Die Corona-Krise hat anschaulich gezeigt, dass Kommunikation eine vielschichtige Angelegenheit ist - insbesondere im Spannungsfeld von Wissenschaft und Medien. Während Wissenschaftler*innen darauf fokussiert sind, Inhalte über einen langen Zeitraum zu erarbeiten und durch kontinuierliche Forschung die jeweilige Fachdisziplin voranzubringen, geht es den Medienvertreter*innen vorrangig darum, Nachrichten möglichst schnell und verständlich zu verbreiten. Während die Logiken des Mediensystems und der Öffentlichkeitsarbeit den meisten Studierenden im Master-Studiengang ‚Angewandte Kommunikationswissenschaft‘ bereits aus ihrem Bachelorstudium bekannt sind, nimmt Prof. Kronewaldnun mit ihnen auch die ‚andere Seite‘ in den Blick: die Wissensproduktion im eigenen Fach.
„Der Weg, den wissenschaftliche Forschung von der ersten Idee bis zur öffentlichen Verbreitung nimmt, ist ein komplexer und vielschrittiger Prozess. Wer das versteht und diesen Prozess durchschaut, profitiert später nicht nur in der beruflichen Arbeit als Kommunikator*in oder Journalist*in, sondern auch im Alltag als mündiges Mitglied der Gesellschaft“, erklärt Elke Kronewald „Im Jahr 2017 habe ich engagierten Master-Studierenden im Modul ‚Vertiefende Kommunikationswissenschaft‘ daher zum ersten Mal das Angebot gemacht, diesen Prozess selbst zu durchlaufen und so eigene wertvolle Erfahrungen zu sammeln.“
Ziel des Angebots ist es, dass Studierende auf einer Fachtagung vor Expert*innen einen wissenschaftlichen Vortrag über ihr eigenes Forschungsprojekt halten und sich der kritischen Diskussion stellen. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg: Am Anfang steht der sogenannte ‚Call for Papers‘. Während der Planung einer Fachtagung ist die Fach-Community aufgerufen, Beiträge einzureichen. „Die Studierenden müssen sich zunächst ein Bild von den derzeit relevanten Themen des Fachs machen und in Kleingruppen passende Themenvorschläge erarbeiten. Ihre konkrete Forschungsidee präsentieren die Studierenden dann ihren Mitstudierenden im Rahmen eines Postervortrags. Das ist ein kompaktes Format, das auch auf wissenschaftlichen Fachtagungen immer beliebter wird und dazu zwingt, sich auf das Wichtigste zu beschränken“, konkretisiert Elke Kronewald.
Eingereichte Themenvorschläge, die zielführend erscheinen und die die Studierenden gerne umsetzen würden, gehen in Form eines ‚Abstracts‘ an die Tagungsveranstalter, die dieses von Expert*innen auf ihre Tagungseignung abklopfen lassen – das sogenannte ‚Double Blind Peer Review‘. Anschließend erhalten die Einreichenden eine Rückmeldung. „Das hat in den vergangenen Jahren sehr gut geklappt“, freut sich die Professorin. „Die Studierenden haben Zusagen und Einladungen erhalten, ihre Forschung auf Tagungen in Wien und Erfurt vorzustellen. Nur im Jahr 2020 haben leider viele Tagungen aufgrund von Corona nicht stattgefunden.“ Parallel zu den Peer Reviews arbeiten die Studierenden an ihrer Forschungsarbeit, für die es – unabhängig von einer Tagungsteilnahme – Leistungspunkte gibt. Wer auf die Tagung darf und möchte, muss sich jedoch auch mit der Präsentation der Inhalte auseinandersetzen.
Der Auftritt auf der Tagung ist dann die Feuertaufe für die Studierenden. „Ich halte mich hier im Hintergrund und überlasse den Studierenden die Bühne, schließlich ist es ihre Arbeit“, erklärt Elke Kronewald. „Auch, wenn die Tagungen, die wir besucht haben, eine meist überschaubare Größe mit etwa 50 Teilnehmenden haben, ist das schon ein spannendes Erlebnis.“ Viele Studierende sehen sich bei der Vorstellung ihrer Ergebnisse Wissenschaftler*innen gegenüber, die sie bislang nur aus der Fachliteratur kannten. „Das sorgt für Aufregung, aber gehört einfach dazu“, sagt die Professorin. „Wenn man selbst exponiert auf der Bühne steht und sich den Fragen stellen muss, sensibilisiert das für die Relevanz des Diskurses im Erkenntnisprozess.“
Elke Kronewald stellt fest, dass die Corona-Krise den Wissenschaftsprozess stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt hat. „Wenn ein wissenschaftlicher Experte wie der Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast immer wieder über Forschungsdesigns von Studien, Preprints und Peer-Review-Verfahren spricht, kann das zu einem besseren Verständnis von wissenschaftlicher Arbeit in der Öffentlichkeit führen. Zugleich thematisiert er regelmäßig die Konfliktlinien zwischen Wissenschaft, Wissenschaftskommunikation und Journalismus und zeigt auf, wie unterschiedlich Intentionen und Sichtweisen sind. Während die Wissenschaft versucht, die komplexen Inhalte verständlich zu vermitteln, kann es vorkommen, dass der Journalismus sich für ganz andere Aspekte des Themas interessiert.“
Dass der Lernprozess mit dem Auftritt auf einer Tagung nicht abgeschlossen sein muss, hat sich für die ehemalige Master-Studentin Julia Königs gezeigt. Sie hielt ihren Vortrag ‚Lernt doch, wie ihr wollt! Wissen und Lernen im Kontext digitaler Kommunikation‘ 2018 auf der Jahrestagung der Fachgruppe Digitale Kommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Erfurt. „Gemeinsam mit Julia Königs habe ich ihr Forschungsprojekt in ein Aufsatzformat gebracht“, erklärt Kronewald. „Und der Einsatz hat sich gelohnt, denn im kommenden Jahr soll der Aufsatz in einem wissenschaftlichen Fachbuch erscheinen.“