Ein Mann© J. Klaeschen
Lukas Breuer schreibt seine Abschlussarbeit am Fachbereich Maschinenwesen über die Erzeugung von Grünem Wasserstoff.

Dem Grünen Wasserstoff auf der Spur

von Joachim Kläschen

Wenn Lukas Breuer an seinem Industrieprojekt arbeitet, ist ein leises Blubbern zu vernehmen. Der 24-jährige Student des Studiengangs Offshore-Anlagentechnik/Erneuerbare Offshore Energien setzt sich mit der Erzeugung und Anwendung von Grünem Wasserstoff auseinander. Auf seinem Tisch steht ein Demonstrationsprüfstand mit Schläuchen, Kabeln und Anzeigen. „Eine Solarzelle erzeugt Gleichstrom, der in einen sogenannten Elektrolyseur fließt“, erklärt der Student. „Bei der Elektrolyse wird durch elektrische Energie das destillierte Wasser (H2O) in Wasserstoff (H2) sowie Sauerstoff (O2) aufgespalten und in separaten Gastanks gesammelt. Die chemisch gespeicherte Energie in Form von Wasserstoff lässt sich mit einer Brennstoffzelle später wieder in elektrische Energie umwandeln.“ Was sich abstrakt anhört, lässt sich gut nachvollziehen, wenn Lukas Breuer die einzelnen Schritte am blubbernden Demonstrationsprüfstand erklärt.

Die Elektrolyse als elektrochemisches Verfahren ist mehr als 200 Jahre alt, erlebt aber im Zuge der Energiewende gerade eine Renaissance. Der größte Vorteil des Wasserstoffs gegenüber anderen Energieträgern liegt in seiner CO2-Bilanz: „Für die Erzeugung von Grünem Wasserstoff in einem Elektrolyseur werden ausschließlich Erneuerbare Energiequellen eingesetzt, wie beispielsweise Windenergieanlagen oder Solaranlagen und zukünftig vielleicht auch Wellenkraftwerke“, erklärt Lukas Breuer. „Dabei steht die Wasserstoffproduktion nicht in Konkurrenz zu anderen Formen der Energieerzeugung, sondern ist eine Ergänzung für weitere industrielle Anwendungen auf dem Weg zur Dekarbonisierung“, weiß Prof. Dr.-Ing. Christian Keindorf, der die Arbeit von Lukas Breuer im Bereich Erneuerbare Offshore Energien betreut und ergänzt: „Wasserstoff-Tanks stellen einen hilfreichen Zwischenspeicher dar, um die volatile Energieerzeugung aus Wind, Welle und Sonne auszugleichen.“

 

Elektrolyse auf hoher See

„An manchen Tagen mit hohen Windgeschwindigkeiten muss insbesondere in Norddeutschland ein Teil der Windenergieanlagen abgeschaltet werden, wenn die Aufnahmekapazität der Stromnetze am Limit ist. Dies wäre die Stunde der Elektrolyseure, die die überschüssige Windenergie trotzdem nutzen könnten und in Wasserstofftanks chemisch zwischenspeichern“, führt Keindorf aus. „Es fehlt noch an ausreichender Infrastruktur, um den Grünen Wasserstoff zu speichern oder zur Kundschaft zu bringen.“ Die Installation von Elektrolyseuren in Offshore-Windparks wäre daher ein naheliegender Schritt, denn in solchen Parks wird die elektrische Energie in Kraftwerkgrößen erzeugt, sodass auch Elektrolyseure im Megawattbereich gefüttert werden könnten.

„Gegenwärtig wird daran geforscht, auch Meerwasser für die Elektrolyse einzusetzen, um die Süßwasserreserven der Welt zukünftig nicht noch weiter zu verknappen. Bislang ist das Meerwasser allerdings aufgrund der enthaltenen Störstoffe wie beispielsweise Salz und der dadurch verursachten Chlorid-Korrosion an den Elektroden nicht die erste Wahl“, dämpft Keindorf die Erwartungen an eine unkomplizierte und schnelle Allianz zwischen der Stromerzeugung und der Wasserstoffproduktion auf hoher See. Spezielle Beschichtungen der Elektroden könnten eventuell der Schlüssel zu Erfolg sein, um das Meerwasser direkt als ‚Rohstoff‘ für die Elektrolyse nutzen zu können.

 

Imagewandel

Grüner Wasserstoff litt lange unter einem schlechten Image, weil viel Strom für seine Erzeugung notwendig ist. Bei der Rückverstromung in einer Brennstoffzelle sinkt der Wirkungsgrad noch weiter ab. Aber auch hier wird geforscht, um die Verfahren effizienter zu gestalten. „Wir sehen hier viel Potenzial, und das wollen wir auch unseren Studierenden vermitteln“, sagt Keindorf optimistisch, der zusammen mit Prof. Dipl.-Ing. Peter Quell am Fachbereich für die Erneuerbaren Offshore Energien zuständig ist. „Wir wollen am Fachbereich Maschinenwesen ein Wasserstoff-Labor aufbauen. So sollen die Ingenieurinnen und Ingenieure der Zukunft, die wir ausbilden, die Möglichkeit erhalten, sich noch intensiver mit Grüner Technologie auseinandersetzen. Wir wünschen uns, dass sich die Studierenden einen möglichst weiten Blick antrainieren und möglichst viele Technologien kennenlernen, um später im Berufsleben fachlich fundierte Entscheidungen treffen zu können.“

Dass Wasserstoff eine große Zukunft bevorsteht, scheint sicher. Konzerne wie Salzgitter AG und Thyssenkrupp AG spielen öffentlich mit dem Gedanken, in der energieintensiven Stahlproduktion, Kohle und Koks durch Wasserstoff zu ersetzen. Die notwendigen Investitionen will die Industrie jedoch nicht allein schultern. „Es ist ein Henne-Ei-Problem“, lacht Keindorf bitter. „Alle Akteure, also Erzeuger, Netzbetreiber von Stromleitungen und Pipelines sowie die Industrie und Haushalte als Verbraucher müssen im Einklang voranschreiten, damit der Markthochlauf für Wasserstoff gelingt. Natürlich ist auch die Politik gefordert, die bereits eine nationale Wasserstoffstrategie erarbeitet hat, damit die Wasserstoff-Technologie uns zusätzliche Möglichkeiten bietet und die Gesellschaft sich bei der Energieversorgung zukünftig unabhängiger machen kann“, lässt Keindorf Optimismus anklingen.

© Fachhochschule Kiel