Ein Mann an einem Laptop.© B. Mil­le­ni­al
Kön­nen On­line-An­ge­bo­te bei der Kar­rie­pla­nung hel­fen?

Wie hilf­reich sind Kar­riere­tests?

von Anna Brok­mann, Ce­li­na Först und Phi­li­ne von Kro­sigk

Die Wahl des rich­ti­gen Stu­di­en­gangs oder Aus­bil­dungs­be­rufs ist für viele junge Men­schen eine große Her­aus­for­de­rung. Kar­riere­tests wol­len Ori­en­tie­rung bie­ten – doch wie hilf­reich sind sie wirk­lich? Drei Hiwis des Fach­be­reichs Wirt­schaft – Anna Brok­mann, Ce­li­na Först und Phi­li­ne von Kro­sigk – haben zwei die­ser Tests aus­pro­biert: den kos­ten­lo­sen Ca­re­er­Test von Uni­ver­sum sowie den kos­ten­pflich­ti­gen Test Stu­di­um und Beruf des geva-in­sti­tuts.

Der Ca­re­er­Test rich­tet sich an Stu­die­ren­de und Be­rufs­tä­ti­ge und ana­ly­siert Kar­rie­re­op­tio­nen an­hand per­sön­li­cher Werte und In­ter­es­sen. Die Er­geb­nis­se wer­den mit po­ten­zi­el­len Ar­beit­ge­bern und Zu­kunfts­bran­chen ver­knüpft, er­gänzt durch In­for­ma­tio­nen zu Ge­halt, Be­wer­bung und Kar­rie­re­we­gen. Be­son­ders po­si­tiv: Auch Werte wie Work-Life-Ba­lan­ce oder Job­si­cher­heit flie­ßen in die Emp­feh­lun­gen ein.

Al­ler­dings ar­bei­tet der Ca­re­er­Test stark mit ver­ein­fa­chen­den Kar­riere­ty­pen wie „Go-Get­ter“ oder „Chan­ge-Maker“. Diese Ka­te­go­ri­sie­rung bie­tet zwar erste Ori­en­tie­rung, greift aber oft zu kurz. Eine stär­ke­re Be­rück­sich­ti­gung prak­ti­scher Er­fah­run­gen, so­zia­ler Kom­pe­ten­zen und per­sön­li­cher In­ter­es­sen würde dabei hel­fen, neue be­ruf­li­che Per­spek­ti­ven über den bis­he­ri­gen Ho­ri­zont hin­aus zu ent­de­cken. Auch Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten oder eh­ren­amt­li­ches En­ga­ge­ment könn­ten wert­vol­le Hin­wei­se auf ver­bor­ge­ne Stär­ken - etwa Füh­rungs­kom­pe­tenz bei einer Mann­schafts­trai­ne­rin - lie­fern.

Der Geva-Test rich­tet sich spe­zi­ell an (Fach-)Ab­itu­ri­ent:innen. Er kom­bi­niert Leis­tungs­tests mit einer Werte- und In­ter­es­sen­ana­ly­se und lie­fert am Ende vier kon­kre­te Vor­schlä­ge – zwei Stu­di­en­gän­ge und zwei Aus­bil­dungs­be­ru­fe – in­klu­si­ve Wei­ter­bil­dungs­tipps. Hilf­reich ist der Ab­gleich zwi­schen Selbst­bild und Test­ergeb­nis, der zeigt, ob man sich eher über- oder un­ter­schätzt. Gleich­zei­tig ba­siert auch die­ser Test stark auf Selbst­ein­schät­zung und be­reits be­kann­ten In­ter­es­sen, wo­durch un­ent­deck­te Po­ten­zia­le leicht über­se­hen wer­den kön­nen.

Beide Tests lie­fern gute erste Im­pul­se – be­son­ders für Men­schen, die noch un­si­cher in ihrer Ent­schei­dung sind. Sie er­set­zen aber keine tie­fe­re Aus­ein­an­der­set­zung mit den ei­ge­nen Le­bens­zie­len. Genau hier setzt ein Se­mi­nar zur nach­hal­ti­gen Kar­rie­re­pla­nung von Prof. Dr. Mat­thi­as Dre­ß­ler und Prof. Dr. Carl Schüt­te im Rah­men der In­ter­dis­zi­pli­nä­ren Wo­chen an der FH Kiel an. Es hin­ter­fragt in­tui­ti­ve oder von außen ge­steu­er­ten Ent­schei­dun­gen und hilft dabei, lang­fris­tig trag­fä­hi­ge und selbst­be­stimm­te Kar­rie­re­we­ge zu ent­wi­ckeln.

In die­sem Zu­sam­men­hang ge­winnt auch die zu­neh­men­de Be­deu­tung von Künst­li­cher In­tel­li­genz (KI) an Re­le­vanz. Be­reits heute über­nimmt KI kom­ple­xe Auf­ga­ben in Be­rei­chen wie Ana­ly­se, Über­set­zung oder Dia­gno­se und könn­te laut Pro­gno­sen bis zu 40 Pro­zent der welt­wei­ten Jobs be­ein­flus­sen – be­son­ders ko­gni­ti­ve Tä­tig­kei­ten, die bis­her als mensch­li­che Do­mä­ne gal­ten. Da­durch ver­än­dert sich nicht nur die Ar­beits­welt, son­dern auch das An­for­de­rungs­pro­fil an künf­ti­ge Be­rufs­ein­stei­ger: innen. Gleich­zei­tig bie­tet KI neue Chan­cen: Sie ent­las­tet von Rou­ti­ne­tä­tig­kei­ten, för­dert per­so­na­li­sier­tes Ler­nen, etwa durch Lern-Apps oder un­ter­stüt­zen­de Tools und er­öff­net neue krea­ti­ve wie wis­sen­schaft­li­che Per­spek­ti­ven.

Das macht deut­lich, wie wich­tig es ist, sich früh­zei­tig mit den ei­ge­nen Fä­hig­kei­ten, Wer­ten und Zie­len aus­ein­an­der­zu­set­zen. Dabei soll­te man nicht nur Bezug auf heu­ti­ge Mög­lich­kei­ten neh­men, son­dern immer auch ein Blick auf die Ar­beits­welt von mor­gen haben. Nach­hal­ti­ge Kar­rie­re­pla­nung be­deu­tet daher auch, sich be­wusst mit dem tech­no­lo­gi­schen Wan­del aus­ein­an­der­zu­set­zen, neue Kom­pe­ten­zen zu ent­wi­ckeln und offen für Ver­än­de­run­gen zu blei­ben.

Am Ende schaf­fen gute Ent­schei­dun­gen Wahl­mög­lich­kei­ten und damit auch Frei­hei­ten. Es geht nicht darum, mög­lichst schnell eine hoch­do­tier­te Stel­le zu er­rei­chen, son­dern früh die Wei­chen für ein er­füll­tes Be­rufs­le­ben zu stel­len, in dem per­sön­li­che Ent­wick­lung, Wirk­sam­keit und Zu­frie­den­heit mög­lich sind. Wer lang­fris­tig denkt und be­wusst plant, kann so die Frage „Wo sehe ich mich in zehn Jah­ren?“ nicht nur be­ant­wor­ten, son­dern auch mit Leben fül­len.

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