„Nachhaltigkeit baut auf drei Säulen – einer ökologischen, einer ökonomischen und einer sozialen. Diese stehen in Wechselwirkung miteinander“, sagt Natascha Kupka, Professorin für Wirtschafts- und Insolvenzrecht an der FH Kiel. Lange definierte sich der Nachhaltigkeitsbegriff nur über Ökologie. 1987 änderte das ein Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen, der so genannten Brundtland-Kommission. Seither ist eine Entwicklung nachhaltig, wenn sie „die Bedürfnisse der heutigen Generation sicherstellt, ohne die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen zu gefährden.“
Nach und nach entwickelte sich ein Bewusstsein für wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit sowie deren Bezug zur Ökologie. „Unternehmen haben überprüft, wie sie ihre Produkte in Richtung Nachhaltigkeit verändern können – Cradle-to-Cradle-Design zum Beispiel“, sagt Kupka. Dieses Konzept beschreibt einen Kreislauf, bei dem nur nachhaltig recycelte Materialien in neue Produkte eingehen. Ein weiteres Beispiel sind symbiotische Beziehungen zwischen Unternehmen. Das Abfallprodukt des einen ist der Rohstoff des anderen Unternehmens.
Doch bei diesen Konzepten entstehen Mehrkosten. Damit Firmen diese nicht an ihre Endkunden weitergeben müssen, ist oft eine Veränderung hin zu einer nachhaltigen Unternehmenskultur notwendig. In dieser steht der Mensch im Fokus des Wirtschaftens. Die Idee: Jede Person soll ihre Leistung bestmöglich entfalten und sich innovativ einbringen. „In einer nachhaltigen Unternehmenskultur sind Menschen motivierter und werden seltener krank. Hier wird die Wechselwirkung der drei Säulen sehr deutlich“, erklärt die Professorin. „Sozial nachhaltiges Verhalten wirkt sich erlebbar unmittelbar ökonomisch und ökologisch aus.“
Die Säulen der Nachhaltigkeit gewichtet jedes Unternehmen unterschiedlich – eine einheitlich verbindliche Vorgabe gibt es noch nicht. Laut Kupka liege der Fokus vieler Unternehmen aktuell häufig noch auf ökologischer Nachhaltigkeit. Grund dafür sei die Notwendigkeit, CO2 einzusparen. Außerdem gebe es viele Interessengruppen, die Druck auf Unternehmen ausüben, ökologisch nachhaltiger zu agieren. Auch der Generationenwechsel trägt seinen Teil zur Nachhaltigkeitswende bei. Kupka: „Die Menschen, die wir heute an der FH Kiel ausbilden, haben ein anderes Bewusstsein als Absolventinnen und Absolventen vor zehn oder 20 Jahren. Finanzielle Sicherheit ist nicht mehr das alleinige Kriterium für die Jobwahl.“ Zögen Unternehmen in punkto Nachhaltigkeit nicht mit, würden Nachwuchsprobleme auf sie zukommen.
Firmen, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen, können in mehrfacher Hinsicht einen Mehrwert daraus ziehen. Kupka sieht darin einen Wettbewerbsvorteil. Doch Unternehmen brauchen Anreize, um nachhaltig zu wirtschaften. „Menschen und Umwelt gut zu behandeln muss belohnt werden“, fordert die Professorin. Dafür gibt es alternative Wirtschaftsmodelle, wie die Gemeinwohlökonomie (GWÖ). Dabei wird bewertet, inwieweit Unternehmen dem Gemeinwohl dienen. Bereits jetzt gibt es Firmen, die eine GWÖ-Bilanz aufstellen oder sie zur Orientierung für ihr nachhaltiges Wirtschaften nutzen. Das zeigt der Öffentlichkeit, wie es um das Thema Nachhaltigkeit steht und wo es Verbesserungspotenzial gibt. Kupka: „Das stärkt Image sowie Glaubwürdigkeit und macht Unternehmen attraktiv.“
Fest steht: „Wir können nicht so weitermachen wie bisher“, betont Kupka. Unternehmen sollten jetzt anfangen, nachhaltig zu handeln, denn irgendwann müssen sie sich in Bewegung setzen. „Ich denke, das Bewusstsein entwickelt sich in die richtige Richtung, weil es gar nicht anders geht.“