Gestern (23. März 2023) fand die Gründungskonferenz des Virtuellen Kompetenzzentrums „Schreiben lehren und lernen mit Künstlicher Intelligenz – Tools und Techniken für Bildung und Wissenschaft“ (kurz VK:KIWA) an der FH Kiel statt. Für die Online-Veranstaltung hatten sich über 250 Expert*innen aus den Bereichen der Schreibdidaktik, Bildungsforschung und diverser Fachdisziplinen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden angemeldet. Ziel der Tagung war die Bildung sogenannter Think Tanks, um neue Netzwerke für den Umgang mit der dynamischen Entwicklung generativer KI-Systeme wie z.B. ChatGPT und ihren gravierenden Auswirkungen auf das Bildungssystem zu bilden.
Die rasante Entwicklung im Bereich der KI-gestützten Schreibwerkzeuge habe selbst sie überrascht, räumte Prof. Dr. Doris Weßels zum Auftakt der gestrigen VK:KIWA-Gründungskonferenz ein. Bei dessen Gründung Anfang September 2022 hatten sich Initiator*innen um die Wirtschaftsinformatikerin von der Fachhochschule Kiel zum Ziel gesetzt, ein Bewusstsein für die neue Schlüsseltechnologie sowohl bei Lehrenden als auch Lernenden zu schärfen und einen Diskurs über den Umgang mit KI-Sprachmodellen anzustoßen. Damals befassten sich nur ausgewiesene Expert*innen mit den Veränderungen, die KI in Bildung und Wissenschaft vorantreiben könnte.
Um Aufmerksamkeit für das Thema müssen sich die Mitglieder des Virtuellen Kompetenzzentrums seit Ende November nicht mehr bemühen: Seit der Veröffentlichung von ChatGPT am 30. November 2022 vergeht kaum ein Tag ohne mediale Berichterstattung über den Chatbot, die Möglichkeiten, die er bietet und die Veränderungen, die er für das Bildungssystem mit sich bringt. Und so ging es bei der Konferenz vor allem darum, den Wissenstransfer zu unterstützen und neue Ideen sowie Gestaltungsansätze für die erforderliche Anpassung bis hin zu einer Neuausrichtung von Schule und Hochschule zu diskutieren.
Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister Dirk Schrödter betonte in seinem Grußwort die Notwendigkeit einer solchen Diskussion: „Die Gründungskonferenz ist der Auftakt zu einer hoffentlich langen Reihe von Diskussions- und Begegnungsformaten rund um das Thema KI und Schreiben. Denn was wir jetzt vor allem brauchen, ist ein unaufgeregter wissenschaftlicher Blick auf die Technologie selbst und auf ihre Auswirkungen auf die verschiedenen Bereiche unserer Gesellschaft. Unser Ziel ist es, dass die Chancen dieser Technologien bestmöglich zum Vorteil für die Bereiche Lehren und Lernen genutzt werden. Ich danke Professorin Doris Weßels und ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern für ihre zukunftsweisende Arbeit.“
Prof. Dr. Katharina Zweig von der TU Kaiserslautern hielt die Keynote mit dem Titel "Texte von und für Menschen - warum KI (heute) keine Noten geben kann". Die (Haupt)-These der Informatikerin: KI-Systeme können Essays oder ähnliche Schul- und Studienleistungen (noch) nicht bewerten, weil sie nicht den Gesamtprozess durchführen und insbesondere den Text nicht wirklich verstehen. „Trotz der rasanten Entwicklung von generativen Textsystemen“, so Zweig „benötigen wir immer noch Lehrerinnen und Lehrer, um Texte zu bewerten. ChatGPT schreibt zwar eine Bewertung, kann aber nicht wirklich beurteilen, ob ein Text kohärent ist oder eine einheitliche Argumentstruktur aufweist.“
Im Rahmen der Konferenz diskutierten die Expert*innen in 14 Think Tanks die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf die schulische und akademische Lehre: Wie könnten dialogbasierte Tools dabei helfen, die Argumentationsfähigkeit von Studierenden zu trainieren? Welche (sinnvollen) Anwendungsmöglichkeiten eröffnen KI-Tools im wissenschaftlichen Schreibprozess? Welchen Einfluss haben Chatbots und KI-Werkzeuge auf die Prüfungspraxis? Die Frage, ob KI soziale Ungleichheit reproduziert war ebenso Gegenstand der Diskussionen wie die, ob KI den Menschen unselbständig werden lässt.
„Spürbar war in allen Diskussionen die große Verunsicherung, die durch diese digitale Innovation hervorgerufen wurde. Gleichzeitig waren die Diskussionsbeiträge geprägt von großer Leidenschaft und der Hoffnung, dass diese rasant voranschreitende Technologie trotz aller Herausforderungen und Risiken auch viele Potenziale für eine Neugestaltung birgt. Um diese Potenziale zu nutzen, wurden die relevanten Aspekte wie Mut, Schnelligkeit in der Umsetzung, Anpassung oder auch Neuinterpretation der Rolle der Lehrenden und der Bildungsziele intensiv diskutiert. Am Ende war klar, dass diese Konferenz erst der Auftakt war. Einige Gruppen hatten sich während ihrer Session bereits zu Folgemeetings verabredet“, so das Resümee von Prof. Doris Weßels.