Von den ersten mechanischen Rechenhilfen aus dem 19. Jahrhundert über gigantische Firmenrechner hin zu den Stars der 80er-Jahre wie Atari, Commodore und Co.: Das Computermuseum der Fachhochschule Kiel ist ein echtes Eldorado für Technikfans. In diesem Jahr feiert das Museum sein zehnjähriges Bestehen.
Wenn man Museumschef Markus Schack nach der größten technischen Errungenschaft in der Geschichte des Computers fragt, ist für ihn die Antwort klar: die Miniaturisierung der Transistoren in den Microchips. Das meint, dass immer mehr Rechenleistung auf kleinster Fläche möglich ist. Diese Entwicklung sei auch der Grund, warum unsere Smartphones heute so unglaublich viele Funktionen bieten. Kamera, Rechner, Walkman, Telefon und Diktiergerät in einem. Doch moderne Handys finden sich nicht in der Ausstellung des Computermuseums an der Fachhochschule Kiel. Ganz im Gegenteil. Es geht viele Jahre zurück.
Gleich eine der ersten Stationen der Ausstellung bringt die Besucher an die Anfänge der 30er-Jahre. „Zuses Wohnzimmer“ nennt der Leiter des Zentrums für Kultur und Wissenschaft, Markus Schack, diesen besonderen Teil der Ausstellung. Vor einem Jahr hat er die Leitung des Computermuseums übernommen – und den langjährigen Chef Eduard Thomas abgelöst. Für den Diplom-Informatiker gehöre dieser Teil der Ausstellung zu den absoluten Highlights. Schließlich war es Konrad Zuse, der den ersten Computer in den 30er-Jahren entwarf. Einige Jahre später wird seine mechanische Version fertig und die Arbeit an dem weltweit ersten elektronischen Rechner enden 1941. Was den ersten Computer Zuses so besonders macht? „Der deutsche Ingenieur hat das innovative Binär-System konsequent in seinem Computer eingesetzt“, erklärt Schack. Während die Computer in den USA noch mit dem Dezimalsystem arbeiteten, nutzte Konrad Zuse nur zwei Ziffern: Null und Eins. „Damit begann die Ära des Computers.“
Das Herzstück in Zuse Wohnzimmer ist der Z11 – der erste Computer, der nach dem zweiten Weltkrieg in Serie gebaut wurde. Taktfrequenz: zehn bis zwanzig Herz. „Für Ende der 50er-Jahre war das eine ordentliche Rechenleistung“, so Schack. Die elektromagnetischen Relais – eine Art Drahtspule auf einem Metallkern – können durch die durchsichtige Front bestaunt werden. Neben der imposanten Maschine fällt das Gemälde eines Segelboots an der Wand ins Auge. Der deutsche Ingenieur hat nicht nur Computer entwickelt, sondern auch gemalt.
Der Name Zuse begegnet den Besuchern auf ihrem Weg durch die Ausstellung immer wieder. Zum Beispiel gleich im nächsten Raum, in dem die Nachfolger des Z11 ausgestellt sind. Elektronenröhren lösen die Relais ab. Sie arbeiten 2000 mal so schnell. Eine echte Evolution der Computertechnik. In der zweiten Etage spielen die Geräte der 60er- und 70er-Jahre die Hauptrolle. Die Computer haben den Sprung aus der Wissenschaft rein ins alltägliche Leben gefunden. Hier können Besucher den „Control Data 1700“, der einst im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein eingesetzt wurde, um Kinderherzen untersuchen, bewundern. Auch das Rechenzentrum der ehemaligen Kreissparkasse Plön findet hier reichlich Platz. „Was heute auf eine kleine Festplatte passen würde, hat zu damaligen Zeiten eine ganze Wand eingenommen“, erklärt Schack mit Blick auf einen Schrank voller Speicherspulen der Bank.
Das letzte Stockwerk ist den Heimcomputern der 80er- und 90er-Jahre gewidmet. Für Computerfreaks sei dies meist der beliebteste Teil der Ausstellung. Viele entdecken hier ihren ganz persönlichen Liebling aus Kindheit und Jugend wieder. Auch der erste Computer des Museumschefs steht auf einem der Tische: der Commodore PET 2001. Er habe ihn von einem befreundeten Professor seines Vaters über die Weihnachtsferien ausleihen dürfen, erinnert er sich. „Das waren wirklich spannende Ferien für mich. Auf diesem Gerät habe ich mit 13 meine ersten Programme geschrieben.“ Der Beginn für seine berufliche Laufbahn als Informatiker.
Das Besondere an dem Kieler Museum sei neben der außerordentlichen Sammlung auch der regionale Bezug vieler Geräte. So steht in der zweiten Etage der original Sternenprojektor aus dem ehemaligen Planetarium im Knooper Weg. Ein Stückchen weiter findet sich der frühere Computer des NDR-Studios – eingekleidet in Eichenholz. Während die ältesten Exponate des Computermuseums – die mechanischen Rechenmaschinen – aus dem 19. Jahrhundert stammen, findet sich unten im Foyer das neuste Gerät: die Butterfly-Box. In ihr können die Besucher in die Welt der Virtual Reality eintauchen.
Die Entstehungsgeschichte des Museums
Die Sammlung mit 350 Exponaten des heutigen Computermuseums geht zurück auf den Förderverein Kiel, der sich bereits Anfang der 80er-Jahre zusammengeschlossen hat. Computer- und Technikbegeisterte hatten es sich zur Aufgabe gemacht, Raritäten aus der Computerwelt zu sammeln. Ihr Ziel: ein Museum für Schreib- und Rechentechnik aufzubauen. Einige der heutigen Exponate stammen aus dem Fundus des Vereins, andere wiederum aus der Sammlung des Informations- und Kommunikations-Dienstleisters Dataport (damals noch unter dem Namen „Datenzentrale“ bekannt). Das Unternehmen aus Altenholz hatte in den 90er-Jahren in seinen Räumen einige Rechner ausgestellt.
Das neue Museum sollte größer und für mehr Menschen zugänglich werden. Die Geräte wurden schließlich Anfang der 90er-Jahre an das Land Schleswig-Holstein übertragen – und die Fachhochschule Kiel an Bord geholt. Es sollte eines der größten Computermuseen Deutschlands werden. Das hat es auch geschafft: Mit 500 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist es nach dem Museum in Paderborn sowie der Informatiksammlung des Deutschen Museums in Berlin das drittgrößte seiner Art in Deutschland. Auch heute noch unterstützt der Förderverein das Museum – inzwischen unter dem Namen Förderverein Computer Kiel e.V. 77 Mitglieder engagieren sich dort.
Der Aufbau und vor allem die Logistik seien eine der größten Herausforderungen gewesen, erinnert sich Schack, der damals die Ausstellung neben dem damaligen Kanzler der FH-Kiel, Klaus Heinze, Prof. Dr. Ludwig Fromm von der Muthesius-Kunsthochschule, der für die Innenarchitektur und Gestaltung zuständig war, sowie Technikhistoriker Ralf Bülow, welcher die Ausstellungsexponate auswählte, maßgeblich mitgestaltete.
Zunächst wurden die kleinen und großen Maschinen in der alten Getreide AG Halle zwischengelagert. Die Idee, den ehemaligen Luftschutzbunker als Ausstellungsort zu wählen, war gewagt. Schließlich haben die Räumlichkeiten ihre Eigenheiten. So musste man beispielsweise ein großes Loch in die fast drei Meter dicken Bunkerwände schlagen, damit die massiven Geräte wie der Z64 – ein automatischer Zeichentisch – überhaupt in das Gebäude gelangen konnten. „Der Trick war, die große Fensterfront erst später einzusetzen und das Loch als Eingang zu nutzen“, erzählt Markus Schack. Mit einem Kran wurden die wertvollen Schätze vorsichtig in den Bunker buchsziert – ein aufwändiges Unterfangen. Drei Jahre dauerte der Umbau, bis das Computermuseum dann am 14. Juni 2011 seine Türen öffnete.
Entscheidend bei der Gestaltung war auch die Barrierefreiheit – besonders in einem massiven Bunker eine große Herausforderung. So wurde zum Beispiel aufwendig ein Fahrtsuhl eingebaut. Zur Freude auch von Markus Schack. Denn im Keller finden sich noch weitere Geräte, die so bei Bedarf leicht in die Ausstellungsräume transportiert werden können. Der Aufbau der Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit Studierenden der Muthesius Kunsthochschule entwickelt. „Wir wollten unser Knowhow für die Technik mit der Visualisierungskraft der Studierenden an der Kunsthochschule zusammenbringen“, sagt Schack. Heute zieren die Wände nicht nur Infotafeln zu den Geräten, sondern auch verschiedene Kunstwerke – beispielsweise von Ludwig Fromm, Matthias A. K. Zimmermann oder Katharina Kierzek.
Das bringt die Zukunft
Für die Zukunft sind erst einmal keine neuen Exponate geplant. Der Platz reiche dafür nicht aus. Markus Schack bekomme häufig Angebote, doch diese lehne er meistens ab. Nur vor einigen Wochen habe er mal wieder zugeschlagen – und einen seltenen Spezialcomputer aus dem Ende der 70er-Jahre ergattert.
Dennoch sind Neuerungen für das Museum geplant. Denn nicht nur die Computertechnologie ändert sich, sondern auch der Umgang der Menschen mit dieser. So konnten Schack und sein Team feststellen, dass Besucher in der Vergangenheit immer wieder versuchten, die digitalen Bildschirmtafeln mit den Fingern zu bedienen. „Überall waren Abdrücke zu sehen. Dabei muss man die Monitore per Knopfdruck steuern.“ Die Smartphones hätten unser Gehirn darauf gepolt, dass wir per Touch Geräte bedienen, erklärt er. Daher seien die Museumsmitarbeitenden gerade dabei, alle Monitore umzubauen. Außerdem gibt es neue Infoschilder, die von der Decke in der dritten Etage hängen. Die Zeit, in der das Museum aufgrund der Pandemie schließen muss, wolle er sinnvoll nutzen.
Für die Zukunft könne sich der Museumschef außerdem vorstellen, Mobilgeräte in den Ausstellungsrundgang zu integrieren. Er sei gespannt, was sich die Studierenden der Fachhochschule noch so einfallen lassen würden. Denn das Computermuseum sei eben nicht nur ein Museum, sondern auch Testwiese für Studierendenprojekte aus den verschiedensten Fachbereichen.
Anlässlich des diesjährigen Jubiläums ist vom 14. bis 17. Juni eine feierliche Woche mit verschiedenen Veranstaltungen geplant. Sofern es unter den Pandemiebedingungen möglich ist, sollen Schulklassen an den Vormittagen eine besondere Führung durchs Museum bekommen und in einer Feierstunde mit prominenten Gästen das zehnjährige Bestehen zelebriert werden. Auch der Sohn von Konrad Zuse – Horst Zuse – steht auf der Besucherliste. Aktuelle Informationen zu der Jubiläumswoche gibt es auf der Homepage des Museums.