Auch für angehende Bauingenieur*innen gilt, dass es kein falsches Wetter, sondern nur falsche Kleidung gibt. Entsprechend wetterfest ausgestattet warten knapp 20 Studierende im Nieselregen auf die Materialausgabe für die Praxisübung ‚Nivellement‘, bei der sie lernen, Höhenunterschiede im Gelände zu messen. Während Sönke Bargmann einem Teil der angehenden Bauingenieur*innen noch die Grundlagen und Tücken der Höhenbestimmung nahebringt, übergibt Dipl.-Ing. Andreas Horton den bereits unterwiesenen Kleingruppen aus jeweils vier Studierenden voll beladene Bollerwagen.
So zieht ein Tross aus Studierenden in leuchtenden Warnwesten über den verregneten Campus zum Parkplatz. Trotz Schietwetter ist die Stimmung gut. Den Anschein einer Vatertags-Tour kommentiert ein Student lakonisch mit dem Hinweis, dass dafür ja ‚der Kasten‘ auf dem Bollerwagen fehle. Stattdessen ziehen sie in den grünen luftbereiften Wagen Teleskop-Nivellierlatten, Dreibein-Stative und Funkgeräte hinter sich her. Auf dem Parkplatz angekommen, erklärt Sönke Bargmann, der auch am RBZ am Schützenpark unterrichtet, die erste Übung. Ziel es ist, die Funktionsfähigkeit des Arbeitsgeräts zu überprüfen.
Dabei zeigt sich, dass auch Bauleute ein ganz eigenes, tierisches, Vokabular haben. Um den Messpunkt zu markieren, kommt der Frosch zum Einsatz, eine dreibeinige schwere Eisenplatte. Die Ausrichtung des Stativs ermitteln die Studierenden mit Hilfe der Libelle, wie die Experten das Herz der Wasserwaage bezeichnen. „Wir arbeiten hier unter ganz realen Bedingungen“, erklärt Andreas Horton „und da bewegen wir uns im Millimeterbereich. Deshalb ist es wichtig, dass die Studierenden die Ausrüstung kennenlernen und überprüfen können, damit sich keine Fehler in die Messungen einschleichen können.“
Zwar gibt es in der Baubranche auch ausgewiesene Expert*innen für Messtechnik, aber an der FH Kiel gehört das Nivellieren zur Grundausbildung. „Als Bauleiter sollte man schon wissen, wie es um die Höhen bestellt ist und sie selbst prüfen können“, meint Sönke Bargmann. „Nicht zuletzt, weil Höhenfragen auch immer Kostenfragen nach sich ziehen. Es macht schon einen Unterschied, ob ein Bagger ein Areal zwei oder drei Meter tief ausschachten muss und ob für den Transport des Aushubs einer oder drei LKW benötigt werden. Da gibt es viel Sicherheit, wenn man selbst nivellieren kann.“
Derweil werden auf dem Parkplatz die ersten Dreibein-Stative aufgestellt, Lote angebracht und Nivelliergeräte montiert, durch die die Studierenden auf die Niverlierlatten blicken, die in bestimmter Entfernung festgehalten werden. „Die Abstände bestimmen die Studierenden selbst“, erklärt Andreas Horton, „meist wird im Abstand von 20 Metern gemessen. Wichtig ist dabei, dass die Niverlierlatte auch gerade gehalten wird. Jede Schrägstellung kann zu Fehlern führen.“ Schrägstellung ist das Stichwort, denn mit diesen Worten macht sich die Truppe auf zum Boksberg, wo sie gut zwei Stunden lang überprüfen, wie steil die Straße tatsächlich ist.