Visualisierung© Muthesius Kunsthochschule
So könnte der On-Demand Verkehr der Zukunft aussehen: Innovative Fahrzeuge ermöglichen das direkte Umsteigen auf freier Strecke.

Rückenwind für Bahn-Forschungsinitiative REAKT

von Presse FH Kiel

Auf einer stillgelegten Bahnstrecke zwischen Malente und Lütjenburg könnte die Zukunft des ländlichen Bahnverkehrs in Deutschland liegen. Denn hier untersuchen Wissenschaftler*innen der Forschungsinitiative REAKT unter Federführung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) Innovationen der Bahntechnik. „Sie sollen einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrswende leisten“, erläutert Prof. Reinhard von Hanxleden, wissenschaftlicher Sprecher von REAKT und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Informatik der CAU. Die Initiative aus Schleswig-Holstein und Hamburg hat nun eine Jury des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) überzeugt: Aus knapp 500 Bewerbungen setzte sich REAKT durch und gehört zu 20 ausgewählten Innovationscommunities, die mit dem neuen Format DATIpilot gefördert werden. REAKT erhält eine Förderung von 5 Millionen Euro für vier Jahre.

Fünf Menschen©REAKT
Vor der Final-Auswahlrunde in Berlin: Prof. Reinhard von Hanxleden (CAU), Prof. Michael Prange (FH Kiel), Prof. Detlef Rhein (Muthesius Kunsthochschule), Bente Grimm (NIT und Verein SML), Sven Ratjens (CAU, HLB und Verein SML).

Der Forschungsverbund aus Hochschulen, Industriepartnern, Kommunen und der Zivilgesellschaft in Form des Vereins Schienenverkehr Malente-Lütjenburg e.V. (SML) möchte ein Leuchtturmprojekt mit bundesweiter Strahlkraft entwickeln und zeigen, wie Mobilität auf ländlichen Bahnstrecken in Zukunft aussehen kann, so Reinhard von Hanxleden. Zum strategischen Managementteam der Initiative gehören neben ihm auch Prof. Michael Prange (Fachhochschule Kiel) und Prof. Detlef Rhein (Muthesius Kunsthochschule) sowie der Verkehrswissenschaftler Prof. Heiner Monheim (SML e.V.) und Tim Hildebrandt (Vossloh Rolling Stock), Vorsitzender des Beirats Bahntechnik Schleswig-Holstein.

„Die Förderung des Projektes ‚REAKT‘ ist ein großer Erfolg für die Universität Kiel und die beteiligten Hochschulen FH Kiel und Muthesius Kunsthochschule sowie die Industriepartner“, betont Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. „Ich bin stolz, dass es den Projektpartnern gelungen ist, sich gegen eine sehr große bundesweite Konkurrenz durchzusetzen und fünf Millionen Euro für den Aufbau eines Innovationsökosystems rund um das Thema Neue Mobilität im ländlichen Raum zu erhalten“, so der Ministerpräsident.

Stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren, ländliche Räume anbinden

Die 17 Kilometer lange Teststrecke zwischen Malente und Lütjenburg mit sieben Bahnübergängen als „Herz“ der Initiative wurde durch ein eigens gegründetes Start-up erworben. Es bietet ein bundesweit einmaliges Umfeld, um Forschungsfragen angehen zu können, welche im herkömmlichen Netz nicht oder nur unter großen Genehmigungsschwierigkeiten untersucht werden könnten. So können auch regulatorisch und technisch neue Wege der Nutzung von Schienen erprobt werden.

„Der Ausbau des Bahnverkehrs in ländlichen Gebieten trägt nicht nur zur Mobilitätswende und zum Klimaschutz bei, sondern fördert auch die gesellschaftliche und soziale Teilhabe von Menschen, die nicht auf ein Auto zurückgreifen können“, erläutert der REAKT-Sprecher. Etwa 300 Kommunen in Deutschland verfügen über stillgelegte Bahnstrecken, die reaktiviert werden könnten. Direkt profitieren würden davon drei Millionen Menschen in den Einzugsgebieten, Ballungsräume könnten so entlastet werden.

Innovationen in der Region gemeinsam vorantreiben

Kräftigen Rückenwind für die Forschung gibt es nun mit der finanziellen Unterstützung durch die Förderrichtlinie DATIpilot des Bundesforschungsministeriums. Das neue Format soll dabei helfen, die Entwicklung technologischer und sozialer Innovationen zu fördern. Im sogenannten Modul 2 sollen bestehende Netzwerke (Innovationscommunities) mit einem gemeinsamen Innovationsthema oder Praxisfeld in einer Region strategisch gebündelt und weiterentwickelt werden.

„Neben dem starken Netzwerk aus beteiligten Institutionen und Firmen ist die Besonderheit von REAKT, dass die Ursprungsinitiative von den Bürgerinnen und Bürgern aus der Region kam. Diese gestalten somit aktiv vor Ort mit und sind in der Initiative voll eingebunden“, betont Reinhard von Hanxleden.

Technologien für die Mobilitätswende und den Fachkräftemangel

Im Reallabor auf der Teststrecke soll beispielsweise der Betrieb autonomer Schienenfahrzeuge ohne Lokführer*in untersucht werden, um so trotz Fachkräftemangel und auch zu Randzeiten hohe Verfügbarkeit gewährleisten zu können – was perspektivisch auch für die geplante Kieler Stadtbahn relevant werden könnte. Dies beinhalte einen komplexen Betrieb mit Sensorik, Leit-, Sicherheits- und Kommunikationstechnik.

Die Bahntrasse sei hervorragend als Teststrecke für verschiedene Fahrzeugtypen geeignet, erläutert der REAKT-Sprecher. Beispielsweise könnten hier autonome On-Demand-Fahrzeuge getestet werden, die die Fahrgäste individuell anfordern. Sie erlauben bei Begegnungsverkehr auf eingleisigen Strecken das direkte Umsteigen von Fahrzeug zu Fahrzeug, wie eine Studie der Muthesius Kunsthochschule in Kiel unter Leitung von Prof. Detlef Rhein demonstriert. Hier könnten unter optimalen Bedingungen Digitalisierungsfragen der Leit- und Sicherungstechnik sowie der Sensorik durchleuchtet werden.

 

Über die Forschungsinitiative REAKT

Die Forschungsinitiative REAKT unter Federführung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) möchte auf der stillgelegten Teststrecke Malente-Lütjenburg erforschen und erproben, wie der ländliche Schienenverkehr mit modernen Technologien und angepassten Standards erfolgreich reaktiviert werden kann. Neben der CAU beteiligen sich weitere Hochschulen an der 2022 gestarteten REAKT-Forschungsinitiative, darunter die Fachhochschule Kiel, die Muthesius Kunsthochschule Kiel und die TH Lübeck. Auch das Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT), der Verein Schienenverkehr Malente-Lütjenburg e.V., die Kommunen Malente und Lütjenburg sowie Unternehmen aus der Bahn- und IT-Industrie kooperieren. Zu den Förderern der REAKT-Initiative gehören die Staatskanzlei Schleswig-Holstein, die Prof. Dr. Werner Petersen-Stiftung, die Gesellschaft für Energie & Klimaschutz Schleswig-Holstein (EKSH) und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV).

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