Als sich die Lage in der Ukraine für die dort lebenden Menschen zusehends verschlechterte und erste Flüchtlinge auch in Deutschland ankamen, wollten das Team ‚Deutsch als Fremd-/Zweitsprache‘ des Zentrums für Sprachen und Interkulturelle Kompetenz (ZSIK) der FH Kiel einen Beitrag zu deren Unterstützung leisten.
„Die Anfrage unseres Vizepräsidenten Tobias Hochscherf, ob wir im Sommersemester einen Kurs anbieten könnten, kam genau richtig“, erinnert sich Gabriele Braun vom ZSIK. „Kurzfristig haben wir das Angebot mit Unterstützung unserer Leitung, Prof. Dr. Ute Vanini, und in Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der Zentralen Studierendenberatung und des Studierendensekretariats auf die Beine gestellt.“
Seit Ende April kommen zehn Frauen und ein Mann aus der Ukraine zweimal in der Woche als Gasthörer*innen der FH für einen Deutschkurs in das ZSIK. Im ‚Welcome German Course‘ erwerben oder vertiefen sie sprachliche Grundlagen für die Bewältigung des Alltags in Deutschland. „Wir versuchen, von Anfang an so viel wie möglich Deutsch zu sprechen“, erklärt Braun. „Aber um beispielsweise die schwer verdauliche deutsche Grammatik zu erklären, nutzen wir auch Englisch“, ergänzt die Dozentin. „Und wir haben auch mal unser rostiges Schul-Russisch rausgekramt“, lacht ihr Kollege Bastian Menge „Damit haben die Teilnehmenden aber offensichtlich kein Problem, es amüsiert sie eher.“
„Die Mehrzahl hat über Bekannte aus dem Umfeld der Fachhochschule, Studierende wie Lehrende, den Weg in den Kurs gefunden“, erklärt Gabriele Braun. „Wir haben den Kurs bewusst nicht groß beworben, denn wir können mit unserem ad-hoc-Angebot leider nur einen kleinen Kreis bedienen“, ergänzt Bastian Menge. Die beiden unterrichten sowohl gemeinsam als auch im Wechsel. „Die meisten aus der Gruppe zeigen sich offen und motiviert, einige sind jedoch zurückhaltender. Aber all das ist absolut in Ordnung“, beschreibt Braun das Klima im Kurs. Ihr Kollege pflichtet ihr bei: „Die Gruppe ist weitgehend aufgetaut und insgesamt ist eine richtig gute Dynamik in der Gruppe entstanden. Es ist toll zu sehen, wie sich alle untereinander helfen.“
Die beiden Lehrkräfte nehmen auch die Wünsche aus der Gruppe auf, erklärt Menge, und nennt schmunzelnd ein Beispiel: „Eine junge Frau äußerte im Kurs den Wunsch, mehr über Grammatik und Syntax zu erfahren – die Bedeutung der Vokabeln sei für sie nachrangig, die könne sie sich schließlich selbst ergoogeln.“ Wichtig ist dem Team auch das Rahmenprogramm, das mit kleinen Aktionen wie einem Campusspaziergang, Kaffeetrinken und einer Fahrt mit der Schwentine-Fähre inklusive Fischbrötchen eine freundliche und entspannte Atmosphäre schafft. „Es ist uns wichtig, dass allen die gemeinsam verbrachte Zeit guttut“, erklärt Gabriele Braun.
Für Braun und Menge ist der Unterricht eine bereichernde Erfahrung. „In den Pausen erfahren wir in Gesprächen auch viel über die Lebenswelt und Erfahrungen der Menschen. Dabei zeigt sich, dass es trotz der gemeinsamen Herkunft und der gemeinsamen Sprache eine sehr heterogene Gruppe ist. Jeder geht anders mit Erlebtem und der aktuellen Lebenssituation um“, erzählt Braun. Einige setzen ihr in der Ukraine begonnenes Studium oder die Schule online fort und wollen zurück in ihre Heimat. Andere konstatieren, dass sie kein Zuhause mehr haben.
„Die Haltung vieler wirkt klar, fast pragmatisch und wirklich mutig – das finde ich sehr beeindruckend an diesen zum größten Teil sehr jungen Menschen“, resümiert Gabriele Braun. Alle, weiß sie, sind hier sehr gut aufgenommen worden: „Sie haben ein überaus engagiertes und helfendes Umfeld gefunden, das sie sogar auch mit norddeutschen Eigenheiten wie Spargelessen und Schietwetter-Segeln vertraut macht.“ Der Sprachkurs läuft noch bis zum 10. Juni – doch für einige der Teilnehmenden scheint jetzt schon fest zu stehen, dass sie sich hier ein neues Leben aufbauen möchten.