Ronald Eisele© L. Gehde

Wie wird man ei­gent­lich Pro­fes­sor*in: Prof. Dr. rer. nat. Ro­nald Ei­se­le

von Leon Gehde

Prof. Dr. rer. nat. Ro­nald Ei­se­le ist seit 2006 Pro­fes­sor für Sen­sor­tech­no­lo­gie und Bau­teil­pa­cka­ging am In­sti­tut für Me­cha­tro­nik des Fach­be­rei­ches In­for­ma­tik und Elek­tro­tech­nik der Fach­hoch­schu­le Kiel. Im In­ter­view mit der Cam­pus­re­dak­ti­on spricht der Pro­fes­sor über sei­nen be­ruf­li­chen Wer­de­gang und eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit: Junge Men­schen für ein tech­ni­sches Stu­di­um zu be­geis­tern.

Herr Pro­fes­sor Ei­se­le, wo sind Sie auf­ge­wach­sen?

Ich bin im Ham­bur­ger Raum auf­ge­wach­sen und habe 1981 an der Uni­ver­si­tät Ham­burg mein Vor­di­plom in Phy­sik ge­macht. Da­nach ging es nach Kiel an die Chris­ti­an-Al­brechts-Uni­ver­si­tät, wo ich im Jahr 1986 mein Stu­di­um mit dem Voll­di­plom in Phy­sik ab­ge­schlos­sen habe.

Was woll­ten Sie mit dem Stu­di­um an­fan­gen?

Meine Kom­mi­li­to­nen und ich waren sehr be­wegt vom Be­richt „Gren­zen des Wachs­tums“ des Club of Rome [Anm.​d.​Red.: Dort geht es unter an­de­rem um die Aus­beu­tung der Meere.] und daher habe ich mich sehr für Mee­res­kun­de in­ter­es­siert. Au­ßer­dem hatte ich in mei­ner Fa­mi­lie einen Mee­res­kund­ler und war stark be­geis­tert, wenn er Dia­shows von sei­nen For­schungs­fahr­ten ge­zeigt hat. Sowas woll­te ich auch ma­chen.

Warum haben Sie denn Phy­sik und nicht etwa Mee­res­bio­lo­gie stu­diert?

Ich habe ir­gend­wann ge­merkt, dass Mee­res­kun­de ein sehr ‚schma­les‘ Ge­biet ist. Wenn man eines Tages einen Job haben möch­te, gibt es da gar nicht so viel Aus­wahl. Also habe ich das Grund­la­gen­fach für Mee­res­kun­de stu­diert, und das ist eben Phy­sik. Die ist zwar ein biss­chen tro­cke­ner, doch kann man sich spä­ter mit Nei­gungs­fä­chern spe­zia­li­sie­ren. Ich habe als Nei­gungs­fach also – man ahnt es – Mee­res­kun­de ge­nom­men.

Hat­ten Sie Ge­le­gen­heit mit die­ser Aus­bil­dung wie der Mee­res­kund­ler in Ihrer Fa­mi­lie das Meer zu er­kun­den?

Ja. Aus der Mee­res­kun­de ist schlie­ß­lich ‚Mess­tech­nik in der Mee­res­kun­de‘ ge­wor­den. Die Schön­heit des Mee­res ist das eine. Kennt­nis­se über des­sen phy­si­ka­li­schen Ei­gen­schaf­ten muss man sich mit al­ler­hand Mess­tech­ni­ken er­ar­bei­ten. So habe ich wäh­rend mei­nes Stu­di­ums an der CAU an un­ter­schied­li­chen For­schungs­fahr­ten über die ganze Welt teil­ge­nom­men – dar­un­ter auch die drit­te deut­sche Ant­ark­tis-Ex­pe­di­ti­on 1985/86 im Fahrt­ab­schnitt ANT-IV/2 auf der RV „Po­lar­stern“. Das war eine auf­re­gen­de Zeit.

Wie ging es nach dem Di­plom für Sie wei­ter?

Die Fahr­ten haben in mir die Mo­ti­va­ti­on und Neu­gier­de ent­facht, Tech­nik an­zu­wen­den, um das greif­bar zu ma­chen, was wir noch nicht ver­ste­hen. Ich habe mir zu­nächst eine Stel­le ge­sucht, bei der man ent­spre­chen­de Mess­tech­ni­ken an­wen­det, an­wen­dungs­ge­recht Sen­so­ren „ver­packt“ und ne­ben­be­ruf­lich pro­mo­viert. 1998 ge­hör­te ich zum Grün­dungs­team der Firma ‚Dan­fo­ss Si­li­con Power‘ – ein Zu­lie­fe­rer von Leis­tungs­mo­du­len die bei­spiels­wei­se in der Au­to­mo­bil­bran­che ver­wen­det wer­den. Bei Dan­fo­ss haben wir Halb­lei­ter mit be­son­de­ren Ver­pa­ckun­gen um­hüllt, so­dass diese elek­trisch, ther­misch und me­cha­nisch be­last­bar wer­den. Das ist tech­nisch eine der grö­ß­ten Her­aus­for­de­run­gen. So bin ich zum ‚Pa­cka­ging‘ ge­kom­men, was sich auch heute noch in der Be­zeich­nung mei­ner Pro­fes­sur wie­der­fin­det.

Ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Be­wäl­ti­gung der Kli­ma­kri­se ruhen viele Hoff­nun­gen auf tech­ni­schen Lö­sun­gen. Tei­len Sie diese Hoff­nun­gen?

Wir reden viel über Um­welt­schutz. In den tech­ni­schen Be­ru­fen braucht es dafür die Kom­pe­tenz, mit tech­ni­schen In­no­va­tio­nen für nach­hal­ti­ge­re Lö­sun­gen in der In­dus­trie zu sor­gen.  

Dafür be­darf es der Nei­gung, ein Pro­blem wie die Kli­ma­kri­se als Her­aus­for­de­rung zu sehen. So ent­wi­ckelt man den Spaß, nach der Lö­sung zu su­chen. Wenn ich eine Wir­kung fest­stel­le, muss ich Lust haben, der Ur­sa­che auf den Grund zu gehen. Diese Kul­tur der Neu­gier ist lei­der in der Kon­sum­ge­sell­schaft etwas ab­han­den­ge­kom­men. Wer einen nas­sen Fleck in der Wand hat, ruft den Ver­mie­ter an, statt die Ur­sa­che selbst her­aus­zu­fin­den. Wenn mein Handy ka­putt ist, kaufe ich ein­fach ein neues, statt zu ver­su­chen es zu re­pa­rie­ren.

Wir brau­chen also tech­ni­sche Neu­gier, um nach­hal­ti­ge­re Dinge zu er­fin­den?

Genau. Die Tech­nik wird gerne für Kli­ma­pro­ble­me ver­ant­wort­lich ge­macht und das ist auch si­cher rich­tig. Al­ler­dings wohnt der Tech­nik auch die Ver­ant­wor­tung inne, diese Pro­ble­me wie­der zu be­sei­ti­gen oder gar nicht erst ent­ste­hen zu las­sen. Wenn ich etwas re­cy­clen möch­te, brau­che ich eine Re­cy­cling­ma­schi­ne. Wenn ich den Ver­bren­nungs­mo­tor er­set­zen möch­te, muss ich Al­ter­na­ti­ven tech­nisch ent­wi­ckeln. Ich glau­be, den Trend zu er­ken­nen, dass man sich zwar dar­über auf­regt, dass es fos­si­le Stink­mo­to­ren gibt, aber kei­ner­lei In­ter­es­se daran hat, tech­no­lo­gi­sche Vor­aus­set­zun­gen zu schaf­fen, um diese er­set­zen zu kön­nen. Man soll­te die En­er­gie, was ver­än­dern zu wol­len, in Lö­sun­gen in­ves­tie­ren und nicht nur in Pro­tes­te – an­ge­hen statt nur be­ob­ach­ten und kri­ti­sie­ren.

Und das ma­chen Sie mit Ihren Stu­die­ren­den am In­sti­tut für Me­cha­tro­nik?

Wir sind di­rekt dran. Das Pa­cka­ging in der For­schung und der Lehre schafft die Grund­la­ge für elek­tri­sche An­trie­be, wie wir sie zum Bei­spiel in Autos ver­wen­den. Die Part­ner un­se­res In­sti­tuts aus der Wirt­schaft sind alle in der lan­gen Wert­schöp­fungs­ket­te eines elek­tri­schen Au­to­mo­bils tätig. Es gibt eine Menge zu be­rück­sich­ti­gen, zu ler­nen und zu er­for­schen, wenn uns zum Bei­spiel Volks­wa­gen nach der Ent­wick­lung einer Mo­tor­steu­er­elek­tro­nik für einen Elek­tro­mo­tor fragt, die über eine Lauf­leis­tung von 300.000 ge­fah­re­nen Ki­lo­me­tern stö­rungs­frei hält. Man muss mit einer Menge Neu­gier­de und mit­hil­fe von Ab­nut­zungs­ex­pe­ri­men­ten her­aus­fin­den, woran sol­che elek­tro­ni­schen Ele­men­te bis­her ‚ster­ben‘ und wie man das ver­hin­dert.

Klingt so, als seien Sie von Ihrer Tä­tig­keit sehr be­geis­tert

Ja. Wenn mir und mei­nen Stu­die­ren­den eine Maß­nah­me ge­lingt, um eine Elek­tro­nik län­ger lau­fen zu las­sen, ist das für uns ein un­heim­lich tol­les Ge­fühl.

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