Das 100 Jahre alte Rathaus ist nicht nur die Zentrale der Kieler Stadtverwaltung, es ist auch der Ort der kommunalpolitischen Entscheidungen für die Landeshauptstadt. In der kommenden Festwoche zum Rathausjubiläum (7. bis 12. November) ist Dienstag, 8. November, der Tag der Kommunalpolitik. An diesem Tag verteilt Stadtpräsidentin Cathy Kietzer die ersten Fragebögen einer Umfrage zum Thema Kommunalpolitik und Wahlbeteiligung. Unter anderem um diese Themen und um die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungsprozessen geht es auch am Dienstagabend um 20 Uhr im Ratssaal mit Gastredner Prof. Dr. Horst W. Opaschowski. Der Zukunftsforscher sieht eine neue Form der Bürgerdemokratie kommen: „Volksentscheide und Bürgerbeteiligungen werden zur Normalität“.
10.000 Fragebögen warten während der Rathaus-Jubiläumswoche auf Kreuzchen von Kielerinnen und Kielern über 16 Jahren. Die Stadtpräsidentin bittet um rege Teilnahme, denn es geht um politische Entscheidungen, die die Befragten direkt betreffen. Unterstützt werden die Stadtpräsidentin und die Ratsversammlung bei der Fragebogenaktion vom Regionalen Berufsbildungszentrum (RBZ) Wirtschaft und von der Fachhochschule Kiel. Berufsfachschülerinnen und Berufsfachschüler haben den Fragebogen erstellt und werden die Kielerinnen und Kieler auch selbst befragen. An der FH Kiel werden die Bögen anschließend ausgewertet. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2012 vorgestellt werden.
Unter dem Motto „Wir wollen’s wissen! – Da geht was!“ ist der Fragebogen ein Projekt zur Umsetzung des Ratsbeschlusses „Mehr Begeisterung für Kommunalpolitik wecken“. Anlass zu diesem Beschluss war die nachlassende Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen und OB-Wahlen in Kiel. Aus den Erkenntnissen der Fragebogenaktion erhofft sich die Ratsversammlung Anregungen für ihre Arbeit, mit dem Ziel, das Interesse an kommunalpolitischen Themen zu steigern und wieder mehr Menschen zu mehr Wahlbeteiligung zu bewegen.
Im ersten Teil der Befragung geht es um anonyme Angaben zur Person und zur Teilnahme an den Kommunalwahlen 2008 und 2013 sowie an der Landtagswahl 2012. RBZ-Schülerinnen und -Schüler haben den zweiten Teil entworfen, in dem bewertet werden kann, wie weit zehn Aussagen zutreffen. Zum Beispiel: „Mir sind die Möglichkeiten der Mittwirkung an der Kommunalpolitik in Kiel bekannt“ oder „Ich fühle mich von der Landeshauptstadt Kiel über ihre Vorhaben und Planungen rechtzeitig informiert“. Weitere Themen sind unter anderem das Verkehrsnetz, Kiels Kinderfreundlichkeit sowie Angebote und Lebensqualität im Stadtteil. Unter allen Teilnehmenden, die freiwillig ihre Adresse im Fragebogen angeben, werden fünf Regatta-Begleitfahrten zur Kieler Woche 2012 verlost.
Berufsfachschülerinnen und Berufsfachschüler werden von Dienstag, 8. November, bis Freitag, 11. November, in der Einkaufspassage Holstentörn (bei Karstadt) Passantinnen und Passanten befragen. Unterstützt werden sie dabei von Mitgliedern der Ratsversammlung. Zum Auftakt der Aktion kommt Stadtpräsidentin Cathy Kietzer am 8. November, um 11.30 Uhr in den Holstentörn. Außerdem können die Fragebögen während der gesamten Festwoche und auch beim Tag der offenen Tür zum Jubiläum am Sonnabend, 12. November, im Rathaus selbst ausgefüllt werden. Zudem werden Kielerinnen und Kieler in den Stadtteilen Neumühlen-Dietrichsdorf, Gaarden, Mettenhof und Ravensberg befragt.
Stadtpräsidentin Kietzer hofft, dass viele Kielerinnen und Kieler den Fragebogen ausfüllen: „Wir im Rathaus sind sehr neugierig auf die Ergebnisse und wir möchten die Menschen in Kiel dafür gewinnen, sich mehr für kommunalpolitische Entwicklungen zu interessieren, die vor ihrer Haustür passieren.“
Die Themen Bürgerbeteiligung und fehlende Wahlbeteiligung werden auch am Abend der Ratsversammlung in der Rathaus-Jubiläumswoche angesprochen. Der geschichtliche Bogen reicht dabei vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis ins Jahr 2030. Am 8. November begrüßt Stadtpräsidentin Cathy Kietzer um 20 Uhr die Gäste im Ratssaal. Ihre Ansprache befasst sich mit der Entwicklung der parlamentarischen Demokratie im Rathaus: Wie funktionierte Politik vor 100 Jahren und wie ist das heute?
Wie es morgen funktionieren könnte, ist das Thema von Prof. Dr. Horst Opaschowski. Der 70-jährige Zukunftswissenschaftler und Berater für Wirtschaft und Politik hat sich im In- und Ausland einen Namen als politischer Zukunftsforscher und Visionär mit Augenmaß gemacht. 1979 gründete er das BAT Freizeit-Forschungsinstitut in Hamburg, das später in Stiftung für Zukunftsfragen umbenannt wurde. Bis 2010 war Opaschowski Wissenschaftlicher Leiter dieser Institution. Seit über 40 Jahren veröffentlicht er Thesen und Prognosen zur (nahen) Zukunft der Gesellschaft, der Familie, der Freizeit und der Arbeitswelt.
Opaschowskis stets brisante Thesen und Themen drehen sich aktuell um Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdruss und darum, was in Deutschland getan werden muss. Opaschowski dazu: „Die Bürger trauen den Politikern immer weniger, sich selbst aber immer mehr zu. Das Verhältnis Staat/Bürger verändert sich: In den politischen Entscheidungsprozessen bekommen die Macher – fast unerwartet – Mitmacher auf ihre Seite, die mitmischen wollen.“ Diese Form des Einmischens und Mitmachens bezeichnet Opaschowski als Bürgerdemokratie.
Bürgerdemokratie ist einer der Trends in Opaschowskis Vortrag „So wollen wir leben! Ein Blick in die Zukunft der nächsten zwanzig Jahre!“. Auf das Publikum im Ratssaal warten ein spannender Vortrag, fundierte Gedanken und auch provozierende Thesen von einem vielgefragten und leidenschaftlichen Anwalt für eine neue Generationengerechtigkeit. Für die musikalische Umrahmung sorgt das Trio „Chapeau!“. Interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer sind zu diesem Abend herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.
© Fachhochschule Kiel