Eine Frau posiert am Ufer der Schwentinemünung und lächelt freundlich in die Kamera.© FH Kiel

Psy­cho­lo­gie ist eine fan­tas­ti­sche Wis­sen­schaft

von Jana Tresp

Psy­chi­sche Lei­den wie Bur­nout und De­pres­si­on sind längst all­täg­lich. Doch wie ge­ra­ten Men­schen in diese Zu­stän­de? Wie schaf­fen sie es wie­der her­aus? Und vor allem: Was könn­te sie davor be­wah­ren? Einer von vie­len „Schlüs­seln“ ist, laut Dr. Jean­net­te Bisch­kopf, das Ver­trau­en in die ei­ge­nen Res­sour­cen. Seit dem 11. März 2013 ist sie Pro­fes­so­rin für „Psy­cho­lo­gie und Grup­pen­dy­na­mik“ am Fach­be­reich So­zia­le Ar­beit und Ge­sund­heit der Fach­hoch­schu­le Kiel (FH Kiel). Zuvor hat sie an der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin ge­lehrt und war in der Psy­cho­lo­gi­schen Stu­di­en­be­ra­tung tätig.

Jana Tresp (JT): Woher kommt Ihr In­ter­es­se an der Psy­cho­lo­gie?

Jean­net­te Bisch­kopf (JB): Psy­cho­lo­gie ist eine fan­tas­ti­sche Wis­sen­schaft. Ich habe sie aber da­mals vor allem des­halb ge­wählt, weil ich mich nicht zwi­schen Na­tur­wis­sen­schaft und Li­te­ra­tur ent­schei­den konn­te. Ur­sprüng­lich woll­te ich Li­te­ra­tur­wis­sen­schaf­ten stu­die­ren. In Ro­ma­nen geht es meist um zwi­schen­mensch­li­che Be­zie­hun­gen, Hand­lun­gen und Ge­füh­le – dar­über bin ich zur Psy­cho­lo­gie ge­kom­men. Hier finde ich bei­des: eine na­tur­wis­sen­schaft­li­che, ex­pe­ri­men­tel­le und eine geis­tes­wis­sen­schaft­li­che Seite.

Ich habe an drei Uni­ver­si­tä­ten stu­diert und mich mit bei­den Sei­ten in­ten­siv be­schäf­tigt. Letzt­end­lich habe ich mich für den geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Be­reich ent­schie­den, nicht zu­letzt auf­grund der Nähe zur Spra­che. Es gibt in der Psy­cho­lo­gie eine For­schungs­tra­di­ti­on, die sehr stark auf der Ar­beit mit Tex­ten ba­siert.
Nach dem Ab­itur habe ich ein Jahr im ge­schlos­se­nen Be­reich der Neu­ro­lo­gie und Psych­ia­trie auf einer Akut­sta­ti­on ge­ar­bei­tet. Das hat mei­nen Blick auf die Psy­cho­lo­gie stark be­ein­flusst. Mich in­ter­es­siert, wie Men­schen in Kri­sen ge­ra­ten und sich wie­der her­aus ent­wi­ckeln; und na­tür­lich, wie wir sie dabei am bes­ten be­glei­ten und un­ter­stüt­zen kön­nen.

JT: Kön­nen Sie mir einen Roman nen­nen, in dem Psy­cho­lo­gie eine be­son­ders vor­der­grün­di­ge Rolle spielt?

JB: Ich habe frü­her viel Ste­fan Zweig* ge­le­sen, den ich bis heute sehr mag. Be­son­ders mit Hilfe sei­nes Bu­ches „Schach­no­vel­le“ ist Psy­cho­lo­gie ganz gut zu ver­ste­hen; die Dinge, die im Kopf ab­lau­fen und von Er­leb­nis­sen be­ein­flusst sind. Ich lese aber auch gern Ge­dich­te, weil sie Emo­tio­na­li­tät noch stär­ker ver­dich­ten.

JT: Sie sag­ten, Sie hät­ten an drei ver­schie­de­nen Uni­ver­si­tä­ten stu­diert – wo waren Sie über­all?

JB: Ich habe in Leip­zig an­ge­fan­gen zu stu­die­ren, bin dann für ei­ni­ge Zeit nach Glas­gow in Schott­land ge­gan­gen und an­schlie­ßend nach Ber­lin. Jede ein­zel­ne Uni­ver­si­tät hat eine an­de­re Aus­rich­tung, so dass ich da­durch viel mit­ge­nom­men habe, auch un­ter­schied­li­che Lehr­kon­zep­te. In Leip­zig muss­ten wir zum Bei­spiel erst ein­mal sehr viel Ba­sis­li­te­ra­tur lesen. In Schott­land ging es eher darum, immer das Ak­tu­ells­te zu lesen und sich von dort zu den „Klas­si­kern“ vor­zu­ar­bei­ten. Das hat dazu ge­führt, dass ich in der Lehre ver­schie­de­ne An­sät­ze ver­bin­de.

JT: Wie wür­den Sie Laien Ihr Ar­beits­ge­biet er­klä­ren?

JB: Im Rah­men mei­ner Pro­fes­sur geht es vor allem um die Frage, wel­che psy­cho­lo­gi­schen Grund­la­gen prak­ti­sches Han­deln in der So­zia­len Ar­beit un­ter­stüt­zen kann. Ein zwei­ter As­pekt ist die so­ge­nann­te „Grup­pen­dy­na­mik“; Stu­die­ren­de sol­len so­zia­le und per­so­na­le Hand­lungs­kom­pe­ten­zen er­wer­ben. Das finde ich sehr reiz­voll, weil ich mich in­ten­siv mit den The­men Bur­nout und De­pres­si­on be­schäf­ti­ge. In der So­zia­len Ar­beit tä­ti­ge Men­schen sind dies­be­züg­lich sehr stark ge­fähr­det, weil sie hel­fen­de Be­ru­fe aus­üben.

Dies be­schäf­tigt mich in ers­ter Linie. Ich hoffe aber auch, wei­ter­hin for­schen zu kön­nen. Ich habe eine Wei­ter­bil­dung in Emo­ti­ons­fo­kus­sier­ter The­ra­pie in Ka­na­da ge­macht und da­durch einen star­ken Fokus auf den per­son­zen­trier­ten An­satz. Die­ser stützt sich auf Carl Ro­gers*² und ba­siert auf der Selbst­ent­wick­lung der Men­schen. Diese Sicht wird unter an­de­rem mit pro­zess­ori­en­tier­ten Me­tho­den er­forscht, Ver­än­de­rungs­for­schung ge­nannt. Ich habe mich auch sehr viel mit psy­chi­scher Krank­heit in der Fa­mi­lie be­schäf­tigt. Wie gehen Mit­glie­der der Fa­mi­lie mit der psy­chi­schen Er­kran­kung eines An­ge­hö­ri­gen um, wor­un­ter lei­den sie, was hilft ihnen? Auch die­sen Be­reich möch­te ich gerne wei­ter ver­tre­ten.

JT: Was möch­ten Sie den Stu­die­ren­den ver­mit­teln?

JB: Das be­trach­te ich eben­falls per­son­zen­triert und frage mich: Was wird ge­braucht? Ich halte unter an­de­rem die Vor­le­sung „So­zi­al­psy­cho­lo­gie“. Darin ver­mit­te­le ich den Stu­die­ren­den Hin­ter­grund­wis­sen, um in be­stimm­ten Si­tua­tio­nen an­ge­mes­sen re­agie­ren zu kön­nen. Wenn ich weiß, wie ich auf Men­schen wirke, kann ich bes­ser auf sie ein­ge­hen.

Au­ßer­dem würde ich mich freu­en, wenn die Stu­die­ren­den ein Ver­trau­en in ihre per­sön­li­chen Res­sour­cen und so­zia­len Fä­hig­kei­ten ent­wi­ckeln und sie als Kom­pe­tenz er­le­ben – damit sie ge­stärkt in den Be­rufs­all­tag gehen. Das würde ich mir wün­schen.

* Der ös­ter­rei­chi­sche Schrift­stel­ler Ste­fan Zweig (1881-1942) wurde durch Bü­cher wie die Schach­no­vel­le oder ro­man­haf­te Bio­gra­fi­en u.a. von Marie An­toi­net­te be­kannt.

*² Der Fokus des US-ame­ri­ka­ni­schen Psy­cho­lo­gen und Psy­cho­the­ra­peu­ten Carl Ro­gers (1902-1987) lag auf der Ent­wick­lung des kli­en­ten­zen­trier­ten An­sat­zes (auch als Ge­sprächs­psy­cho­the­ra­pie be­kannt) und dem Aus­bau der Hu­ma­nis­ti­schen Psy­cho­lo­gie.

© Fach­hoch­schu­le Kiel