Studierendenprojekte zu rechtlichen Fragen rund um Corona© L. Gehde
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Was be­deu­tet Co­ro­na für die Ar­beits­welt?

von Leon Gehde

Was ist recht­lich bei einer Impf- bzw. Aus­kunfts­pflicht ein­zel­ner Be­rufs­grup­pen zu be­den­ken? Wel­che ju­ris­ti­schen Un­si­cher­hei­ten tre­ten bei einer di­gi­tal durch­ge­führ­ten Ak­tio­närs­ver­samm­lung auf? Dür­fen Mit­ar­bei­ter*innen über­haupt – in An­be­tracht des grund­recht­lich ge­währ­ten Schut­zes der Woh­nung – gegen ihren Wil­len ins Ho­me­of­fice ge­schickt wer­den? Im Rah­men ihres For­schungs­pro­jek­tes ar­bei­ten sich die BWL-Stu­die­ren­den, die al­le­samt kei­nen Ba­che­lor in Be­triebs­wirt­schafts­leh­re bzw. ver­tief­te Rechts­kennt­nis­se ge­macht haben, auf wis­sen­schaft­li­chem Ni­veau in die The­men ein. „Die The­men­stel­lun­gen sind sehr ak­tu­ell und dy­na­misch, und es gibt noch keine ge­fes­tig­te Rechts­auf­fas­sung. Sich mit den neuen Fra­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen und ei­ge­ne Ar­gu­men­te ein­brin­gen zu kön­nen, qua­li­fi­ziert die Stu­die­ren­den in be­son­de­rer Weise“, er­läu­tert Do­zen­tin An­drea Die­fen­hardt zu Be­ginn der Er­geb­nis­prä­sen­ta­ti­on, bei der die recht­li­chen Grund­la­gen und Ge­dan­ken dis­ku­tiert wer­den. Dabei geben zwei Stu­die­ren­de auch Ein­bli­cke in die Si­tua­tio­nen an­de­rer Län­der.

Einen Ein­druck, wel­che Fra­gen auf­tre­ten, gibt zum Bei­spiel die Prä­sen­ta­ti­on zur „Impf­pflicht im Ar­beits­ver­hält­nis“. Vor allem in Pfle­ge­be­ru­fen ist die Er­wä­gung einer Impf­pflicht zum Schutz der Pfle­ge­be­dürf­ti­gen na­he­lie­gend. „Darf das Recht auf Selbst­be­stim­mung und kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit dafür aus­ge­he­belt wer­den?“, lau­tet eine der Fra­gen, die die ju­ris­ti­sche Un­si­cher­heit wi­der­spie­geln. Zwi­schen­durch wer­den von den Vor­tra­gen­den über ver­teil­te grüne Dau­men nach oben und rote Dau­men nach unten immer wie­der Stim­mungs­bil­der zu Fra­ge­stel­lun­gen ein­ge­holt wie „Wer be­grü­ßt grund­sätz­lich die Dis­kus­si­on über eine Impf­pflicht am Ar­beits­platz? Wer sieht das Recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit ohne Impf­pflicht ge­fähr­det?“.

Co­ren­tin Le Mao aus Frank­reich macht in Kiel sei­nen Mas­ter. Vor­her hat der 30-Jäh­ri­ge pas­sen­der­wei­se Jura stu­diert und kann die Be­trach­tung einer Impf­pflicht im Ar­beits­ver­hält­nis um die fran­zö­si­sche Sicht­wei­se er­wei­tern. In der an­schlie­ßen­den Ge­sprächs­run­de er­klärt er die Un­ter­schie­de zu Deutsch­land: „In Frank­reich gibt es in vie­len Be­ru­fen schon Impf­pflich­ten, was die Sache na­tür­lich ein­fa­cher macht, da viele Rechts­un­si­cher­hei­ten be­reits ge­klärt wor­den sind.“ Auch die Staats­form macht einen Un­ter­schied. „Frank­reich ist ein zen­tra­lis­ti­sches Land und kann sol­che Dinge auf na­tio­na­ler Ebene schnel­ler und ein­fa­cher ein­füh­ren“, so Le Mao.

Amir Bo­bo­jo­nov (28) re­fe­riert zum Thema „Impf­pflicht und Aus­kunft im Ar­beits­ver­hält­nis“. Dazu stellt er die ju­ris­ti­schen Schwie­rig­kei­ten einer Impf­pflicht vor. „Der Staat hat auf der einen Seite eine Für­sor­ge­pflicht, auf der an­de­ren Seite gilt eine er­zwun­ge­ne Imp­fung als Kör­per­ver­let­zung“, er­läu­tert Bo­bo­jo­nov. Ver­glei­chend schaut er dabei auf Russ­land, wo die Lage eben­falls schwie­rig er­scheint: „Auf der einen Seite ist dort die Impf­skep­sis noch weit höher als hier. Auf der an­de­ren Seite muss man in ei­ni­gen Tei­len, wie dem au­to­no­men Ge­biet der Chan­ten und Man­sen/Jugra als Un­ge­impf­ter ak­tu­ell erst eine Er­laub­nis zum Raus­ge­hen be­an­tra­gen.“ In der an­schlie­ßen­den Ge­sprächs­run­de gibt er zu be­den­ken: „Die öf­fent­li­che De­bat­te in Deutsch­land führt meis­tens an den recht­li­chen Fra­gen vor­bei. Dabei könn­te man sich so sach­li­cher mit der The­ma­tik aus­ein­an­der­set­zen.“

Eine wei­te­re Grup­pe hat sich mit on­line statt­fin­den­den Haupt­ver­samm­lun­gen von Ak­ti­en­ge­sell­schaf­ten aus­ein­an­der­ge­setzt, die ak­tu­el­le Ge­set­zes­grund­la­ge dafür läuft aus. „Die blie­ben auch beim Ab­klin­gen der Pan­de­mie be­liebt“, er­läu­tern die Stu­die­ren­den. Al­ler­dings ent­stün­den eben­falls neue ju­ris­ti­sche Un­si­cher­hei­ten – mit dem gro­ßen Ri­si­ko der An­fecht­bar­keit.

Prof. Die­fen­hardt ist nach den Vor­trä­gen und Dis­kus­sio­nen sicht­lich zu­frie­den. „Alle haben sich sehr pro­fes­sio­nell mit ihren The­men aus­ein­an­der­ge­setzt. Umso be­ein­dru­cken­der, wenn man be­denkt, dass sie zuvor ihren Ba­che­lor in an­de­ren Fä­chern ge­macht haben.“ Eine er­lern­te Kom­pe­tenz sei dabei be­son­ders wich­tig: „Sich in einen frem­den The­men­kom­plex ver­tieft ein­ar­bei­ten zu kön­nen, hilft dabei, mit Selbst­ver­trau­en spä­te­ren be­ruf­li­chen Her­aus­for­de­run­gen zu be­geg­nen. Wis­sen­schaft­lich ar­bei­ten heißt auch, sich seine ei­ge­ne Sicht­wei­se zu er­ar­bei­ten und nicht zu re­pli­zie­ren“, be­tont die Do­zen­tin.

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