Der leuchtend blaue Stahlrahmen steht in Position. Unter dem langen Rohr in der Mitte, das wie eine übergroße Nadel wirkt, ist eine dicke Metallplatte eingespannt, die zu einer Schiffsschraube gehört. Der mit Hydraulik betriebene Prüfstand Hydropuls, wie diese drei Meter hohe Maschine fachlich bezeichnet wird, wartet darauf, das Bauteil so lange unter Schwingung zu setzen, bis es bricht. Im Labor für Schiffsfestigkeit an der FH Kiel gehören solche Prüfungen zur Routine.
„Wir machen quasi alles kaputt“, sagt Schiffbauer, Diplom-Ingenieur und Professor Berend Bohlmann lachend, während er auf die eingerissene Stelle im Bauteil deutet. „Nachdem das Material beschädigt wurde, messen wir, wie viel Druck für die Zerstörung nötig war, wie viel Belastung ein Bauteil also aushält.“ Die Platte der Schiffsschraube bricht unter starkem Kraftaufwand direkt neben der Verschweißung – eine Stelle, die eher ungewöhnlich ist. „Wenn das auf See passiert wäre, hätte das Schiff ein Problem“, sagt Bohlmann. Mit verschiedenen Berechnungen ist nun feststellbar, wie ein solches Bauteil für ein Schiff gearbeitet sein muss, damit es in der Schiffskonstruktion eingesetzt werden kann, ohne zerstört zu werden.
Die Studierenden und Doktoranden des Fachbereichs Maschinenwesen, die dem Studiengang Schiffbau und Maritime Technik angehören, können im Labor an ihren Projekten unterschiedlichster Art und Größe arbeiten. Sie klären mit ihren Versuchen die Frage, wie man ein Schiff so dimensioniert, dass es auf See nicht kaputtgeht – egal ob Container, Frachter, Kreuzfahrtschiff. Für kleinere Versuche stehen elektrisch betriebene Prüfstände zur Verfügung.
Begleitet werden sie dabei seit 2008 von Berend Bohlmann, der in den Bereichen Festigkeit und Konstruktion von Schiffen seinen Schwerpunkt gesetzt hat. Bevor der gelernte und promovierte Schiffbauer, der auch elf Jahre bei der Flensburger Schiffbaugesellschaft für die Entwicklung von Schiffen zuständig war, an die FH kam, lehrte er an der Syddansk Universität in Odense in Dänemark. „Schiffe haben mich schon immer begeistert“, sagt Bohlmann. „Als ich das Angebot aus Kiel bekam, habe ich es sehr gerne angenommen, denn hier konnte ich mich noch intensiver mit meiner Leidenschaft befassen.“
In dieser Zeit entstand auch die Kooperation zwischen der dänischen SDU und der FH Kiel. „Wir können hier an der FH jetzt Doktoranden ausbilden, die aber in Dänemark promovieren. Sie sind dort eingeschrieben, arbeiten aber hier“, erklärt Bohlmann das Doktorandenprogramm. Das Modell hat Erfolg: Schon drei Promotionen liefen über den Fachbereich Maschinenwesen, die vierten und fünften Doktoranden sind bereits auf dem Weg.
„Das Schiffbaustudium ist allgemein eine Querschnittswissenschaft“, antwortet Bohlmann auf die Frage, was genau die Studierenden am Fachbereich lernen. „Man fragt sich: Wie wird ein modernes Schiff entworfen? Was ist dabei zu beachten, damit es strömungsgünstig ist, damit es nicht kentert, damit es genügend Ladekapazitäten hat, schnell genug fahren kann und dabei möglichst wenig Treibstoff verbraucht, also wenig umweltzerstörend wirkt.“ Außerdem gehe es darum zu lernen, wie ein Schiff für bestimmte Aufgaben ausgerüstet sein muss.
Auch aktuelle Themen wie die Digitalisierung und der Umweltschutz halten Einzug im modernen Schiffbau. „Konstruktionen und Berechnungen für die Schiffe nehmen wir oft am Rechner vor, vor allem komplizierte Formeln. Aber nicht alles“, so Bohlmann. Mit gesundem Menschenverstand und einfachen Berechnungsmethoden werde das, was am Computer ausgerechnet wurde, überprüft. Man müsse wissen, ob das Ergebnis sinnvoll sein und gesichert werden könne.
„Wir müssen auch immer grüner werden“, beschreibt Bohlmann einen weiteren wichtigen Trend im Schiffbau. „Wir sind nicht ansatzweise so umweltneutral, wie wir sein sollten.“ Es gehe dabei nicht nur um die qualmenden Abgase der Schiffsmotoren – Schiffe müssten auch leichter werden, um weniger sich selbst, sondern vielmehr die eigentliche Ladung zu schleppen. „So verbrauchen sie weniger Brennstoff“, sagt Bohlmann. Diese Themen würden die Schiffbau-Agenda zukünftig beherrschen.
Nach dem Abschluss des Studiums reichen die Möglichkeiten vom praktischen bis zum theoretischen Schiffbau. Viele Absolventen arbeiten auf Werften, in Ingenieurbüros, bei Klassifikationsgesellschaften oder bei Schleppversuchsanstalten. Andere bleiben in der Forschung. „Um das Studium gut zu machen, sollte man von Haus aus eine Art von Mechanik gut finden und auch mathematisch interessiert sein“, rät Bohlmann. „Man sollte verstehen wollen, wie Bauteile funktionieren, wie Kräfte und Strömungen fließen. Damit man irgendwann ein großes, wirklich schwimmendes Schiff gemeinsam mit einem Team konstruieren kann.“
Zurück ins Labor: Professor Bohlmann zeigt ein Bauteil eines Stahlträgers, der auf der FINO3 Forschungsplattform vor Helgoland steht. „Hier muss die Schweißung untersucht werden, damit bei den Messungen auf der Plattform alles gut geht.“
Die Untersuchungen im Labor befassen sich also nicht ausschließlich mit Schiffsteilen. Sogar für die Paddel des Trendsports Stand-up-Paddling (SUP) habe eine Studentin bereits untersucht, welche Materialien bei welchem Kraftaufwand am besten für ein Paddel seien.
„Unser Ausbildungs- und Forschungslabor ist sehr praktisch ausgerichtet“, sagt Bohlmann, während er die Tür des Labors wieder schließt. „Und Schiffe sind einfach toll. Sie können einem richtig ans Herz wachsen. Wem das auch so geht, der ist mit einem Studium im Schiffbau sehr gut aufgestellt. Es macht wirklich Spaß.“
Julia Königs