Seit 2016 ist Dr. Conrad Wiermann Professor für Pflanzenernährung und Bodenkunde am Fachbereich Agrarwissenschaft der Fachhochschule Kiel. Zuvor arbeitete Wiermann jahrelang für das damalige Landwirtschafts- und Umweltministerium des Landes Schleswig-Holstein. Dort stieg er weit auf. Wiermann vermisste jedoch die Forschung in seinem Fachgebiet und ist heute froh über seine Rückkehr an eine Hochschule.
Herr Wiermann, Sie haben 1986 Ihr Abitur gemacht. Sind Sie mal sitzen geblieben?
Nein (lacht). Ich musste aber tatsächlich hin und wieder dafür kämpfen, dass das nicht passiert.
Nach Ihrem Zivildienst begannen Sie 1988 ein Studium der Agrarwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und haben nebenbei Praktika auf landwirtschaftlichen Betrieben gemacht. Woher kam die Idee zur Landwirtschaft?
Von mir selbst, einen familiären Hintergrund oder ähnliches gibt es dazu nicht. Im Zivildienst habe ich viel darüber nachgedacht, was ich später mal machen will. Die Landwirtschaft war eine Schnittstelle meiner Interessen: Praktisches in der Natur in Verbindung mit den naturwissenschaftlichen Bereichen Biologie und Chemie. Das passte für mich super zusammen als Ergebnis meines persönlichen Brainstormings. Die Entscheidung für die Landwirtschaft habe ich auch nie bereut.
Hatten Sie schon am Anfang Ihres Studiums vor, einmal in die Forschung zu gehen?
Erstmal nicht. Zunächst stand für mich fest, dass ich mich irgendwie mit Pflanzen beschäftigen möchte. Die beiden anderen Kategorien des Studiums, Ökonomie und Tiere, verblassten für mich immer stärker, da lag mein Interesse nicht so sehr. Da habe ich eventuell eine kleine Vorzeichnung durch meinen Vater, der Professor für Botanik war. Jedenfalls spezialisierte ich mich während des Studiums mit großer Begeisterung auf den Bereich Pflanzenbau.
Da war für Sie dann klar, dass es nicht beim Diplom bleiben würde?
Richtig, das lag an dem tollen Studium. Wir waren im Bereich Pflanzenbau etwa 15 Studierende. Gefühlt hatte jeder einen Professor für sich allein. So erfuhren wir eine sehr gute Lehre, gelangten leicht in Institute und kamen so auch mit der Forschung in Kontakt. Ich war HiWi am Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Universität. Dabei entwickelte ich zusätzlich eine Passion für Bodenkunde und schrieb auch meine Diplom-Arbeit in diesem Bereich. Mein betreuender Professor, Prof. Dr. Rainer Horn, bot mir im Anschluss folgerichtig die Promotion an.
Wie ging es nach Ihrer Promotion weiter?
Ein Jahr lang war ich als sogenannter ‚Postdoc‘ in einer befristeten Stelle an der Hochschule tätig. Ich arbeitete an einem EU-finanzierten Forschungsprojekt gemeinsam mit Hochschulen aus den Niederlanden, Schweden und der Schweiz. Das war eine großartige Zusammenarbeit.
Danach verließen Sie die CAU und arbeiteten ab 1999 als Referent für Boden, Düngen und Umwelt an der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Von der Hochschule in den administrativen Apparat. Wie kam es dazu?
Ich bekam ein Angebot von der Landwirtschaftskammer. Dort war ich Referent, konnte aber auch forschen. Wir hatten Versuchsfelder über ganz Schleswig-Holstein verteilt. Im Prinzip konnten wir dort ungestört forschen, was das Zeug hielt und das Budget hergab. Niemand hat Fragen gestellt. Wir hatten eine gute Reputation in der Landwirtschaft und bei den Praktikern. Dort mit drei Kollegen zu arbeiten war ein großes Privileg, es war ein super Einstieg ins Berufsleben.
2002 wechselten Sie dann ins Landwirtschaftsministerium. Warum, wenn es Ihnen doch bei der Kammer so gut gefallen hat?
Die Landwirtschaftskammer wurde umstrukturiert und zentralisiert – damit war dieser Reiz des autonomen Forschens vorbei. Über Arbeitsgruppen bekam ich Kontakt zum Ministerium, bewarb mich und wurde angenommen. Ich wurde Referent für Acker- und Pflanzenbau. Das war schon ein angesehener Posten und echt etwas, worauf ich stolz war.
Sie blieben ein gutes Jahrzehnt im Ministerium und waren dort schließlich Leiter der Koordinierungsstelle. Da haben Sie aber Karriere gemacht.
Ich habe im Landwirtschafts- und Umweltministerium viele Förderer gehabt, die meine Stärke gesehen haben, Wissenschaft, Praxis und Verwaltung zu verbinden. Denen verdanke ich viel, das muss ich ganz deutlich sagen. So arbeitete ich mich nicht nur an formal verwaltungstechnischen Dingen ab, sondern glich sie ab mit Bedürfnissen aus der Praxis und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das brachte mich im Ministerium immer weiter. Letztlich durfte ich die gesamte Koordinierung des Ministeriums übernehmen und fuhr mit Ministerinnen und Ministern des Landes zu Konferenzen.
Bis Sie 2013 zurück an die Landwirtschaftskammer wechselten. Was ist passiert?
Meine Aufgaben im Ministerium waren toll. Ich habe mit vielen tollen Menschen zu aufregenden Themen, wie zum Beispiel der Ausgestaltung der europäischen Agrarpolitik. ABER, und jetzt kommt der Punkt, es war tierisch anstrengend und auch sehr fordernd. Irgendwann muss man sich als Familienvater von drei Kindern die Frage stellen, ob das noch so zielführend ist, deutlich über 40 Stunden in der Woche zu arbeiten.
Da haben Sie gedacht: ‚zurück in die Forschung‘?
Schon 2002 beim Wechsel von der Landwirtschaftskammer zum Landwirtschaftsministerium ist es mir sehr schwergefallen, die Freiheit zu verlieren, eigene Interessen mit Versuchen, Erhebungen und so weiter zu verfolgen. Meine Frau sagte damals dazu: ‚Warte mal ab, was da noch kommt.‘. Sie hat es also ein Stück weit vorausgesehen, dass ich wieder den Weg zurückfinde.
Der Weg zurück führte dann nicht nur zurück zur Landwirtschaftskammer, sondern 2016 auch zurück an die Hochschule. Sie wurden Professor an der Fachhochschule Kiel. Wie kam es dazu?
Das war ein Sechser im Lotto. Die Ausschreibung der FH bezog sich genau auf die beiden Fächer, für die ich brenne – Pflanzenernährung und Bodenkunde. Ich legte alles rein, um diese Professur zu erhalten. Über das Gelingen dieses Vorhabens bin ich sehr dankbar. Das ist, was ich machen wollte und auch zukünftig machen will.
Sie geraten ins Schwärmen.
Das Wunderbare meines Jobs ist, dass ich mit jungen Menschen zusammenarbeite. Ich bekomme von ihnen immer wieder neue Impulse und kann ihnen wiederum auch selbst etwas mit auf den Weg geben. Das empfinde ich als ein sehr großes Privileg. Das muss ich mir jeden Tag klar machen. Klar muss ich mal 80 Klausuren am Stück korrigieren. Die meiste Zeit habe ich aber Phasen, die sehr erfüllend sind. Ich kann lehren und bekomme Feedback, wie ich war und was für die Studierenden in Zukunft bedeutsam ist.
Zum Schluss einen Ausblick: Sie sind unter Anderem Dozent des Bachelor-Moduls ‚Klimaschutz und Klimawandel in der Landwirtschaft‘. Was ist das größte Problem, das der Klimawandel für den Pflanzenbau in Schleswig-Holstein mit sich bringt?
Das größte Problem werden die Wetterextreme sein. 2018 hatten wir im Sommer eine lange Phase extremer Trockenheit. Auf der anderen Seite gab es 2017 so viel Niederschlag wie in zwei Durchschnittsjahren zusammen. Die Anpassung an diese Extrema wird für den Pflanzenbau eine große Herausforderung werden. Genau das ist mein Forschungsbereich. Wir werden herausfinden müssen, wie wir auf diese Begebenheiten im Bereich der Pflanzen- und Bodenkunde reagieren können.