Fabian Lamp auf dem Campus© P. Knitt­ler
Foto: Pa­trick Knitt­ler

„Wie wird man ei­gent­lich Pro­fes­sor*in?“: Prof. Dr. Fa­bi­an Lamp

von Leon Gehde

Dr. Fa­bi­an Lamp ist seit März 2015 Pro­fes­sor für Theo­ri­en der So­zia­len Ar­beit und Gen­der Stu­dies an der FH Kiel. Pro­fes­sor zu wer­den, hatte er zu­nächst über­haupt nicht ge­plant.

Herr Lamp, hat­ten Sie ur­sprüng­lich einen an­de­ren Be­rufs­weg im Sinn?

Ur­sprüng­lich hatte ich im Kopf, Leh­rer zu wer­den. Lei­der habe ich für kei­nes der Fä­cher ge­brannt. Ich konn­te mich nicht ent­schei­den, wel­ches Fach ich auf Lehr­amt stu­die­ren woll­te.

Wie haben Sie das Di­lem­ma ge­löst?

Zum Glück kam erst ein­mal der für mich sehr wich­ti­ge Zi­vil­dienst. Wäh­rend die­ser Zeit konn­te ich drei Hand­lungs­fel­der ken­nen­ler­nen, die so auch in der So­zia­len Ar­beit vor­kom­men. Ich habe Dienst in einer psych­ia­tri­schen Ta­ges­stät­te ge­leis­tet. Dort waren äl­te­re Men­schen un­ter­ge­bracht, die unter ver­schie­de­nen psy­chi­schen Ein­schrän­kun­gen lit­ten. Da­nach war ich in einer Kin­der­ta­ges­stät­te und schlie­ß­lich noch in der Al­ten­pfle­ge. Ich habe ge­merkt: Das sind alles In­hal­te, die ich mir für meine be­ruf­li­che Zu­kunft vor­stel­len konn­te.

Und so sind Sie zu Ihrem ers­ten Stu­di­um der So­zia­len Ar­beit an der Chris­ti­an-Al­brechts-Uni­ver­si­tät zu Kiel ge­kom­men?

Genau. Dort hat meine Ab­itur­no­te aus­ge­reicht. An einer Fach­hoch­schu­le hätte ich tat­säch­lich nicht So­zia­le Ar­beit stu­die­ren kön­nen, weil es für den Nu­me­rus Clau­sus nicht reich­te. Ich habe also an der CAU Di­plom-Päd­ago­gik, be­zie­hungs­wei­se Er­zie­hungs­wis­sen­schaf­ten mit Schwer­punkt So­zi­al­päd­ago­gik stu­diert. Das hat sich für mich als gute Ent­schei­dung er­wie­sen. Ich habe da­mals, um die Jahr­tau­send­wen­de, noch nicht damit ge­rech­net, eines Tages zu pro­mo­vie­ren. Ich dach­te, ich gehe in die Pra­xis.

Warum hat sich der Plan ge­än­dert?

Wäh­rend mei­ner Di­plom-Ar­beit 2002 habe ich ge­merkt, dass ich un­glaub­lich Lust auf das Theo­re­ti­sche habe. Viele mei­ner Kom­mi­li­to­nin­nen und Kom­mi­li­to­nen waren froh, dass sie damit durch waren. Ich fand es eher scha­de, denn ich hatte rich­tig Feuer ge­fan­gen.

Das war der Start­schuss zur aka­de­mi­schen Lauf­bahn?

Rich­tig, ich habe dann einen mei­ner Pro­fes­so­ren und spä­te­ren Dok­tor­va­ter ge­fragt, ob er mir zu­trau­en würde, eine Dis­ser­ta­ti­on zu schrei­ben. Er hat ge­sagt, er würde durch­aus das Po­ten­ti­al dazu in mir sehen und mich auch gerne dabei be­treu­en. So habe ich di­rekt im An­schluss an meine Di­plom- meine Dok­tor-Ar­beit ge­schrie­ben und 2006 an der CAU pro­mo­viert.

An der Leu­pha­na Uni­ver­si­tät Lü­ne­burg haben Sie je­doch 2009 Ihr ers­tes Staats­ex­amen der Fach­rich­tung So­zi­al­päd­ago­gik für das Lehr­amt an be­rufs­bil­den­den Schu­len ab­ge­schlos­sen. Sie woll­ten also Be­rufs­schul­leh­rer wer­den?

Ich habe schon wäh­rend mei­ner Pro­mo­ti­on di­ver­se Lehr­auf­trä­ge an Hoch­schu­len und in der Er­wach­se­nen­bil­dung an­ge­nom­men, um Lehr­er­fah­rung zu sam­meln und mich fi­nan­zi­ell über Was­ser zu hal­ten. In die Hoch­schul­leh­re zu gehen, wurde im Laufe mei­ner Pro­mo­ti­on immer mehr zu mei­nem Ziel, weil man hier Lehre, Theo­rie und For­schung mit­ein­an­der ver­bin­den kann. Al­ler­dings gibt es – wie in vie­len Be­ru­fen – na­tür­lich keine Ga­ran­tie, die­ses Ziel auch zu er­rei­chen. Das Staats­ex­amen für das Lehr­amt an be­rufs­bil­den­den Schu­len für So­zi­al­päd­ago­gik war in­so­fern eine zwei­te Mög­lich­keit für eine be­ruf­li­che Zu­kunft. So habe ich ein Zweit­stu­di­um be­gon­nen, das erste Staats­ex­amen ab­sol­viert und dann auch das Re­fe­ren­da­ri­at in Ham­burg-Al­to­na, was ich mit dem zwei­ten Staats­ex­amen ab­schloss.

Seit 2012 sind Sie Pro­fes­sor an der FH Kiel. Wie ge­fällt Ihnen Ihre Tä­tig­keit?

Total klas­se, so wie ich es mir vor­ge­stellt habe. Ich emp­fin­de die Tä­tig­keit als Leh­ren­der an der Fach­hoch­schu­le als sehr ei­gen­stän­dig ge­stalt­bar. Ich bin mo­men­tan stark in der Selbst­ver­wal­tung en­ga­giert. Ich bin Pro­de­kan und habe die Stu­di­en­gangs­lei­tung des grö­ß­ten Ba­che­lor-Stu­di­en­gangs un­se­res Fach­be­reichs (B.A. So­zia­le Ar­beit) inne. Da bleibt mir mo­men­tan kaum Zeit für for­schen­de Tä­tig­kei­ten. Das Schö­ne an dem Job ist, dass es wie­der eine an­de­re Phase geben kann, wo mehr Zeit dafür ist. Man kann also die drei Stand­bei­ne aus Lehre, Selbst­ver­wal­tung und For­schung im Laufe der Be­rufs­bio­gra­fie un­ter­schied­lich stark ge­wich­ten.

Ken­nen sie den Hash­tag #ich­bin­han­na, unter dem vor allem junge Wis­sen­schaft­ler*innen gegen die an­geb­lich aus­beu­te­ri­schen und to­xi­schen Ar­beits­be­din­gun­gen an deut­schen Hoch­schu­len pro­tes­tie­ren? Kön­nen sie deren Kri­tik von Aus­nut­zung und be­fris­te­ten Ver­trä­gen be­stä­ti­gen?

Ja, das kann ich, ich kenne ei­ni­ge Per­so­nen, die davon be­trof­fen waren oder sind. Al­ler­dings habe ich es bio­gra­fisch nicht selbst ken­nen­ge­lernt.  Ich habe ex­tern pro­mo­viert, sprich, ich hatte zu­nächst keine Stel­le als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter wäh­rend der Pro­mo­ti­on. Ich war in­so­fern nicht an­ge­wie­sen auf eine Stel­le im Mit­tel­bau – damit bin ich aber eher die Aus­nah­me als die Regel. Das Ganze ist glau­be ich ein Web­feh­ler un­se­res Sys­tems. Zeit­lich be­grenz­te Ver­trä­ge hat man ein­ge­führt, um den Mit­tel­bau aus wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­beit nicht zu „ver­stop­fen“. Man woll­te einen Durch­lauf schaf­fen, hat aber eher Sack­gas­sen ge­baut, weil die Stel­len viel zu sel­ten mit einem Ten­u­re Track (die Chan­ce auf eine Le­bens­zeit­pro­fes­sur) aus­ge­stat­tet waren. Au­ßer­dem kann man da auch aus der Gen­der-Per­spek­ti­ve drauf­schau­en. Es hat, denke ich, einen Grund, warum der Hash­tag ‚Ich bin Hanna‘ und nicht ‚Ich bin Hanno‘ heißt. Eine Kar­rie­re in der Wis­sen­schaft bringt für Frau­en noch­mal ei­ge­ne Her­aus­for­de­run­gen mit sich – eine Ver­ein­bar­keit von ei­ge­nen Kin­dern und der par­al­le­len Ar­beit an einer Pro­mo­ti­on sind nicht wirk­lich ge­ge­ben. Die meis­ten Dok­tor­vä­ter in Deutsch­land sind eben noch Väter, also männ­lich, hier spielt auch eine Rolle, dass diese zu wenig sen­si­bi­li­siert und en­ga­giert sind in der Un­ter­stüt­zung von Frau­en in der Wis­sen­schaft.

Stimmt, auch ‚Gen­der Stu­dies‘ ge­hört zur Be­zeich­nung Ihrer Pro­fes­sur. Wie passt das mit So­zia­ler Ar­beit zu­sam­men?

Die Le­bens­wel­ten und Be­wäl­ti­gungs­stra­te­gi­en von Frau­en, Män­nern und di­ver­sen Men­schen un­ter­schei­den sich durch­aus. Grade in der So­zia­len Ar­beit ist es wich­tig, die Per­spek­ti­ven der Ge­schlech­ter zu be­trach­ten. Bei­spiels­wei­se bei den Fra­gen: Was brau­chen Kin­der oder Ju­gend­li­che mit einem be­stimm­ten Ge­schlecht wäh­rend ihrer So­zia­li­sa­ti­on? Wer braucht Schutz­räu­me, ist von häus­li­cher Ge­walt be­trof­fen? Wer wird aus wel­chen Grün­den über­pro­por­tio­nal oft zum Täter? Wie sieht es aus mit den Be­rufs­bio­gra­fi­en von Män­nern und Frau­en? Wel­che Be­ra­tungs­an­ge­bo­te brau­chen Män­ner, Frau­en oder LGBTIQ*-Per­so­nen?

Ver­mis­sen Sie manch­mal die Pra­xis, wie Sie sie bei­spiels­wei­se beim Zi­vil­dienst ken­nen­ge­lernt haben?

Was ich wäh­rend mei­nes Grund­stu­di­ums an der Uni­ver­si­tät scha­de fand war, dass die Theo­ri­en an der Uni­ver­si­tät sehr ein­sei­tig, nur in­tel­lek­tu­ell und ohne Pra­xis­be­zug ge­lehrt wur­den. Da ging es um Be­griffs­ex­pli­ka­tio­nen und Theo­rie­ge­bäu­de, die mit der Pra­xis kaum im Zu­sam­men­hang stan­den.

Das ist an der Fach­hoch­schu­le nicht der Fall?

Das Tolle an der Fach­hoch­schu­le ist, dass es einen star­ken Theo­rie-Pra­xis-Bezug gibt. Und die­sen ver­su­che ich in mei­ner ak­tu­el­len Pro­fes­sur auch um­zu­set­zen. Ich schaue immer, was theo­re­ti­sche Vor­an­nah­men für das tat­säch­li­che Han­deln in der Pra­xis be­deu­ten. Ei­gent­lich ma­chen alle Theo­re­ti­ker der So­zia­len Ar­beit auch immer An­ge­bo­te, wie sie ihre Über­le­gun­gen in der Pra­xis vor­stel­len. Diese Ver­zah­nung ist auch für die Stu­die­ren­den wich­tig, weil sie na­tür­lich das Hand­werks­zeug brau­chen.

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