßen- und Brü­cken­bau tätig, kon­zi­pie­ren neben Wohn­häu­sern auch kom­ple­xe Bau­wer­ke wie Schleu­sen, Tun­nel und Ka­nä­le sowie Bahn­hö­fe, See- und Flug­hä­fen. „In un­se­rem mehr­tei­li­gen ‚Bau­Ing‘-Pro­jekt ent­wer­fen un­se­re Stu­die­ren­den bei­spiels­wei­se im ers­ten Se­mes­ter ein Park­haus, im zwei­ten ein Ein­fa­mi­li­en­haus und im drit­ten eine Brü­cke über die Schwen­ti­ne. Im vier­ten Se­mes­ter wer­den dann all diese tol­len Ent­wür­fe unter Nach­hal­tig­keits-Ge­sichts­punk­ten von den Stu­die­ren­den op­ti­miert“, er­klärt Ger­der-Roh­kamm. „Spä­tes­tens da zeigt sich dann – auch den Stu­die­ren­den selbst – wie viel sie be­reits im Hin­blick auf den ver­ant­wor­tungs­vol­len Um­gang mit Ma­te­ri­al und En­er­gie ge­lernt haben. Si­cher ist en­er­gie­ef­fi­zi­en­tes Bauen zu­nächst meist teu­rer, aber die Stu­die­ren­den haben diese As­pek­te immer im Hin­ter­kopf und wis­sen um die Mög­lich­kei­ten, nach­hal­ti­ger bauen zu kön­nen.“

Neben den viel­fäl­ti­gen Bau­wer­ken sind Bau­in­ge­nieu­rin­nen und -in­ge­nieu­re bis­wei­len auch in die Pla­nung von Sied­lungs­struk­tu­ren ein­ge­bun­den, wo sie Mög­lich­kei­ten zur En­er­gie­ein­spa­rung früh auf­zei­gen kön­nen. Wenn es bei­spiels­wei­se um die Pla­nung neuer Wohn­ge­bie­te geht, ist die Frage der En­er­gie­ver­sor­gung eine grund­le­gen­de, weiß Ger­der-Roh­kamm: „Ob ein Neu­bau­ge­biet an eine vor­han­de­ne Strom­tras­se an­ge­schlos­sen wer­den, oder sich aut­ark mit En­er­gie ver­sor­gen kön­nen soll, ist eine span­nen­de Frage. Dafür müs­sen un­se­re Stu­die­ren­den die kom­ple­xen Zu­sam­men­hän­ge und Be­dar­fe genau ken­nen. Dar­über hin­aus müs­sen auch in­fra­struk­tu­rel­le Fra­gen be­rück­sich­tigt wer­den, etwa ob und wie eine An­bin­dung über Fahr­rad­we­ge, Stra­ßen und den öf­fent­li­chen Nah­ver­kehr rea­li­siert wer­den kann. Weil uns das, was wir heute bauen, meist über 100 Jahre be­glei­tet, ist das eine große Ver­ant­wor­tung. Daher ist es mir wich­tig, dass un­se­re Stu­die­ren­den die Po­ten­zia­le von ‚Green Buil­ding‘ zu­min­dest ken­nen oder sie bes­ser noch bei ihrer Ar­beit im Her­zen tra­gen.“

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