Was bei einem schonenden und artgerechten Umgang mit Rindern zu beachten ist, erklärt Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge aus unserem Fachbereich Agrarwirtschaft anlässlich des „Ehrentages der Kuh“, der weltweit jeweils am zweiten Freitag im Juli begangen wird.
Menschen, die Tiere halten, sollten deren Verhaltensweisen sehr gut kennen, ganz gleich, ob es sich dabei um Haustiere oder Nutztiere handelt. Am Verhalten eines Tieres können wir viel über seine Stimmung und seinen Gesundheitszustand erfahren.
Wie empfinden Kühe? Wie nehmen sie ihre Umwelt wahr, was mögen sie und wovor haben sie Angst? Wenn wir uns genau diese Fragen stellen, gehen wir bereits auf die Suche danach, was der Mensch tun kann, damit es diesen Tieren in seiner Obhut gut geht. Wir werden damit sensibilisiert, die uns umgebenden Tiere genau zu beobachten, um sie in ihrem Wesen wirklich zu begreifen, damit es letztlich eine Partnerschaft gibt zwischen Mensch und Tier.
Kühe sind sehr ruhige Wesen. Das begründet sich alleine schon darauf, dass sie keine Raubtiere sind, sondern Beute- und daher Fluchttiere. Kühe nehmen ihre Umwelt anders als der Mensch wahr. Ihre Augen passen sich etwa fünfmal langsamer an veränderte Lichtverhältnisse an. Dieses ist z. B. wichtig beim Treiben vom Hellen ins Dunkle und umgekehrt. Sie haben mit ca. 330° ein sehr weites Sichtfeld, welches erheblich größer als das beim Menschen ist. Das liegt an ihren seitlich am Kopf angebrachten Augen. Daher ist es ihnen aber nicht möglich, unmittelbar vor dem Kopf gut zu sehen, weil sie nicht schielen können. Auch ist ihnen scharfes Sehen nur bei geringer Distanz möglich, ansonsten sehen sie unscharfe Schatten, die sich für das Tier ruckartig bewegen und es erschrecken können. Unter Stress hingegen ist gar kein scharfes Sehen möglich, so dass sie in derartigen Situationen leicht in Panik geraten können. Auf jeden Fall benötigen Kühe deutlich mehr Zeit als der Mensch, um Gegenstände zu focussieren. Seitlich erkennen sie nur Bewegungen, da sie nur mit einem Auge seitlich sehen können.
Rinder und damit auch Kühe sind aber hervorragende Beobachter, die sehr gut merken, wann wir etwas von ihnen wollen. Auch haben Kühe ein sehr feines Gehör. Sie hören intensiver und haben ein weiteres Frequenzspektrum als wir Menschen. Schrille, hohe Töne verursachen Stress. Zufriedene Kühe sind leise.
Wenn wir uns diese Verhaltensweisen der Kühe stets vor Augen führen und uns eben nicht wie ein „Raubtier“ verhalten, durch z. B. schnelle Bewegungen, laute, schrille Geräusche, die ihnen Angst machen, dann geben wir diesen Tieren die Chance, sich nicht wie ein Fluchttier verhalten zu müssen. Der schnellste und letztlich auch entspannteste Weg, um mit Rindern zu arbeiten, ist so langsam und so leise wie möglich!
Noch einmal zum Schluss ein elementarer Grundsatz: Wer mit Tieren arbeiten und letztlich leben will, muss ihr Verhalten verstehen! Je bewusster wir uns für das Leben und Arbeiten mit diesen Tieren entscheiden, desto stärker werden wir auf ihre Bedürfnisse eingehen (können). Ohne ein Gespür für diese Tiere, ohne eine große Portion Engagement und ohne den ausdrücklichen Wunsch, sich um die einem anvertrauten Tiere kümmern zu wollen, können wir dauerhaft keine Nutztiere halten. Landwirtschaft geht nicht ohne Leidenschaft!