Im Projekt „SmartCare“ entwickelt ein Informatikprofessor der Fachhochschule (FH) Kiel eine datenschutzkonforme, offlinefähige Augensteuerung von Smart Home Software. Das Eyetracking-System soll Menschen mit starken Einschränkungen ein autonomeres Leben ermöglichen. Das System wird zunächst im Labor und anschließend im Hospiz Kieler Förde getestet. Die Prof. Dr. Werner Petersen-Stiftung fördert das Projekt in den kommenden zwei Jahren mit 25.000 Euro.
Das Radio lauter zu stellen, das Fernsehprogramm zu wechseln oder das Licht auszuschalten, kann für pflegebedürftige Menschen eine schier unlösbare Aufgabe sein. Die Betroffenen sind daher oft auf die Unterstützung von Pflegepersonal oder Angehörigen angewiesen. Smart Home Anwendungen, wie die Steuerung elektronischer Geräte mit einem Tablet, können ihnen dabei helfen, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen.
Prof. Dr. Florian Schatz vom Fachbereich Medien der FH Kiel hat in den vergangenen zwei Jahren bereits ein Smart Home System mit dem Hospiz Kieler Förde entwickelt, das mit Sprachbefehlen bedient wird. Im Unterschied zu gängigen Systemen arbeitet es offline. „In einem Hospiz haben wir es mit besonders sensiblen Situationen zu tun, bei denen die Privatsphäre unbedingt gewahrt werden muss. Da soll absolut niemand mithören können, nicht einmal theoretisch“, erklärt Schatz. „Das Wissen, dass das System offline arbeitet, senkt die Hürde, es zu nutzen“, bestätigt Annika Weerts. „Außerdem ist es sehr übersichtlich aufgebaut“, lobt die Geschäftsführerin und Hospizleiterin für den Bereich Pflege.
Nun möchte Schatz das System mit Hilfe der Eyetracking-Technologie weiterentwickeln. Menschen, die ihre Bewegungs- und Sprachfähigkeit verloren haben, sollen damit smarte Geräte mit ihren Augen steuern können. Das Prinzip: Eine Kamera verfolgt die Pupillen, die Augenbewegung übernimmt die Funktion eines Mauszeigers. Fokussieren die Nutzer*innen lange einen Punkt auf dem Bildschirm wertet das System dies als Klick. So sollen sich zukünftig Licht, Fernseher und Radio steuern lassen. Eine große Herausforderung sei es, sagt Schatz, sich in die Situation der Nutzer*innen einzufühlen: „Was möchten die Betroffenen in einer solchen Situation noch nutzen und steuern können? Was verbessert ihren Alltag und was wird nur noch als störend empfunden?“

Annika Weerts hat die Erfahrung gemacht, dass es ihren Patient*innen sehr schwer fällt, am Lebensende den Verlust der Selbstständigkeit zu akzeptieren. „Es scheint mit das Schwierigste zu sein, Hilfe anzunehmen und Pflegende in die Privatsphäre eingreifen zu lassen“, erklärt Weerts. „Wenn wir den Schwerkranken mehr Selbstständigkeit ermöglichen können, verbessern wir ihre Lebensqualität am Lebensende. Und das ist der große Herzenswunsch aller Beteiligten“, erklärt sie ihre Motivation für das Mitwirken am Projekt.
Prof. Florian Schatz möchte an der Weiterentwicklung des Smart Home Systems auch Studierende beteiligen, z. B. in Form von Bachelor- oder Masterarbeiten. Der Informatikprofessor rechnet mit einer Entwicklungszeit von etwa 24 Monaten. Nach Tests im Labor der FH Kiel, möchte Schatz das erweiterte Smart Home System im Hospiz erproben.