Ein Mann© H. Ohm

„Wir müssen jedes Jahr danken, dass es eine Ernte gibt“

von viel.-Redaktion

Zum Erntedankfest am 07.10.18 hatte Hartmut Ohm aus der viel.-Redaktion ein paar Fragen an Prof. Dr. Urban Hellmuth vom Fachbereich Agrarwirtschaft der FH Kiel zur Situation unserer Landwirtschaft.

Am 7. Oktober feiern wir das Erntedankfest. Haben die Landwirtinnen und Landwirte in diesem Jahr überhaupt etwas zu feiern?

Wenn wir uns auf die Landwirtinnen und Landwirte in unserer Region Westeuropas konzentrieren, können sie alleine schon darauf stolz sein, dass sie es seit wenigen Jahrzehnten erstmals Jahr für Jahr schaffen, nicht nur sich selbst, sondern auch die Bevölkerung ihrer Region sicher zu ernähren. Wenn dann im Herbst die Ernte eingefahren ist, ist das ein guter Tag, innezuhalten und sich dieses Luxus bewusst zu werden und ihn zu feiern.

Wie sehr haben das nasse Frühjahr und der trockene Sommer der Landwirtschaft zugesetzt?

Wenn Landwirtinnen und Landwirte im nasses Herbst ihre Ernte nicht vom Felde bekommen oder sehen, was ihre Böden dabei zu ertragen haben, geht das nicht nur ans Geld. Auf vielen Feldern wird es einige Jahre dauern, bis die Böden wieder ihre Leistungsfähigkeit erreichen. Im Frühjahr kam die Saat nicht rechtzeitig in die Erde oder die Herbstsaat kämpfte ums Überleben. Und der trockene Sommer zeigte dann, wie wichtig es ist, dass Pflanzen regelmäßig Feuchtigkeit bekommen. Viele Regionen der Welt beneiden uns, wie schön grün doch unsere Landschaft normalerweise ist. Ein kleiner Vorteil war sicherlich, dass auch viele Schädlinge Wassermangel hatten, so dass der Pflanzenschutz erleichtert war.

Welche Hilfe brauchen die landwirtschaftlichen Betriebe jetzt konkret?

Wir müssen immer zwischen der Landwirtschaft und den landwirtschaftlichen Betrieben – und den davon lebenden Menschen – unterscheiden. Unabhängig vom langfristigen menschengemachten Klimawandel musste die Landwirtschaft immer damit leben, dass das Wetter in jedem Jahr einen unvorhersagbaren Einfluss auf den (Ernte-) Erfolg hat. Daher kommt ja die traditionelle Gewissheit, dass wir jedes Jahr erneut danken müssen, dass es eine Ernte gibt. Sogar dem Klimawandel wird sich die Landwirtschaft stellen (müssen). Aber eine andere Frage wird sein, wie viele unserer landwirtschaftlichen Betriebe diese jährliche Unwägbarkeit und den langen Anpassungsprozess überleben werden. Kurz gesagt, die Landwirtschaft wird sich anpassen, aber nicht alle Betriebe werden mithalten können.

Werden Lebensmittel bei uns knapp?

Das ist doch sicher eine in der Geschichte so noch nie dagewesene Situation: In Westeuropa hat die Landwirtschaft es geschafft, ihre Bevölkerung weitgehend sicher mit Mitteln fürs Leben zu versorgen. In Deutschland versorgt ein Landwirt 144 Menschen! Manches ist teurer, als im Jahr zuvor, aber eigentlich muss niemand hungern, wenn wir als Staat dafür sorgen, dass Notleidende auch teilhaben können, wenn sie einmal nicht genug Geld haben. Die Lebensmittel sind da, die Bauern haben ihren Job gemacht, hier können wir also im ursprünglichen Sinne Erntedank feiern.

Müssen wir uns darauf einstellen, dass die Sommer im Trend wärmer und trockener werden?

Nach allem, was wir über den Klimawandel wissen, werden sich die Sommer so entwickeln; die Winterhalbjahre werden ebenfalls wärmer, aber auch nasser. Wie es aber in den einzelnen Jahren aussieht, wird ebenso zufällig unterschiedlich sein wie bisher.

Was kann die Landwirtschaft tun, um mit den neuen Verhältnissen zurechtzukommen?

Die Landwirtschaft passt sich schon jetzt an, die ersten Landwirte bauen ja sogar schon in Schleswig-Holstein Wein an. Neben diesen spektakulären Entwicklungen geht es aber zum Beispiel auch darum, unsere Pflanzen züchterisch an die Veränderungen anzupassen und die Veränderungen bei Schädlingen zu beobachten, um die Nutzpflanzen pünktlich und richtig unterstützen zu können.

Wie kann der Staat langfristig die landwirtschaftlichen Betriebe unterstützen?

Zunächst einmal sollten wir wieder daran denken, dass wir alle der Staat sind. Woran wir häufig beim Wort „Staat“ denken, das sind unsere Staatsorgane. Also, sicher ist es wichtig, dass Betriebe unterstützt werden, wenn sie ohne eigenes Verschulden aufgrund besonders schlechter Ernten in Not geraten. Aber jeder einzelne kann dazu beitragen, dass sich zum Beispiel der Klimawandel möglichst gering ausprägt. Und, um auf das Thema Erntedankfest zurückzukommen, jeder kann sich fragen, ob die Lebensmittel, die uns so selbstverständlich zur Verfügung stehen, nicht verschwenderisch verbraucht oder sogar in den Müll geworfen werden müssen. Viel zu viele Lebensmittel werden weggeworfen.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

© Fachhochschule Kiel