Prof. Dr. Melanie Groß lehrt am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. Mit Kristina Langhof aus der Campusredaktion sprach sie über die vielfältigen Aufgaben von Fachhochschulprofessor*innen und worin sich die Arbeit an einer Fachhochschule von der an einer Universität unterscheidet.
Frau Groß, was gehört zu den Aufgaben von Hochschulprofessor*innen speziell an Fachhochschulen?
Wir arbeiten an Fachhochschulen ja in mehreren Feldern gleichzeitig, also wir haben die Lehre, die Forschung, den Transfer und die Entwicklung. In der Lehre haben wir es in den Fachhochschulen mit einer sehr heterogenen Studierendenschaft zu tun, und das heißt, dass wir die Lehre so gestalten müssen, dass wir diese heterogene Studierendenschaft auch gut erreichen können. Wir machen eine Lehre, die zum einen wissenschaftsbasiert ist und gleichzeitig Fragen nach der Anwendungsorientiertheit stellt. Wir sind da immer in so einem engen Wechselverhältnis zwischen Forschung, Wissenschaft und Lehre.
Im Bereich der Forschung machen wir auch an Fachhochschulen bisweilen Grundlagenforschung, insbesondere in solchen Studiengängen, die es an den Universitäten in dieser Form gar nicht gibt. Soziale Arbeit ist da ein Beispiel. Im Bereich Forschung stellen wir uns immer die Frage: Wie gewinnen wir Erkenntnisse für unsere Studiengänge und für die künftigen Fachkräfte?
Der Bereich des Transfers umfasst den Austausch von akademischem Wissen und Forschungsergebnissen mit der beruflichen Praxis. In meinem Fall sind das zum Beispiel die Sozialwirtschaft, die freie Wohlfahrtspflege, aber auch die Kommunal- und Landespolitik sowie die Verwaltung. Dort werden ja maßgebliche Entscheidungen für die Umsetzung der sozialen Arbeit getroffen, und dafür wird auch auf die Expertise aus den Hochschulen zurückgegriffen. Das heißt, hier stellen wir uns Fragen wie: Wie entwickeln wir gemeinsam mit weiteren Akteur*innen konkret Gesellschaft weiter?
Der vierte Bereich ist für mich der Bereich der Entwicklung, also die Suche nach Problemlösungen, konkreten Modellen oder Lösungen. Hier wollen wir Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen wie etwa für den Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit entwickeln.
Das klingt nach einem breiten Aufgabenfeld.
Ja, das ist es. Durch so eine Fachhochschulprofessur sind wir vielseitig gefordert, und das macht den Job auch so spannend. Wir können gestalten, wir können entwickeln, wir können forschen, und wir können Wissen vermitteln sowie junge Menschen in ihren Bildungsprozessen begleiten. Denn das sind ja sozusagen die künftigen Fachkräfte der Gesellschaft, die wir begleiten und denen wir Perspektiven und Wissen mitgeben wollen.
Worin besteht der größte Unterschied zu einer Professur an einer Universität?
Ich glaube der größte Unterschied ist wirklich, dass die Fachhochschulen so stark im Bereich des Transfers und der Entwicklung aufgestellt sind. Die Universitäten sind deutlich stärker in der Forschung, wobei man da auch differenzieren kann, was für eine Art von Forschung, aber die Universitäten haben deutlich mehr Kapazitäten für Forschungsprojekte. Eine Universitätsprofessorin hat ungefähr neun Semesterwochenstunden Lehre, wir haben 18. Das macht schon einen Unterschied, deshalb haben wir gar nicht so viel Zeit, um forschen zu können.
Der Transfer und die Entwicklung sind an einer Fachhochschule in der Regel schon deshalb stark, weil wir als Fachhochschulprofessor*innen über mindestens drei Jahre Berufspraxis verfügen, und viele von uns haben diese Praxiserfahrung als Vernetzungsstruktur nie verlassen, sondern sind dort auch weiterhin aktiv. Dadurch dass wir eine anwendungsorientierte Lehre machen, ist es so wichtig, zu wissen, was in der Praxis los ist und was die Menschen brauchen. Das kann ich dann wiederum in die Lehre einfließen lassen und Studierende auch auf diese Herausforderungen vorbereiten. Ich denke, das ist das, was uns besonders auszeichnet an den Fachhochschulen.
Nutzen Fachhochschulprofessor*innen die Semesterferien für die Forschung?
Die Semesterferien sind für uns ja keine Ferien, sondern nur vorlesungsfreie Zeit. Wir machen da normalerweise Prüfungsbegleitungen, Prüfungen, korrigieren die ganzen Bachelor- und Masterarbeiten, Hausarbeiten, Klausuren, Portfolios und so weiter. Und dann publizieren wir. Wir veröffentlichen Bücher, Abschlussberichte, Artikel für Fachzeitschriften, für Sammelbände und Handbücher. Die schreiben wir in der Regel in der vorlesungsfreien Zeit, weil wir das nicht so gut während der Vorlesungszeit schaffen können.
Warum gibt es weniger Frauen als Männer in der Hochschullehre?
Tatsächlich haben wir im Durchschnitt an den Universitäten ein wenig mehr Absolventinnen als Absolventen, aber den Weg einer wissenschaftlichen Karriere gehen häufig eher Männer. Je höher eine Position im Hochschulsystem, desto mehr Männer besetzen diese Positionen. Eine Begründung ist, dass das etwas mit den Arbeitsbedingungen an Hochschulen zu tun hat. Wissenschaft ist in der Regel ein Job, den es nur in Vollzeit gibt. An den Hochschulen arbeiten sehr viele Wissenschaftler*innen regelmäßig mehr als 40 Stunden pro Woche. Das ist schwer zu vereinbaren, wenn man neben dem Beruf auch noch andere Ziele oder Aufgaben im Leben hat, wie zum Beispiel Care-Tätigkeiten.
Zudem haben wir natürlich nach wie vor stereotype Vorstellungen davon, wer kompetenter ist. Das heißt, auch in den Universitäten und Fachhochschulen existieren Diskriminierungen von Frauen, aber auch von anderen Gruppen wie People of Colour oder Transpersonen zum Beispiel. Es gibt ja viele Instrumente für die Gleichstellung von Männern und Frauen, um das zu ändern. Aber es ist nach wie vor so, dass Männer häufig für kompetenter gehalten werden oder sich erfolgreicher als kompetenter inszenieren als Frauen. Das wäre eine zweite Ebene und eine dritte Ebene, die für die Fachhochschule sehr prekär ist, sind die Berufungsvoraussetzungen mit einer mindestens dreijährigen Berufspraxis, die neben der Promotion nachgewiesen werden muss. Da ist dann die Frage, wie die einzelnen Hochschulstandorte damit umgehen. Wenn man die gesetzliche Regelung mit drei Jahren Berufspraxis sehr eng auslegt, dann werden drei Jahre Vollzeit, gegebenenfalls in Leitungsfunktion, gefordert. Das benachteiligt systematisch Menschen aus Berufen, in denen Vollzeit nicht das dominante Modell ist und natürlich auch Frauen und auch weitere Gruppen, die auf dem Erwerbsarbeitsmarkt eher benachteiligt sind. Auch von Rassismus betroffene Personen oder auch Transpersonen werden dadurch benachteiligt, weil sie aufgrund von Diskriminierungsmechanismen seltener in den Leitungspositionen sitzen und Vollzeittätigkeiten nachweisen können. Diese Hürde kann man absenken, indem man nicht auf drei Jahre Vollzeiterwerbsarbeit setzt, wie es beispielsweise Hochschulen in NRW aus genau solchen Gründen machen.
Wie können Fachhochschulprofessor*innen Studierende von einer Professur überzeugen?
Das ist ein wichtiges Thema, da wir an der Fachhochschule keinen sogenannten Mittelbau mit Qualifikationsstellen haben, sondern höchstens Stellen für einige wenige wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, deren Stellen wir über Forschungsprojekte akquirieren. Das heißt, wir haben das als Lehrende vielleicht auch gar nicht so im Blick, dass wir unseren eigenen Nachwuchs fördern müssen, weil wir ihn selber gar nicht einstellen können. Das bedeutet, wir thematisieren es vielleicht mit Studierenden, ob sie in die Wissenschaft wollen, aber dann schicken wir sie weg, nämlich an die Universitäten. Wenn sie dann eine wissenschaftliche Karriere starten, vernachlässigen sie aber oft die Berufspraxis, die sie aber für die Fachhochschulprofessur brauchen. Das heißt, das ist ein strukturelles Problem, und ich glaube, wir können da besser werden in der Nachwuchsförderung. Wir müssen das ausschließlich über die Lehre auffangen, und da ist es oft noch so, dass uns das aus dem Blick gerät.