Ein Mann© J. Kläschen

„Wie wird man ei­gent­lich Pro­fes­sor*in?“: Prof. Dipl.-Ing. An­dre­as Meyer-Bohe

von Joa­chim Kläschen

Seit 1994 lehrt An­dre­as Meyer-Bohe als Pro­fes­sor am Fach­be­reich Ma­schi­nen­we­sen der FH Kiel das Ent­wer­fen von Schif­fen, er­klärt Stu­die­ren­den Schwimm­fä­hig­keit und Sta­bi­li­tät von Schif­fen und Off­shore-Bau­tei­len und un­ter­rich­tet Hy­dro­me­cha­nik. Im Ge­spräch er­zählt er, wie er durch einen pro­mi­nen­ten Zu­fall zum Schiff­bau kam und die FH zu sei­nem Hei­mat­ha­fen wurde.

Herr Meyer-Bohe, hat­ten Sie schon von klein auf ein Herz für Schif­fe?

Nach dem Ab­itur am Kie­ler Hum­boldt-Gym­na­si­um hatte ich noch keine kon­kre­te Vor­stel­lung davon, wohin ich be­ruf­lich gehen woll­te. Da­mals lagen mir Mathe und Phy­sik mehr als mu­si­sche Fä­cher. Es war na­he­lie­gend, dar­aus etwas zu ma­chen und als In­ge­nieur ‚in die Tech­nik‘ zu gehen. Wäh­rend einer Be­rufs­be­ra­tung 1973 gab mir die Be­rufs­be­ra­te­rin Heide Si­mo­nis, die spä­ter ein­mal Mi­nis­ter­prä­si­den­tin von Schles­wig-Hol­stein wer­den soll­te, den Tipp, ich solle es doch mit Schiff­bau ver­su­chen. Das habe ich dann getan.

Wie hat ihnen ihr ei­ge­nes Stu­di­um ge­fal­len?

Ich muss­te zum Stu­di­um nach Han­no­ver, da die dor­ti­ge TU das ein­zi­ge An­ge­bot bun­des­weit hatte. Es war eine tolle Zeit, aber das Stu­di­um wurde zum Ende hin zäh. Es ging schlie­ß­lich nur noch um Theo­rie und For­meln, aber nicht um Schif­fe, die mich ei­gent­lich in­ter­es­sier­ten. Als ich mein Stu­di­um 1980 als Di­plom-In­ge­nieur ab­ge­schlos­sen hatte, hatte ich schlie­ß­lich nur noch wenig In­ter­es­se am Thema Schiff­bau.

Wie sah ihr Über­gang von der Aus­bil­dung in den Beruf aus?

Ich habe zu­nächst ein­mal das ge­macht, was im Stu­di­um zu kurz kam: Ich bin zur See ge­fah­ren. Für Ree­de­rei­en war ich auf Han­dels­schif­fen als Tech­ni­scher Of­fi­ziers­as­sis­tent an Bord und habe zudem als Na­vi­ga­tor Se­gel­schif­fe über­führt. Das war eine schö­ne Zeit, ein tol­ler Job, dafür be­zahlt zu wer­den, über den At­lan­tik zu flie­gen und in einer Yacht nach Deutsch­land zu­rück zu se­geln. Am Ende hat mich die Zeit auf dem Meer dann wie­der mit mei­ner Aus­bil­dung ver­söhnt, und ich bin in den Schiff­bau ein­ge­stie­gen.

Was war ihre erste An­stel­lung nach dem Stu­di­um?

Ich habe 1982 bei der Ham­bur­ger Schiffs­werft J.J. Sie­tas als Pro­jekt­in­ge­nieur an­ge­fan­gen. Dort habe ich nach den An­for­de­run­gen von Kun­den Gas­tan­ker, Con­tai­ner­schif­fe und Fischtraw­ler ent­wor­fen und als Pro­jekt­lei­ter be­treut. Dabei hat mich fas­zi­niert, dass ein Schiff ein ab­ge­schlos­se­nes Sys­tem ist: Hotel, Kraft­werk, Klär­an­la­ge, Feu­er­wehr. Ein Schiff ist eine Welt im Klei­nen und auf See muss alles aut­ark funk­tio­nie­ren. 1989 bin ich bei J.J. Sie­tas als stell­ver­tre­ten­der Lei­ter für Pro­jek­te und Schiffs­theo­rie aus­ge­schie­den.

Was hat Sie zu­rück nach Kiel ge­holt?

Die Lin­den­au-Werft in Kiel-Fried­rich­sort such­te einen Lei­ter für ihr Pro­jekt­bü­ro und das war eine reiz­vol­le Stel­le. Wir haben bei Lin­den­au unter an­de­rem die Dop­pel­hül­len-Schif­fe ent­wor­fen und ge­baut, die als si­chers­te Tan­ker lange ein Mar­ken­zei­chen der Werft waren. Aber auch pri­vat haben mich Schif­fe nicht los­ge­las­sen. Meine Fa­mi­lie hatte den drin­gen­den Wunsch nach einer ei­ge­nen Yacht – der fi­nan­zi­ell für uns un­er­füll­bar war. Aber wir woll­ten nicht auf­ge­ben und haben uns 1989 einen Stahl­rumpf be­stellt und die­sen in Ei­gen­ar­beit zum fer­ti­gen Schiff aus­ge­baut. Nach einem Test­lauf in der Ost­see haben wir uns 1991 den gro­ßen Traum er­füllt und sind mit un­se­ren Kin­dern ein Jahr rund um den At­lan­tik ge­se­gelt.

Wie haben Sie ihren Weg an die FH ge­fun­den?

Weil der da­ma­li­ge Pro­fes­sor für Schiffs­ent­wurf er­krankt war, be­nö­tig­te die FH Kiel kurz­fris­tig Er­satz. Die Werf­ten in Schles­wig-Hol­stein wur­den an­ge­fragt und ich war in­ter­es­siert. Ich war mit mei­nem Job auf der Lin­den­au-Werft nicht un­zu­frie­den, aber im Schiff­bau nahm die Di­gi­ta­li­sie­rung immer mehr Raum ein, und ich woll­te eine enge Ver­bin­dung zu Schif­fen und Men­schen haben und nicht nur auf Mo­ni­to­re schau­en. Der Lehr­auf­trag war in­ter­es­sant, denn ich sah die Mög­lich­keit, wei­ter mit vie­len Men­schen im in­no­va­ti­ven Schiff­bau zu ar­bei­ten.

Was war für Sie die grö­ß­te Her­aus­for­de­rung beim Wech­sel in die Lehre?

Schif­fe zu ent­wer­fen und zu bauen, lässt sich in Pro­zes­sen ab­bil­den. Das war auf den Werf­ten viele Jahre lang mein Spe­zi­al­ge­biet. Al­ler­dings sind die Ziel­set­zun­gen in Wirt­schaft und Lehre un­ter­schied­lich. Es ging nun nicht mehr darum, im Rah­men be­stimm­ter Be­schrän­kun­gen ein op­ti­ma­les Pro­dukt zu rea­li­sie­ren. Nun soll­te es darum gehen, mein prak­ti­sches Wis­sen zu ver­mit­teln. Ich muss­te meine Kennt­nis­se über Schiff­bau neu sor­tie­ren, Struk­tu­ren fin­den und Me­tho­den über­le­gen, wie ich den Schiffs­ent­wurf An­de­ren er­klä­re. Das war eine Her­aus­for­de­rung, die mir Spaß ge­macht hat – und das macht sie bis heute.

Seit mehr als einem Vier­tel­jahr­hun­dert un­ter­rich­ten Sie an der FH Kiel. Gibt es Pro­jek­te aus die­ser Zeit, die Ihnen be­son­ders in der Er­in­ne­rung ge­blie­ben sind?

Es sind tolle Pro­jek­te dabei. Wir haben 2003 ge­mein­sam mit der CAU und Dirk Lin­den­au die ‚Team acht‘-Klas­se kon­stru­iert; ein Schü­ler­se­gel­boot, das so­wohl si­che­res als auch akro­ba­ti­sches Se­geln zu­lässt. Jedes Jahr ler­nen 2000 Schü­ler auf die­sen Boo­ten das Se­geln. Für die Re­pu­blik Kap Verde ar­bei­ten mein Kol­le­ge Rai­ner Geis­ler und ich an einem Ab­fall-Re­cy­cling-Schiff, das Müll auf­nimmt, sor­tiert, pro­zes­siert und dabei elek­tri­sche En­er­gie, Trink­was­ser, Re­cy­cla­te und Kom­post er­zeugt. Ak­tu­ell ar­bei­te ich an dem Ge­mein­schafts­pro­jekt ‚CAP­Tin­Kiel‘ der CAU und der FH-Kiel, bei dem ein au­to­no­mes und klima-neu­tra­les Schiff als Ver­suchs­trä­ger und Show­room ent­wi­ckelt wird.

Wie kön­nen Sie sich nach all den Jah­ren noch für Schiff­bau be­geis­tern?

Schiff­bau wan­delt sich lau­fend. Frü­her ging es darum, Men­schen oder Las­ten zu be­för­dern. Heute gibt es an­de­re Her­aus­for­de­run­gen, bei­spiels­wei­se kom­ple­xe An­la­gen schwimm­fä­hig zu ma­chen. Das Ab­fall-Re­cy­cling-Schiff ist ein Bei­spiel, aber zu­künf­tig wird es viel­leicht auch schwim­men­de Kraft­wer­ke, Raf­fi­ne­ri­en, Hos­pi­tä­ler, Ho­tel­an­la­gen oder Lachs­far­men geben. Tat­säch­lich ist Schiff­bau auch etwas Emo­tio­na­les. Die Her­aus­for­de­rung, kom­ple­xe An­la­gen auf das Schiff zu brin­gen, fas­zi­niert mich. Man hat mich mal mäßig-char­mant als ‚Ship-Lover‘ be­zeich­net und ich war not-amu­sed.  Schiff­bau­er iden­ti­fi­zie­ren sich mit ihrem ma­ri­ti­men Auf­trag, aber am Ende muss da ein fer­ti­ges Schiff sein. Selbst in der Werf­ten­kri­se woll­te kei­ner ‚das sin­ken­de Schiff ver­las­sen‘ und frei­wil­lig um­schu­len. Wer ein­mal in der ma­ri­ti­men Bran­che Fuß fasst, der will an Bord blei­ben!

Was wün­schen Sie sich für die be­ruf­li­che Zu­kunft, Herr Meyer-Bohe?

Meine Zeit an der FH Kiel geht vor­aus­sicht­lich im Sep­tem­ber die­ses Jah­res mit mei­ner Pen­sio­nie­rung zu Ende. Aber ich freue mich auch im An­schluss auf die Ar­beit in span­nen­den Pro­jek­ten. Vor allem das Zu­sam­men­wir­ken im Schiff­bau von Nach­hal­tig­keit, En­er­gie­ef­fi­zi­enz und Um­welt­schutz in­ter­es­sie­ren mich sehr. Und in dem Zu­sam­men­hang freut es mich auch, dass die FH mei­nem Nach­fol­ger das Thema „ma­ri­ti­mer Um­welt­schutz“ ins Stamm­buch ge­schrie­ben hat.

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