Feilen, Drehen, Fräsen, Löten, Kleben – all das und vieles mehr steht in der Zentralwerkstatt an der Fachhochschule Kiel auf dem Programm. In der modernen, lichtdurchfluteten Halle in der Schwentinestraße fertigen Werkstattleiter Detlef Möller und sein dreiköpfiges Team plus Lehrlinge – im Handwerk heißt es noch Lehrling – an Werkzeugmaschinen Werkstücke aus den verschiedensten Materialien wie Aluminium, Messing, Stahl-Edelstahl oder Kunststoff. Damit tragen sie einen wichtigen Teil zum reibungslosen Ablauf des Hochschulalltags an der FH Kiel bei.
Aufträge erhält die Werkstatt nämlich überwiegend von Studierenden und Lehrenden, meist aus den Fachbereichen Maschinenwesen sowie Informatik und Elektrotechnik. „Die Studierenden und Lehrenden liefern uns Zeichnungen und Anforderungen für ihre Projekte. Wir bewerten dann, ob die Planung technisch machbar ist, beraten gegebenenfalls bezüglich notwendiger Änderungen, beschaffen das Material und setzen den Auftrag um“, erklärt Werkstattleiter Detlef Möller. Die Ergebnisse sind vielfältig: In der Werkstatt entstehen beispielsweise Vorrichtungen für Robotertechnik oder Bauteile für das interdisziplinäre studentische Projekt Raceyard, das jedes Jahr einen Rennwagen entwickelt. „Studierende und die Lehre haben immer höchste Priorität, und notfalls schieben wir auch einmal dringende Aufträge dazwischen“, betont Möller und ergänzt stolz: „Wir stellen immer sicher, dass sich Studierende an ihren Zeitplan halten können und nicht etwa ihr Studium um ein Semester verlängern müssen oder Projekte und Prüfungen aufgrund von Verzögerungen in der Zentralwerkstatt nicht bestehen.“
Detlef Möller ist bereits seit 1982 in der Zentralwerkstatt der Fachhochschule tätig. Zunächst war er als Geselle angestellt, und seit seinem Meisterkursus, den er Anfang der 90er-Jahre in Konstanz absolvierte, ist der heute 65-Jährige Leiter der Werkstatt und bildet Nachwuchskräfte aus. Denn, was viele nicht auf dem Schirm haben: Die FH Kiel ist nicht nur eine Hochschule, sondern auch eine Ausbildungsstätte.
Daran hatten auch der 23-jährige Fabian König aus Altenholz und der 25-jährige Leander Heyda aus Schönkirchen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zunächst nicht gedacht: „Wir sind beide über eine Anzeige in der Zeitung auf die Ausbildungsplätze aufmerksam geworden“, erinnert sich Heyda. Im September 2019 haben sie ihre Ausbildung zum Feinwerkmechaniker in der Zentralwerkstatt begonnen. Ende 2022 stand der schriftliche Teil ihrer Gesellenprüfung an, bevor sie ihre Lehre Anfang 2023 mit den mündlichen Prüfungen erfolgreich abgeschlossen haben.
An die Qualität der Ausbildung hat Möller hohe Ansprüche – auch in turbulenteren Phasen ist ihm individuelle Betreuung wichtig. Von seinen Lehrlingen erwartet der Feinmechanikermeister vor allem Sorgfalt, Sauberkeit und Ordnung. „Qualität geht vor Schnelligkeit“, sagt er. „Wir möchten unseren Lehrlingen Zeit geben, sich mit Werkzeugen, Geräten und Materialien vertraut zu machen und sich intensiv mit ihren Aufgaben auseinanderzusetzen.“
Zu Beginn der Ausbildung, die auf eine Dauer von dreieinhalb Jahren ausgelegt ist und bei sehr guten Noten auf drei Jahre verkürzt werden kann, arbeiten die angehenden Feinwerkmechaniker*innen daher ausschließlich an Übungsaufgaben. Anschließend unterstützen sie die Gesell*innen bei deren Projekten. Bevor sich die Lehrlinge mit den konventionellen und schließlich auch mit den computergestützten Maschinen vertraut machen, bearbeiten sie Metalle zunächst per Hand mit der Feile, um die vielfältigen Grundlagen zu erlernen und verschiedene Werkstoffe kennenzulernen.
Die praktische Ausbildung in der Werkstatt wird durch Unterricht an der Berufsschule und in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen ergänzt. Die Berufsschule RBZ-Technik in Kiel besuchen die Lehrlinge im ersten Lehrjahr an ein bis zwei Tagen wöchentlich und später alle ein bis zwei Monate zum zweiwöchigen Blockunterricht in der Walther-Lehmkuhlschule in Neumünster. Die überbetriebliche Ausbildung, in der die Bedienung der CNC-Maschinen im Vordergrund steht, findet an der Berufsbildungsstätte Lübeck-Travemünde, einer Institution der Handwerkskammer Lübeck, statt. Ab dem dritten Lehrjahr programmieren und bedienen die Lehrlinge dann auch die hochpräzisen CNC-Maschinen (Computerized Numerical Control).
König und Heyda schätzen rückblickend insbesondere das kollegiale Miteinander in der Zentralwerkstatt sowie die individuelle Betreuung im kleinen Team durch den Meister und die Gesellen. Den größten Vorteil gegenüber ihren Mitschüler*innen in der Berufsschule sehen sie darin, dass sie sich auf das Lernen konzentrieren konnten: „Wir konnten wirklich in Ruhe üben, da wir keinen wirtschaftlichen Druck hatten, wie es in den meisten Betrieben der Fall ist“, sagt König, der sich mit einem Fachabitur auf die Ausbildung beworben hatte. „So konnten wir die Dinge wirklich verstehen und uns Hintergrundwissen aneignen. Auch Fehler zu machen und daraus zu lernen gehörte ganz selbstverständlich dazu“, ergänzt Heyda. Der 25-Jährige hat nach seinem Realschulabschluss bereits eine kaufmännische Ausbildung im Einzelhandel absolviert und wollte sich mit der handwerklichen Lehre noch breiter aufstellen.
Dass es sich lohnt, nicht allein auf Schnelligkeit, sondern vielmehr auf Sorgfalt und individuelle Förderung zu setzen, zeigen die Bestnoten zahlreicher Absolvent*innen: Die Zentralwerkstatt hat bereits mehrere Landessieger*innen im Vergleich der Feinwerkmechaniker*innen in Schleswig-Holstein hervorgebracht. „Gleichzeitig freut es mich persönlich, wenn Lehrlinge mit Bestnoten, die ihre Lehre verkürzen könnten, dennoch die gesamte Zeit bei uns bleiben, weil sie so viel wie möglich mitnehmen möchten und sich so noch weiteres Wissen aneignen möchten“, sagt Möller.
Zweimal konnten Lehrlinge darüber hinaus den zweiten Platz beim Bundeswettbewerb belegen, zu dem alle Landessieger*innen eingeladen werden. Felix Rößger, der 2019 seine Ausbildung abgeschlossen hat und zweiter Bundessieger wurde, blieb der Zentralwerkstatt anschließend treu. Dank finanzieller Unterstützung durch die FH Kiel konnte er sich noch weiter qualifizieren und die Meisterschule besuchen. Als Feinwerkmechanikermeister darf der 32-Jährige nun auch Nachwuchskräfte ausbilden – und könnte somit Möllers Nachfolge antreten, wenn sich der 65-Jährige in den Ruhestand verabschiedet.
Auch bei Unternehmen hat die handwerkliche Lehre in der Zentralwerkstatt der FH Kiel einen guten Ruf: „Firmen aus der Region schreiben uns an und erkundigen sich nach Nachwuchskräften. Ehemalige Lehrlinge arbeiten zum Beispiel bei der Buchholz Hydraulik GmbH, der Stryker Trauma GmbH oder bei Danfoss A/S“, sagt Möller. Andere entscheiden sich nach der Lehre für ein Studium, zum Beispiel am Fachbereich Maschinenwesen. „Die Ausbildung als Basis erleichtert das Studium, und die Studierenden profitieren von ihrem Hintergrundwissen und der Praxis“, beschreibt Möller.
Ein vorherrschendes Thema im Handwerk ist die Herausforderung des Nachwuchs- und Fachkräftemangels. Auch in der Zentralwerkstatt ist die Entwicklung zu spüren: „Früher hatten wir bis zu 75 Bewerbungen – heute sind es nur noch eine Handvoll“, gibt Möller zu Bedenken. Mit Blick auf die kommenden Jahre wünscht sich der Werkstattleiter daher wieder mehr Bewerber*innen auf die Ausbildungsplätze zur/ zum Feinwerkmechaniker*in. Neben einem guten Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) oder idealerweise einem Mittleren Schulabschluss (MSA) sollten Interessierte ein grundlegendes mathematisches und technisches Verständnis sowie ein gutes Vorstellungsvermögen und Interesse für Metallbearbeitung mitbringen. Das Geschlecht der Lehrlinge spielt keine Rolle. „In den vergangenen Jahren haben viele weibliche Lehrlinge erfolgreich ihre Ausbildung bei uns abgeschlossen, und das Vorurteil, dass nur männliche Lehrlinge Feinwerkmechaniker werden können, ist längst überholt“, betont Möller.
Damit sich die Studierenden an der FH Kiel auch in Zukunft auf die Arbeit der Zentralwerkstatt verlassen können, ist das Team um Detlef Möller aktuell wieder auf der Suche nach Unterstützung. Wer Lust hat, zum 1. September 2023 eine handwerkliche Lehre zum/ zur Feinwerkmechaniker*in zu beginnen, kann sich bis zum 20. März bewerben. Alle Informationen gibt es in der ausführlichen Stellenausschreibung.