Viele Gründe sprechen dafür, eine neue Sprache zu lernen. Wer an der FH Kiel arbeitet oder studiert, hat die Möglichkeit dazu – und das kostenfrei. Elena Willson vom Zentrum für Sprachen und Interkulturelle Kompetenz der FH Kiel stellt das vielfältige Angebot der Einrichtung vor.
Die triviale Einsicht, dass haben besser als brauchen ist, trifft im Fall der Fälle nicht nur auf Regenkleidung zu, sondern auch auf Sprachkompetenz. In der Fremde Einheimische verständlich nach dem Weg fragen zu können und die Antwort in der Landessprache zu verstehen, ist ein großartiges Gefühl. Sprache ist ein Türöffner, der die Fremde weniger fremd erscheinen lässt.
„Viele Studierende, die eine Zeit im Ausland verbringen möchten, nutzen unser vielfältiges Angebot“, erklärt Elena Willson. „Viele kommen aber auch einfach, weil sie die seltene Chance nutzen möchten, mit Spaß eine Sprache zu lernen oder Kenntnisse zu vertiefen.“ Die 31-jährige Britin unterrichtet seit 2016 Englisch am Zentrum für Sprachen und Interkulturelle Kompetenz (ZSIK) der FH Kiel, das im Gebäude 19 direkt am Sokratesplatz untergebracht ist. Auch das Studienkolleg und das International Office (IO) haben dort ihre Seminarräume und Büros. Zusammen bilden die drei Einrichtungen das Internationale Zentrum der Fachhochschule Kiel.
Elf Fremdsprachen im Angebot
„Am ZSIK bieten wir überwiegend Kurse für Sprachen, die mit unseren Partneruniversitäten in Verbindung stehen“, führt Willson aus. „Dennoch finde ich unser Angebot mit elf Fremdsprachen durchaus beachtlich.“ Streng genommen bietet das ZSIK sogar Kurse in zwölf Sprachen an, denn auch ‚Deutsch als Fremd- und Zweitsprache‘ wird hier unterrichtet. „Dieses Angebot richtet sich vor allem an die Incomings. Das sind Studierende von Hochschulen aus dem Ausland, die etwa mit Erasmus oder anderen Austauschprogrammen bei uns studieren und währenddessen ihre Deutschkenntnisse verbessern möchten“, erklärt die Britin das Angebot. Allerdings haben in der Vergangenheit auch viele bereits länger in Deutschland Lebende mit einem Migrationshintergrund das Angebot ‚Deutsch als Fremd- und Zweitsprache‘ (DAF/DAZ) genutzt. „Es kommen immer mehr Studierende zu den Kolleginnen der DAF-/DAZ-Abteilung, deren Deutschkenntnisse für das Abitur und Fachhochschulreife ausgereicht hat, die aber nun an der Hochschule an sprachliche Grenzen stoßen – etwa wenn es um das Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten geht“, führt Willson aus. Das DAF-/DAZ-Team hat seine Kompetenzen im Unterrichten von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache genutzt, um Geflüchteten beim Ankommen in Deutschland Unterstützung zu bieten. „Das war eine spontane und pragmatische Aktion“, erinnert sich Willson. „Es war unserem Team ein Anliegen, einen kleinen Beitrag dazu beizusteuern, dass aus der Ukraine nach Kiel Geflüchtete sich bei uns besser zurechtfinden und ihren Alltag selbstbestimmter leben können.“
Alle Sprachmodule am ZSIK werden von Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern vermittelt. „Das hat vor allem den Hintergrund, dass es unser Anspruch ist, nicht nur Wissen um eine Sprache zu vermitteln“, weiß Willson. „Weil wir in anderen Ländern aufgewachsen sind, bevor wir nach Deutschland gekommen sind, tragen wir kulturelle Eigenheiten in uns, die wir an unsere Studierenden weitergeben. So können wir die Sprache sowie die Kultur lebhafter und vor allem alltagsnäher vermitteln, denn wir wissen um die vielen kleinen Stolpersteine, die unsere jeweiligen Muttersprachen mit sich bringen.“ Dieser Fokus auf das Vermitteln der Sprachen durch Muttersprachler*innen ist ein Alleinstellungsmerkmal des ZSIK.
Während der Kurse legen die Dozentinnen und Dozenten des ZSIK ihren Fokus darauf, dass die Studierenden miteinander interagieren. „Die Kurse bestehen meist aus zehn bis 20 Studierenden, die sich auch untereinander möglichst in der Zielsprache unterhalten sollen“, erklärt Willson. In kleinen Gruppen aus zwei bis drei Personen erklären die Studierenden einander Dinge oder lösen Aufgaben. „Das können schon mal schräge Arbeitsaufträge sein, wie ein ‚Speed Dating‘, bei dem alle Teilnehmenden miteinander für drei Minuten über verschiedenste Themen sprechen. Dadurch entsteht eine lockere Stimmung, und es bringt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Sprechen.“ Neben Aufgaben aus den Kursbüchern legt Elena Willson auch viel Wert darauf, auf die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einzugehen. „Wenn ein Studierender Probleme mit der Grammatik hat, gehe ich gerne darauf ein. Und es ist schön mitzuerleben, wie es dann irgendwann ‚klick‘ macht, und die Regeln ganz selbstverständlich angewendet werden“, freut sich Willson.
Sprachniveaus für länderübergreifende Vergleichbarkeit
Die verschiedenen Sprachen, die das ZSIK anbietet, werden von den Dozent*innen in unterschiedlichen Niveaus unterrichtet, die nach dem sogenannten gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen klassifiziert sind. Die drei Buchstaben A, B und C signalisieren die Fähigkeit zur elementaren, selbstständigen und kompetenten Sprachanwendung. Durch die den Buchstaben folgenden Ziffern 1 oder 2 werden zusätzlich Stufen angezeigt. So reicht das Spektrum der Klassifikation insgesamt von A1 bis C2. Zum besseren Verständnis bringt Willson ein Beispiel: „Wer über A1-Kenntnisse verfügt, kann etwa grüßen oder nach dem Weg fragen. Abitu-rientinnen und Abiturienten in Deutschland sollten – so ist die Vorgabe der Kultusministerkonferenz – Englisch auf B2-Niveau sprechen. Damit kommt man schon sehr gut durch den Tag und sollte beispielsweise Unterricht in einem englischsprachigen Studiengang folgen können.“ Wer eine Sprache auf dem C2-Niveau beherrscht, kann praktisch alles mühelos verstehen, Informationen aus verschiedenen schriftlichen und mündlichen Quellen zusammenfassen und dabei Begründungen und Erklärungen in einer zusammenhängenden Dar-stellung wiedergeben. „Diese Einstufungen sind wichtig, um eine länderübergreifende Vergleichbarkeit zu haben“, weiß Willson. „Vielfach sind beispielsweise Englischkenntnisse auf mindestens B2-Niveau die Voraussetzung dafür, an einer Hochschule im Ausland studieren zu können.“ Für einen Auslandsaufenthalt in Frankreich oder Spanien ist das Niveau B2 in der Landessprache erforderlich.
Für interessierte Studierende mit Vorkenntnissen, die einen Sprachkursus im ZSIK besuchen möchten, führt der Weg über einen Einstufungstest. Der findet online statt und dauert höchstens eine Stunde. So stellt das Team des ZSIK fest, welche Niveaustufe für einen Interessierten oder eine Interessierte passend ist. „Die meisten Module haben einen Umfang von vier Semesterwochenstunden. Am Ende steht dann eine Prüfung“, erklärt Willson. Ist die Prüfung bestanden, erhalten der Teilnehmer oder die Teilnehmerin das begehrte Zertifikat, das von den Partnerhochschulen anerkannt wird. Zudem sorgt die Teilnahme dafür, dass fünf Credit-Points auf das Konto wandern. Allerdings bietet das ZSIK nicht alle Sprachen in allen Niveaustufen an. Wer eine Sprache auffrischen möchte, in der bereits Grundkenntnisse bestehen, kann die ZSIK-Angebote für Englisch, Französisch, Spanisch sowie Deutsch als Fremd- und Zweitsprache nutzen. Alle werden bis zum C1-Niveau angeboten – Elena Willson und das Englisch-Team bieten Module sogar bis zum C2-Niveau an. Die Auswahl für Anfängerinnen und Anfänger ist deutlich größer: A1- und teils auch A2-Kurse für die Vermittlung der Grundlagen bietet das Team des ZSIK für Arabisch, Chinesisch, Dänisch, Norwegisch, Polnisch, Russisch, Schwedisch und Türkisch an. Französisch und Spanisch werden auch ab A1 angeboten, um einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen, selbst wenn man ohne Vorkenntnisse startet.
Kurse sind für Studierende kostenfrei
„Interessierte können sich kurz vor dem Semesteranfang über das Modul-Anmeldetool für einen Kurs anmelden“, beschreibt Willson das Vorgehen. „In der ersten Unterrichtswoche geht es dann los mit der Lehre.“ Für Studierende sind diese Sprachkurse kostenlos. „Wer an der FH Kiel studiert und Lust hat, eine der von uns angebotenen Sprachen zu lernen, ist herzlich willkommen“, lädt Willson ein. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der FH Kiel steht das Sprachlernangebot des ZSIK offen. Allerdings handelt es sich dabei in der Regel um eine private Aktivität, die außerhalb der Dienstzeit stattfindet. „Doch wer es arrangieren kann, sich während der Unterrichtszeiten von der Arbeit auszuklinken, ist bei uns ebenfalls herzlich willkommen.“
Etwas aus der Reihe des ZSIK-Angebots fallen kostenpflichtige Zertifikatskurse. Dabei erhalten Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach einer erfolgreich absolvierten Abschlussprüfung ein Zertifikat, das auch außerhalb der Hochschulen weltweit anerkannt ist. „Nachgefragt werden vor allem die Cambridge-Zertifikate“, weiß Elena Willson. „Wir bieten Vorbereitungskurse für Englisch-Cambridge-Prüfungen C1 und C2 an.“ Die Kolleginnen und Kollegen bieten für Spanisch und Französisch die DELE- und DELF-Prüfungen. Besonders für Kurzentschlossene und Studierende, die sich nicht darum gekümmert haben, rechtzeitig benötigte Nachweise für Sprachkompetenzen zu beschaffen, sind die offiziellen Zertifikate eine Lösung. „Wir bieten aber auch das DAAD-Zertifikat an, als kurzfristige Alternative für Studierende, die ins Ausland gehen möchten und einen Nachweis über Sprachkenntnisse benötigen“, weiß Willson.
Kulturelles Verständnis
Ein weiteres Angebot, das von den klassischen Sprachkursen abweicht, sind Veranstaltungen, die auf bestimmte Anwendungsfälle fokussieren. Diese sind vielfach besonders für die höheren Semester von Interesse. „In meinem Bereich sind das beispielsweise die ‚Applied English Skills‘“, erklärt Elena Willson. „In ‚Contemporary Issues‘ geht es darum, sich miteinander über aktuelle Themen auszutauschen, damit die vorhandenen sprachlichen Fähigkeiten erhalten bleiben. ‚English for Academic Purposes‘ und ‚Applications and Interviews‘ fokussieren hingegen direkt auf das akademische Umfeld und die Zeit um den Abschluss, wenn es an das Bewerben geht.“ Doch auch die anderen Sprachbereiche des ZSIK machen weitergehende Angebote wie beispielsweise ‚Wirtschaftsspanisch‘, und ‚Wirtschaftsfranzösisch‘. „Diese Angebote dienen dazu, die Fachsprache in der Landessprache gezielt zu lernen und es dann im wirtschaftlichen Kontext anzuwenden. Kurse zur ‚Interkulturellen Kompetenz‘ bringen die Incomings und künftigen Outgoings in einem Modul zusammen und fördern dabei den sprachlichen Austausch und das kulturelle Verständnis füreinander.“
Um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden und nicht nur Sprach-, sondern auch kulturelle Kompetenz zu vermitteln, sollen künftig wieder Exkursionen angeboten werden. Aufgrund der Corona-Pandemie war es in den Jahren 2020 und 2021 nicht möglich, Interessierten auf Studienreisen in das Ausland Land und Leute näherzubringen. Das bedauert Willson und möchte möglichst bald wieder aufbrechen. „Eine Exkursion bedeutet immer viel organisatorischen Aufwand. Aber ich freue mich, dass wir nächstes Jahr im Mai nach Galway und Dublin fahren“, verkündet die Britin freudig. Geplant sind Besuche bei der Partnerhochschule in Galway und lokalen Unternehmen sowie zahlreiche kulturelle Aktivitäten. Beim Internationalen Fest, das das Internationale Zentrum am 20. September 2022 auf dem Campus veranstaltete, hatte die Englischdozentin bereits Gelegenheit vorzufühlen. „Die meisten Stimmen der Besucherinnen und Besucher kamen für Dublin zusammen, und deswegen haben wir uns für Irland entschieden. Wir freuen uns, dass wir mit 24 Studierenden fahren können.“