Ein Mann© J. Schulz
„Die Ga­le­rie Bun­ker-D hat keine White­cu­be-At­mo­sphä­re, son­dern zeigt Spu­ren der Zeit auf.“ Zum fünf­ten Mal stellt Vla­di­mir Sit­ni­kov im Bun­ker-D aus.

Vla­di­mir Sit­ni­kov über „EX LI­BRIS“

von Jes­si­ca Sarah Schulz

Jeder ist ihnen schon ein­mal auf dem Cam­pus be­geg­net - den Wer­ken von Vla­di­mir Sit­ni­kov. Im Gro­ßen Hör­saal­ge­bäu­de, in der Zen­tral­ver­wal­tung, in der Bar oder im Café des Bun­ker-D sind die aus­drucks­star­ken Ma­le­rei­en im un­ter­schied­lichs­ten For­mat zu fin­den. Auch in der Ga­le­rie im Bun­ker-D ist der rus­si­sche Maler aus Mos­kau ein „Wie­der­ho­lungs­tä­ter“: Im Ja­nu­ar wird Vla­di­mir Sit­ni­kov dort be­reits zum fünf­ten Mal seine Ar­bei­ten zei­gen, aber den­noch ist diese Aus­stel­lung für ihn eine Pre­mie­re. Im Ge­spräch mit Jes­si­ca Sarah Schulz er­zählt der Künst­ler, worin „EX LI­BRIS“ sich von sei­nen vor­he­ri­gen Aus­stel­lun­gen un­ter­schei­det und von sei­nen Wer­ken.

Was er­war­tet die Be­su­che­rin­nen und Be­su­cher bei Ihrer Aus­stel­lung „EX LI­BRIS“ im Bun­ker-D?

Das ist be­reits meine fünf­te Aus­stel­lung im Bun­ker-D, aber gleich­zei­tig auch eine Pre­mie­re. Ich werde zum ers­ten Mal an die­sem Aus­stel­lungs­ort Künst­ler­bü­cher zei­gen. Ich habe meine Bü­cher be­reits mehr­fach in der Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek in Kiel prä­sen­tiert und sie ei­ni­ge Male in Ham­burg, Ber­lin und Mainz ge­zeigt. Im Bun­ker-D wird es aber be­son­ders span­nend, da ich mir noch nicht vor­stel­len kann, wie die Künst­ler­bü­cher in der At­mo­sphä­re wir­ken wer­den. Es sind un­ter­schied­li­che Ma­te­ri­en, die hier auf­ein­an­der tref­fen: Beton und Bü­cher - das ist schon eine merk­wür­di­ge Kom­bi­na­ti­on.

Die Künst­ler­bü­cher, die ich aus­stel­len werde, sind ganz ver­schie­den. Sie sind un­ter­schied­li­chen For­mats, zum Teil ohne Text, aber auch mit li­te­ra­ri­schen Tex­ten. Zu­sätz­lich werde ich Pro­be­dru­cke aus Dru­cke­rei­en mit­brin­gen, um den Ent­ste­hungs­pro­zess eines Bu­ches sicht­bar zu ma­chen.

Was reizt Sie an der Ge­stal­tung von Künst­ler­bü­chern?

Ich habe Buch­kunst in Mos­kau stu­diert und dort auch in Ver­la­gen als Künst­ler sowie als Kunst­re­dak­teur ge­ar­bei­tet. Bü­cher sind für mich also keine neue Ma­te­rie. An­fang der 1990er Jahre bra­chen dann plötz­lich alle Ver­la­ge aus­ein­an­der, und es gab keine Ar­beit mehr. Als ich zu jener Zeit nach Deutsch­land kam, hatte ich das Ge­fühl, nicht hier­her zu pas­sen. Ich konn­te und woll­te mich aber nicht ver­än­dern und habe dann das getan, was ich am bes­ten kann. Eines der ers­ten Künst­ler­bü­cher, die ich ge­macht habe, war MOCK­BA (2000). Hier habe ich mit zu­fäl­li­gen, blin­den Tex­ten als Teil des Bil­des ge­ar­bei­tet. Mo­ti­ve und Ge­dan­ken sind ge­spie­gelt. Das Buch zeigt einen Traum, einen Alb­traum oder auch eine Vi­si­on über Mos­kau. Es wer­den sehr viele Waf­fen ge­zeigt, ob­wohl das da­mals noch ganz an­ders war, jetzt ist es lei­der Rea­li­tät ge­wor­den.

Ich ver­ste­he mich ei­gent­lich als Maler, aber Bü­cher sind für mich eine par­al­le­le Welt, in der ich mich gerne be­fin­de. Wenn ich bei­spiels­wei­se nicht mit mei­nen an­de­ren Pro­jek­ten vor­an­kom­me, mache ich gerne einen Ab­ste­cher in Rich­tung Buch.

Wie ent­steht ein sol­ches Künst­ler­buch?

Das sind immer zu­fäl­li­ge, rein as­so­zia­ti­ve Ver­bin­dun­gen, die dort ent­ste­hen. Eins mei­ner neus­ten Werke ist bei­spiels­wei­se das Buch „Plat­te­tü­den“ aus dem Jahr 2017. Ich hatte seit Jah­ren Schall­plat­ten, wuss­te aber nicht, was ich damit ma­chen kann. Ich hatte kei­nen Plat­ten­spie­ler mehr, nur noch die Plat­ten und davon zwei Sor­ten in den Far­ben blau und rot. Diese habe ich dann mit Filz­stif­ten be­malt. In­halt­lich be­han­deln die Plat­ten meine Er­in­ne­run­gen an die Zei­ten des kal­ten Krie­ges, als die Welt durch den ei­ser­nen Vor­hang in Ost und West auf­ge­teilt wurde. Auf die roten Plat­ten habe ich daher Iko­nen der öst­li­chen, auf die blau­en Plat­ten Iko­nen der west­li­chen Kunst­ge­schich­te ge­zeich­net.

Bei einem wei­te­ren Buch, habe ich bei­spiels­wei­se mit einer alten Zei­tung aus Wien aus dem Jahr 1903 ge­ar­bei­tet. Zu­nächst wuss­te ich nicht, was ich damit un­ter­neh­men soll. Dann habe ich be­gon­nen, eine Ge­schich­te mit Filz­stift auf die Zei­tung zu zeich­nen. Dar­auf­hin habe ich fest­ge­stellt, dass die Zeich­nung durch­drückt, so­dass ich ein Motiv immer wie­der­ho­len muss­te. Es pas­siert manch­mal so und manch­mal an­ders. Das mit den dop­pel­ten Bil­dern war bei­spiels­wei­se auch nicht ge­plant. Ich habe je­doch auch zwei Spra­chen und daher hat das mit der Ver­dop­pe­lung gut ge­passt.

„Hände hoch“, „20 Jahre Ar­beit - geht so“, „Bü­ro­grün“ und „Ziel­ort Ber­lin“. Mit vier Aus­stel­lun­gen im Bun­ker-D kann man Sie schon als „Wie­der­ho­lungs­tä­ter“ be­zeich­nen. Was fas­zi­niert Sie am „grau­en Klotz“, und warum kom­men Sie immer wie­der?

Der Bun­ker-D ist eine ganz ei­gen­ar­ti­ge und wun­der­ba­re Aus­stel­lungs­mög­lich­keit in Kiel. Die Ga­le­rie Bun­ker-D hat keine White­cu­be-At­mo­sphä­re, son­dern zeigt Spu­ren der Zeit auf. Die­ser Zeit­geist ist wahr­schein­lich das Wich­tigs­te, was auch ein Bild auch in sich trägt. Es ist ir­gend­wann ent­stan­den, es gibt also einen Ge­burts­punkt und dann fängt alles an, wie bei Men­schen.

Für wen ist Ihre Aus­stel­lung be­son­ders in­ter­es­sant an­zu­schau­en?

Es gibt viele Stamm­gäs­te, die immer wie­der kom­men, aber auch neue Gäste. Be­son­ders freut es mich, wenn junge Leute vor­bei­schau­en. Man macht Ar­bei­ten aber ei­gent­lich nie für das Pu­bli­kum, son­dern immer für sich und hofft dann, dass auch die Be­su­cher diese span­nend fin­den.

In­ter­view: Jes­si­ca Sarah Schulz

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