1.566 Offshore-Windenergieanlagen waren Ende 2023 in Deutschland am Netz. Sie stehen meist mehr als 20 Kilometer vor der deutschen Küste und erzeugen Strom für Millionen von Haushalten. Doch wie baut man Windräder mitten im Meer? Das weiß Prof. Dr. Ing. Christian Keindorf, Experte für Offshore Anlagentechnik an der Fachhochschule Kiel.
Grundlegend besteht ein Offshore-Windrad aus einem Pfahl als Fundament, einem Übergangsstück, zwei Turmsektionen, dem Maschinenhaus und dem Rotor mit drei Rotorblättern. Für Keindorf beginnt die Herausforderung des Baus bereits bei der Planung und Fertigung der Komponenten: „Die Dimensionen sind gigantisch. Bei diesen Größen die Toleranzen in der Fertigung einzuhalten, ist eine echte Herausforderung.“ Die Länge eines Rotorblattes kann über 100 Meter betragen, wobei zukünftige Anlagen noch größere Dimensionen haben werden.
Auch das Gewicht ist enorm: Eine Windenergieanlage wiegt über 1000 Tonnen, etwa so viel wie 1000 Kleinwagen. Spezielle Schiffe mit Kränen an Bord bringen die verschiedenen Teile an ihren Einsatzort: „Es sind mindestens drei verschiedene Schiffe erforderlich, die auch zeitlich versetzt die Teile zum Einsatzort transportieren und installieren“, sagt Keindorf. Doch bevor ein Schiff überhaut ablegen darf, müssen die Bedingungen stimmen: „Maßgeblich für Schlechtwetter-Zeit ist nicht Regen, sondern Wind und Seegang“, erklärt der Professor. „Es gibt für Kranoperationen Limits bezüglich der Windgeschwindigkeit und Wellenhöhe.“
Auf dem Wasser setzen Arbeiter*innen das Windrad Segment für Segment zusammen. „Eine Offshore-Windenergieanlage hat mittlerweile eine Gesamthöhe von etwa 300 Metern“, schätzt Keindorf. Den Anfang macht ein Rammpfahl, der als Fundament die Lasten in den Meeresboden abträgt. Da der Schallpegel beim Rammen sehr laut ist, sind zusätzliche Schutzmaßnahmen, wie z.B. ein Blasenschleier erforderlich. Dieser bildet einen Vorhang aus Luftblasen um die Baustelle, der die Schallwellen bricht.
Nachdem der Rammpfahl auf Endtiefe gebracht wurde, setzt das Kranschiff seine Installationsarbeiten für die Komponenten fort. Den Abschluss machen das Maschinenhaus und die Rotorblätter. Riesige Schrauben halten die Tragkonstruktion zusammen. Keindorf: „Jeder Tag auf hoher See kostet viel Geld, da muss jeder Handgriff sitzen.“ Geht eine Windenergieanlage ans Netz, ist sie für 25 Jahre Betrieb ausgelegt, danach müsste sie rückgebaut werden. Die ersten Offshore-Anlagen haben die Hälfte ihrer Laufzeit bereits überschritten. Der Rückbau wird eine Herausforderung werden.
Die Windräder der Zukunft werden mehr Leistung bringen: „Früher hatte eine Kleinwindenergieanlage auf dem Festland eine Nennleistung von 50 Kilowatt, demnächst kommen im Offshore-Sektor Windräder mit 15 Megawatt zum Einsatz“, betont Keindorf. Bezogen auf die Nennleistung wurde somit in über vier Jahrzehnten Entwicklung eine Steigerung um den Faktor 300 erreicht.
Christian Keindorf sieht die Windenergie als wichtigen Baustein für einen nachhaltigen Energiemix in Deutschland. Letztes Jahr nahm die Windenergie den größten prozentualen Anteil an der Stromerzeugung ein. „Die Zukunft der Branche sieht gut aus, auch für unsere Studierenden im Studiengang Erneuerbare Offshore Energien sind das tolle Aussichten“, sagt Keindorf abschließend.