Es klingt nach einer genialen Idee: Anstatt Züge mit Diesel anzutreiben, soll aufbereitetes Frittenfett zum Einsatz kommen – ausgediente Küchenabfälle statt fossiler Energieträger? „Grundsätzlich ist es sehr wohl möglich, die schweren Maschinen mit hydriertem Pflanzenöl (HVO) zu betreiben“, sagt Dr.-Ing. Sven Olaf Neumann vom Fachbereich Maschinenwesen der Fachhochschule Kiel. Allerdings, gibt der Professor für Konstruktion für Strömungsmaschinen und Experte für Energieeffizienz zu bedenken, dass der flächendeckende Einsatz des alternativen Energieträgers wohl nicht umsetzbar ist.
Was aktuell im Land diskutiert wird, ist nicht neu. „In Patagonien widmet man sich schon länger dem Thema nachhaltiger E-Kraftstoffe, der nächste Schritt gegenüber HVO. Das Konsortium, zu dem auch Porsche gehört, erforscht die Herstellung und Optimierung solcher E-Fuels, die klassische Verbrenner-Motoren vergleichsweise umweltfreundlich antreiben sollen“, weiß Neumann. Wie umweltfreundlich E-Fuels sind, hängt von den bei der Produktion eingesetzten Energieträgern ab. Aber Biokraftstoffe haben auch eine ethische Dimension. „Auf den Teller oder in den Tank?“, bringt Neumann das Dilemma pointiert auf den Punkt. So lange es Hunger auf der Welt gibt, hat der Einsatz von Nahrungsmitteln als Treibstoff einen faden Beigeschmack. Oder eben nicht einmal einen Beigeschmack.
Doch grundsätzlich hält der Professor Bio-Kraftstoffe für eine sinnvolle Sache. Zwar ist der Einsatz zusätzlicher Energie nötig, um aus altem Frittenfett unter Druck und Temperatur HVO herzustellen. Aber wenn dafür grüne Energie aus Windkraft- oder Solaranlagen zum Einsatz kommt, ergibt sich am Ende eine bessere CO₂-Bilanz als beim Einsatz fossiler Energieträger. „Den bereits verwendetem Rohstoff einem zweiten Nutzen zuzuführen, als für den gleichen Zweck neue Ressourcen zu verbrauchen, ist sinnvoll“, resümiert Neumann.
Ein weiterer Aspekt, den der Professor in die Diskussion um Biokraftstoffe einbringt, ist die Frage nach dem größten Nutzen. „HVO und andere E-Fuel im Nahverkehr einzusetzen, als eine Brückentechnologie – um weg vom Diesel und hin zum grünen Strom zu kommen – ist sinnvoll. Für den Einsatz im Individualverkehr, um das eigene Auto zu betanken, sind E-Fuels aber zu teuer.“ Das gilt auch für grünen Wasserstoff, für dessen Herstellung viel Energie nötig ist, die man anderweitig effektiver nutzen könnte. Schließlich jedoch eröffnet grüner Wasserstoff eine Abkehr von der Kohle in der Stahlindustrie oder als Treibstoff für den Verkehr, der sich nicht elektrifizieren lässt.
So viele Vorteile HVO im Vergleich mit dem Einsatz fossiler Energieträger mit sich bringt – woher die für den Bahneinsatz benötigten Mengen Frittenfett kommen sollen, wer die Logistik und die Aufbereitung erledigt – all das und viele Detailfragen sind nicht abschliessend geklärt und Gegenstand aktueller Forschungen. So kommt Olaf Neumann in der Sache dann schmunzelnd zu einem nüchternen Fazit: „HVO wird die Welt nicht retten, denn die Skalierbarkeit ist ein Problem. Aber es ist dennoch eine sinnvolle Sache.“