Bildschirmfoto© H. Oe­nings

Das war die Re­mo­te Chaos Ex­pe­ri­ence 2021

von Hen­drik Oe­nings

Auch 2021 fand der Kon­gress des Chaos Com­pu­ter Clubs wegen der Pan­de­mie aus­schlie­ß­lich di­gi­tal statt. Auf zwölf ver­schie­de­nen, de­zen­tra­len Ka­nä­len wur­den beim rC3 2021 unter dem Motto „Nowhe­re“ über vier Tage Vor­trä­ge teils live, teils vor­auf­ge­zeich­net, teils von einer Bühne vor Ort und teils von zu­hau­se ge­streamt. Diese Ka­nä­le haben - wie immer - ein brei­tes The­men­spek­trum von ge­sell­schafts- und netz­po­li­ti­schen The­men über ak­tu­el­le Ent­wick­lun­gen in der IT-Si­cher­heit bis hin zu Bei­trä­gen über nach­hal­ti­ge Mo­bi­li­tät ab­ge­deckt.

Neben den Vor­trä­gen lebt der Kon­gress kurz vor dem Jah­res­wech­sel je­doch ins­be­son­de­re auch von der In­ter­ak­ti­on der Teil­neh­mer:innen und dem Aus­tausch mit an­de­ren. Dies war durch das er­neut not­wen­di­ge On­line­for­mat – ge­gen­über dem letz­ten Tref­fen im Jahr 2019 bei dem 17.000 Men­schen zum 36C3 auf dem Leip­zi­ger Mes­se­ge­län­de zu­sam­men­ka­men – na­tür­lich noch immer er­schwert. Wie im ver­gan­ge­nen Jahr gab es 2021 eine 2D-Welt im Retro-De­sign, wel­che den Aus­tausch mit an­de­ren Wesen er­mög­licht hat und auch viele in­ter­es­san­te vir­tu­el­le Orte zum Er­kun­den be­reit­hielt.

Die Sta­bi­li­tät der In­fra­struk­tur in die­sem Jahr war be­ein­dru­ckend, Aus­fäl­le waren trotz der hohen Teil­neh­mer­zahl so­wohl in den Live­streams als auch in der 2D-Welt kaum vor­han­den. Na­he­zu alle Vor­trä­ge wur­den auch auf­ge­zeich­net und ste­hen on­line zum Nach­schau­en zur Ver­fü­gung. Um den Ein­stieg zu er­leich­tern, seien hier zum Ein­stieg aus­ge­wähl­te Vor­trä­ge vor­ge­stellt:

Trans­pa­renz der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung

His­to­risch hat sich in Deutsch­land die Un­sit­te eta­bliert, Daten der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung (also Daten, die uns allen ge­hö­ren soll­ten) unter Ver­schluss zu hal­ten. Po­li­tisch hat sich mit der Ein­füh­rung von In­for­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zen der Wind ge­dreht, doch vie­ler­orts blo­ckiert die Ver­wal­tung nach wie vor die Frei­ga­be ihrer Daten, an­statt aktiv für Trans­pa­renz zu sor­gen. Wie ab­surd die Be­grün­dun­gen man­cher Be­hör­den bei der Blo­cka­de von In­for­ma­ti­ons­an­fra­gen wer­den, zeigt der Bei­trag „Frag den Über­wa­chungs­staat“. Doch selbst wenn Daten be­reit­ge­stellt wer­den, reicht der An­spruch an eine trans­pa­ren­te Ver­wal­tung ei­gent­lich wei­ter. Im Vor­trag „Trans­pa­renz durch of­fe­ne Ver­wal­tungs­da­ten ge­stal­ten“ er­läu­tert Jana Pahl­köt­ter die Be­deu­tung eines sinn­vol­len, bür­ger*in­nen­zen­trier­ten De­signs, damit auch Laien tat­säch­lich In­for­ma­tio­nen aus den Daten ab­lei­ten kön­nen. Auch an der Fach­hoch­schu­le sind ver­schie­de­ne Stel­len er­kenn­bar, wo wir in Zu­kunft mehr Trans­pa­renz schaf­fen könn­ten und soll­ten.

Elek­tro­ni­sche Wah­len

Wer sich vor tech­ni­schen De­tails nicht scheut, kann sich den Vor­trag „For­mal­ly Ve­ri­fied and Pu­blicly Ve­ri­fia­ble E-coun­ting For Com­plex Vo­ting Sche­mes“ zur ve­ri­fi­zier­ba­ren und nach­prüf­ba­ren On­line­wah­len an­schau­en. Im Vor­trag wird er­läu­tert, wel­che As­pek­te einer Wahl die wäh­len­de Per­son selbst nach­prü­fen kön­nen muss (die Stim­me wurde rich­tig ab­ge­ge­ben, die Stim­me wurde aus­ge­zählt, die Stim­me wurde nicht ge­än­dert), um einer elek­tro­ni­schen Wahl tat­säch­lich ver­trau­en zu kön­nen. Wäh­rend Par­la­ments- und Kom­mu­nal­wah­len in Deutsch­land sehr stren­gen An­for­de­run­gen an die Trans­pa­renz un­ter­lie­gen, gilt das für Wah­len bei So­zi­al­ver­si­che­run­gen oder an Hoch­schu­len nur ein­ge­schränkt. Ge­ra­de hier ist zu hof­fen, dass ak­tu­ell im Ein­satz be­find­li­che Sys­te­me für elek­tro­ni­sche Wah­len, wel­che Ver­trau­en in pri­va­te An­bie­ter er­for­dern, durch nach­prüf­ba­re und freie Sys­te­me ab­ge­löst wer­den.

Mo­bi­li­tät

Laura Frit­sche gibt in ihrem Vor­trag „StVO ha­cken - Ver­kehrs­wen­de sel­ber­ma­chen“ kon­kre­te Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für Fu­ß­gän­ger*innen, Rad­fah­rer*innen, aber auch Au­to­fah­rer*innen, wie durch die ei­ge­ne Mo­bi­li­tät ein klei­ner in­di­vi­du­el­ler Bei­trag zur Mo­bi­li­täts­wen­de ge­leis­tet wer­den kann.

Über­wa­chung

Wäh­rend ein von Ge­or­ge Or­well in 1984 ge­schil­der­ter to­ta­li­tä­rer Über­wa­chungs­staat von der Le­bens­rea­li­tät vie­ler wohl noch weit ent­fernt ist, bleibt doch eine Ent­wick­lung in diese Rich­tung er­kenn­bar. In dem Vor­trag „Chi­nas So­zi­al­kre­dit­sys­tem: Das ge­fähr­lichs­te Bo­ni­täts­sys­tem der Welt“ wird über das chi­ne­si­sche So­zi­al­kre­dit­sys­tem dis­ku­tiert und es wer­den auch Ge­mein­sam­kei­ten und Un­ter­schie­de zur Schu­fa in Deutsch­land dar­ge­stellt. So weit muss man je­doch nicht in die Ferne bli­cken, um deut­li­che Ten­den­zen zu mehr Über­wa­chung und Frei­heits­ein­schrän­kun­gen zu er­ken­nen. Im Vor­trag „Re­claim Your Face! The Eu­rope­an Ci­ti­zens In­itia­ti­ve for a ban on bio­me­tric mass sur­veil­lan­ce“ wird in die ver­schie­de­nen Ge­fah­ren von bio­me­tri­scher Mas­sen­über­wa­chung ein­ge­führt und die weit­rei­chen­den Fol­gen für un­se­re Ge­sell­schaft dar­ge­stellt.

Die rc3 hat auch sei­ner mitt­ler­wei­le 38. Auf­la­ge be­wie­sen, dass ein Aus­tausch zwi­schen Tau­sen­den auch on­line mög­lich ist. Nichts­des­to­trotz war auch die Hoff­nung spür­bar, dass der kom­men­de Kon­gress wie­der in Prä­senz statt­fin­det; was je­doch selbst­ver­ständ­lich be­deu­tet, dass die Vor­trä­ge für Da­heim­ge­blie­be­ne den­noch ge­streamt und auf­ge­nom­men wer­den ...wie es auch schon vor 2020 Nor­ma­li­tät war.

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