Menschen in einer Fabrik© F. Gänz­le
Wäh­rend sei­ner Lehre in China führ­te Prof. Jür­gen Mal­lon (6.v.l.) Stu­die­ren­de durch die Start­up Fac­to­ry.

Wie un­ter­rich­tet es sich in China?

von Joa­chim Kläschen

Die Fach­hoch­schu­le Kiel baut ihren Stu­die­ren­den Brü­cken in viele Län­der der Welt. Durch Ko­ope­ra­ti­ons­ver­trä­ge mit an­de­ren Hoch­schu­len haben Stu­die­ren­de die Mög­lich­keit, eine Zeit im Aus­land zu ver­brin­gen und dabei neue Er­fah­run­gen und Credit-Points zu sam­meln. Be­son­ders at­trak­tiv sind die Mög­lich­kei­ten, die die Fach­be­rei­che Ma­schi­nen­we­sen, Me­di­en und Wirt­schaft bie­ten: Wäh­rend eines län­ge­ren Aus­lands­auf­ent­halts kön­nen Stu­die­ren­de einen Dop­pel­ab­schluss er­wer­ben. Doch nicht nur Stu­die­ren­de zieht es an die Part­ner­hoch­schu­len.

Im Sep­tem­ber reis­te Prof. Dr.-Ing. Jür­gen Mal­lon nach China, um für Stu­die­ren­de an der Tong­ji Uni­ver­si­ty in Shang­hai, Teil der Chi­ne­sisch-Deut­schen Hoch­schu­le für An­ge­wand­te Wis­sen­schaf­ten, zu un­ter­rich­ten. Zwei Wo­chen lang ver­mit­tel­te er das Lehr­ex­port­mo­dul ‚Fa­brik­pla­nung‘ mit den Schwer­punk­ten Lay­out-Pla­nung, Lo­gis­tik und Di­gi­ta­li­sie­rung. „Die Stu­die­ren­den waren sehr en­ga­giert, aber an­fangs auch sehr re­ser­viert“, er­in­nert sich Mal­lon. „Dass ich auf meine Nach­fra­gen zu­nächst keine Ant­wor­ten er­hal­ten hatte, lag je­doch weder an einer Sprach­bar­rie­re oder man­geln­den Kom­pe­ten­ten. Statt­des­sen ist ‚un­se­re‘ dia­lo­gi­sche Form von Wis­sens­ver­mitt­lung, die Stu­die­ren­de mit ein­be­zieht, in China un­ge­wöhn­lich.“

Spä­tes­tens bei der Ex­kur­si­on in die Start­up Fac­to­ry war das Eis je­doch ge­bro­chen. Wäh­rend Mal­lon mit den Stu­die­ren­den die Pro­duk­ti­ons­stät­ten drei­er deut­scher Un­ter­neh­men be­such­te, er­kann­ten die Stu­die­ren­den die theo­re­ti­schen In­hal­te in der Pra­xis wie­der. Durch Grup­pen-Prä­sen­ta­tio­nen der Stu­die­ren­den wur­den die In­hal­te an­schlie­ßend ver­tieft und dis­ku­tiert.

Eine Gruppe Menschen©F. Gänz­le
Beim Be­such der Start­up Fac­to­ry konn­ten die Stu­die­ren­den die Pro­duk­ti­on drei­er deut­scher Un­ter­neh­men ken­nen­ler­nen.

Um sich ihre Credit-Points zu ver­die­nen, muss­ten die Stu­die­ren­den in Grup­pen eine Auf­ga­be zur Fa­brik­pla­nung lösen und eine Klau­sur schrei­ben. „Ich habe eine ty­pisch deut­sche Auf­ga­be ge­stellt“, lacht Mal­lon. „Die Stu­die­ren­den soll­ten Pro­duk­ti­ons­stät­ten für Fahr­rä­der ent­wer­fen und dabei As­pek­te der Fer­ti­gung mit ein­be­zie­hen.“ Al­ler­dings er­wies sich die Auf­ga­ben­stel­lung auf­grund kul­tu­rel­ler Un­ter­schie­de als sehr an­spruchs­voll, wie sich Mal­lon er­in­nert: „Ich muss­te den Stu­die­ren­den zu­nächst ein­mal Nach­hil­fe in Kon­struk­ti­on und Mon­ta­ge eines Fahr­ra­des geben, indem wir uns drau­ßen ein ech­tes Fahr­rad an­ge­se­hen haben. In China haben sich die jun­gen Men­schen so sehr an aus­leih­ba­re Fahr­rä­der ge­wöhnt, dass tech­ni­sches Ver­ständ­nis und der prak­ti­sche Um­gang mit einem ei­ge­nen Fahr­rad auf der Stre­cke ge­blie­ben sind. Schlie­ß­lich durf­te ich aber be­ein­dru­cken­de Lö­sun­gen be­wer­ten.“

Be­ein­druckt war der Asien-er­fah­re­ne Pro­fes­sor, ehe­mals Tech­ni­scher Di­rek­tor der Firma Zwil­ling in Shang­hai und lange Zeit Prä­si­dent der Viet­na­me­sisch-Deut­schen Uni­ver­si­tät, unter an­de­rem von der Ge­schwin­dig­keit, mit der zahl­rei­che Bran­chen in China sich zu Welt­markt­füh­rern ent­wi­ckeln. „Stra­te­gie, Ent­wick­lung und Smart Pro­duc­tion sind dort per­fekt or­ches­triert. Ins­be­son­de­re die Selbst­ver­ständ­lich­keit, die e-Mo­bi­li­tät in China spielt und die Di­gi­tal-Af­fi­ni­tät der Men­schen muss man per­sön­lich er­lebt haben, um sie zu be­grei­fen.“ So rät Mal­lon nicht nur Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen für eine Ho­ri­zont­er­wei­te­rung die Chan­ce zu nut­zen, im Aus­land zu un­ter­rich­ten – ins­be­son­de­re Stu­die­ren­de soll­ten die Ge­le­gen­heit nut­zen.

„China ist ge­kom­men, um zu blei­ben“, fasst Mal­lon sei­nen Ein­druck auf die Wirt­schafts­macht knapp zu­sam­men. „Wer schon jetzt wis­sen will, wel­che The­men auch un­se­re Wirt­schaft künf­tig be­schäf­ti­gen und vor allem, wie man Her­aus­for­de­run­gen in ganz an­de­ren Di­men­sio­nen an­ge­hen kann, der wird bei einem Auf­ent­halt in China viele wert­vol­le Aha-Mo­men­te er­le­ben“, ist sich der Pro­fes­sor si­cher. Seit 2007 ist die FH Kiel ein Part­ner der Tong­ji Uni­ver­si­ty. Mehr als 110 Stu­die­ren­de aus Kiel haben seit­her die Ge­le­gen­heit ge­nutzt, bei einem Aus­lands­auf­ent­halt einen Dop­pel­ab­schluss zu er­wer­ben. „Für IVE-Stu­die­ren­de ist das eine fan­tas­ti­sche Chan­ce“, emp­fiehlt Mal­lon das An­ge­bot. „Und wir ar­bei­ten daran, wei­te­re Ko­ope­ra­ti­ons­mög­lich­kei­ten mit Chi­ne­si­schen Hoch­schu­len zu eta­blie­ren. Auch Sum­mer Schools sind eine emp­feh­lens­wer­te Mög­lich­keit, um in einem kür­ze­ren Zeit­rau erste Er­fah­run­gen in China zu sam­meln.“

Stu­die­ren­de, die alle Prü­fun­gen des vier­ten und der vor­he­ri­gen Se­mes­ter be­stan­den und den Kurs ‚Chi­ne­sisch für In­ge­nieu­re‘ ab­sol­viert haben, kön­nen sich für ein Stu­di­um an der Tong­ji Uni­ver­si­ty be­wer­ben. Wäh­rend des Jah­res in China ab­sol­vie­ren sie zwei Se­mes­ter und ein Prak­ti­kum. Neben dem Stu­di­um bie­tet Shang­hai ein gro­ßes Spek­trum an Mög­lich­kei­ten, die Sie das Land und die Kul­tur bes­ser ver­ste­hen las­sen. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen fin­den In­ter­es­sier­te auf dem In­ter­net­sei­ten des Fach­be­reichs Ma­schi­nen­we­sen zum Chi­ne­sisch-deut­schen Aus­tausch­pro­gramm.

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