Ein Triebwagen© Deut­sche Bahn AG / Frank Bar­teld - Re­dak­ti­on & Ver­lag
Trieb­wa­gen der Bahn kön­nen mit hy­drier­tem Pflan­zen­öl be­trei­ben wer­den.

Frit­ten­fett-An­trieb als Brü­cken­tech­no­lo­gie?

von Joa­chim Kläschen

Es klingt nach einer ge­nia­len Idee: An­statt Züge mit Die­sel an­zu­trei­ben, soll auf­be­rei­te­tes Frit­ten­fett zum Ein­satz kom­men – aus­ge­dien­te Kü­chen­ab­fäl­le statt fos­si­ler En­er­gie­trä­ger? „Grund­sätz­lich ist es sehr wohl mög­lich, die schwe­ren Ma­schi­nen mit hy­drier­tem Pflan­zen­öl (HVO) zu be­trei­ben“, sagt Dr.-Ing. Sven Olaf Neu­mann vom Fach­be­reich Ma­schi­nen­we­sen der Fach­hoch­schu­le Kiel. Al­ler­dings, gibt der Pro­fes­sor für Kon­struk­ti­on für Strö­mungs­ma­schi­nen und Ex­per­te für En­er­gie­ef­fi­zi­enz zu be­den­ken, dass der flä­chen­de­cken­de Ein­satz des al­ter­na­ti­ven En­er­gie­trä­gers wohl nicht um­setz­bar ist.

Was ak­tu­ell im Land dis­ku­tiert wird, ist nicht neu. „In Pa­ta­go­ni­en wid­met man sich schon län­ger dem Thema nach­hal­ti­ger E-Kraft­stof­fe, der nächs­te Schritt ge­gen­über HVO. Das Kon­sor­ti­um, zu dem auch Por­sche ge­hört, er­forscht die Her­stel­lung und Op­ti­mie­rung sol­cher E-Fuels, die klas­si­sche Ver­bren­ner-Mo­to­ren ver­gleichs­wei­se um­welt­freund­lich an­trei­ben sol­len“, weiß Neu­mann. Wie um­welt­freund­lich E-Fuels sind, hängt von den bei der Pro­duk­ti­on ein­ge­setz­ten En­er­gie­trä­gern ab. Aber Bio­kraft­stof­fe haben auch eine ethi­sche Di­men­si­on. „Auf den Tel­ler oder in den Tank?“, bringt Neu­mann das Di­lem­ma poin­tiert auf den Punkt. So lange es Hun­ger auf der Welt gibt, hat der Ein­satz von Nah­rungs­mit­teln als Treib­stoff einen faden Bei­ge­schmack. Oder eben nicht ein­mal einen Bei­ge­schmack.

Doch grund­sätz­lich hält der Pro­fes­sor Bio-Kraft­stof­fe für eine sinn­vol­le Sache. Zwar ist der Ein­satz zu­sätz­li­cher En­er­gie nötig, um aus altem Frit­ten­fett unter Druck und Tem­pe­ra­tur HVO her­zu­stel­len. Aber wenn dafür grüne En­er­gie aus Wind­kraft- oder So­lar­an­la­gen zum Ein­satz kommt, er­gibt sich am Ende eine bes­se­re CO₂-Bi­lanz als beim Ein­satz fos­si­ler En­er­gie­trä­ger. „Den be­reits ver­wen­de­tem Roh­stoff einem zwei­ten Nut­zen zu­zu­füh­ren, als für den glei­chen Zweck neue Res­sour­cen zu ver­brau­chen, ist sinn­voll“, re­sü­miert Neu­mann.

Ein wei­te­rer As­pekt, den der Pro­fes­sor in die Dis­kus­si­on um Bio­kraft­stof­fe ein­bringt, ist die Frage nach dem grö­ß­ten Nut­zen. „HVO und an­de­re E-Fuel im Nah­ver­kehr ein­zu­set­zen, als eine Brü­cken­tech­no­lo­gie – um weg vom Die­sel und hin zum grü­nen Strom zu kom­men – ist sinn­voll. Für den Ein­satz im In­di­vi­du­al­ver­kehr, um das ei­ge­ne Auto zu be­tan­ken, sind E-Fuels aber zu teuer.“ Das gilt auch für grü­nen Was­ser­stoff, für des­sen Her­stel­lung viel En­er­gie nötig ist, die man an­der­wei­tig ef­fek­ti­ver nut­zen könn­te. Schlie­ß­lich je­doch er­öff­net grü­ner Was­ser­stoff eine Ab­kehr von der Kohle in der Stahl­in­dus­trie oder als Treib­stoff für den Ver­kehr, der sich nicht elek­tri­fi­zie­ren lässt.

So viele Vor­tei­le HVO im Ver­gleich mit dem Ein­satz fos­si­ler En­er­gie­trä­ger mit sich bringt – woher die für den Bahn­ein­satz be­nö­tig­ten Men­gen Frit­ten­fett kom­men sol­len, wer die Lo­gis­tik und die Auf­be­rei­tung er­le­digt – all das und viele De­tail­fra­gen sind nicht ab­schlies­send ge­klärt und Ge­gen­stand ak­tu­el­ler For­schun­gen. So kommt Olaf Neu­mann in der Sache dann schmun­zelnd zu einem nüch­ter­nen Fazit: „HVO wird die Welt nicht ret­ten, denn  die Ska­lier­bar­keit ist ein Pro­blem. Aber es ist den­noch eine sinn­vol­le Sache.“

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