Lisann, Du engagierst dich bei Saved On Street in Uganda. Was macht die Organsation im Kern?
Saved On Street setzt sich ein für die Straßenkinder in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Ebenfalls arbeiten wir mit Kindern, die gefährdet sind, auf die Straße zu gehen. Das heißt, dass wir zu einem Teil in Kampala sitzen, wo die Straßenkinder sind. Zum anderen Teil sind wir in einem Dorf nördlich von Kampala, Luwero. Da gibt es Kinder, die von ihren Eltern zum Betteln auf die Straße nach Kampala geschickt werden, wenn die Familie nicht die Möglichkeit hat, die Schulgebühren für die Kinder zu zahlen. Dann kommen die meisten Kinder nicht wieder: Luwero ist mit dem Bustaxi anderthalb Stunden von der Hauptstadt entfernt. Kampala hat allein 1,5 Millionen gemeldete Einwohner, wahrscheinlich deutlich mehr, wie soll sich ein Kind von acht Jahren da nach Hause durchschlagen? Viele laufen auch weg, weil sie zuhause misshandelt werden.
Unser Slogan ist „Saved On Street – Caring for Street Children”, und ich arbeite seit drei Jahren mit dieser Organisation zusammen.
Was sind aktuelle Projekte von Saved On Street?
Gerade sind wir dabei, in dem Dorf Luwero ein Rehabiliation Center zu bauen. Wir errichten gerade zwei Häuser dafür und hoffen, eines noch in diesem Jahr fertig zu kriegen. Wir haben nämlich vor, die Kinder von der Straße zu holen, damit sie weg von den Drogen und Gefahren dort sind. Sie sollen die Möglichkeit haben, sicher und mit genug Essen aufzuwachsen. Wir möchten ihnen bieten, etwas Alltägliches zu lernen, womit sie später Geld verdienen können. Sprich Schneidern, Holzarbeiten, oder Computerarbeiten. Wenn sie das Center verlassen, sollen sie die Möglichkeit haben, Geld zu verdienen und auf eigenen Beinen zu stehen.
Wie finanziert sich eure Arbeit?
Für etwa 30 Kinder haben wir erfolgreich Sponsor*innen in Deutschland gefunden, die alle drei Monate die Schulgebühren für diese Kinder zahlen. Ich regele dafür den E-Mail-Transfer. Den versuche ich möglichst transparent zu gestalten. Ich informiere über unsere Arbeit hier und schicke regelmäßig E-Mails mit Fotos. Die Sponsor*innen haben die Möglichkeit, den Kindern Geschenke mitzugeben, die ich dann überreiche, wie Fotos oder Briefe oder vielleicht ein kleines Kuscheltier.
Wie hast Du den Verein entdeckt?
Eine Freundin von mir hat 2015 ein Auslandsjahr in Uganda gemacht. Sie hat in einer Grundschule gearbeitet und zum Ende ihres Aufenthaltes hier den Gründer von Saved On Street kennengelernt. Ich hatte zu der Zeit gerade meine Ausbildung zur Erzieherin angefangen. Als sie wieder nach Uganda fuhr, fragte sie mich, ob ich nicht mitkommen wollen würde. Sie wollte mir die Organisation zeigen, damit wir vielleicht gemeinsam das Sponsor*innenprogramm organisieren könnten. Dann konnte ich 2017 im Rahmen meiner Ausbildung ein dreiwöchiges Praktikum hier machen. Ein Jahr später war ich noch mal da.
Und diesmal machst Du dort ein Praktikum – im Zuge deines Studiums?
Ja, das Praktikum ist im Rahmen meines Studiums. Ich studiere Soziale Arbeit im zweiten Semester. In den IDW habe ich über Frau Christine Boudin vom International Office erfahren, dass man durch ERASMUS auch Praktika im Ausland machen kann. Und auch, dass man sich für Stipendien dafür bewerben kann. Das habe ich gemacht. Und jetzt mache ich statt eines vierwöchigen Praktikums in Deutschland ein sechswöchiges in Uganda. Ich habe das Stipendium bekommen, das ist richtig gut. Ich muss den Sozialarbeiter, der mich vor Ort begleitet, selbst bezahlen. Das ist ziemlich teuer. Aber für ein Praktikum brauche ich eine Anleitung. Bildung ist hier eben nicht umsonst, auch für mich nicht. Deswegen bin ich auch sehr froh über das Stipendium.
Was ist Deine Aufgabe während des Praktikums vor Ort?
Gerade haben wir eine sehr intensive Phase: Wir besuchen alle 40 Kinder zuhause in ihren Familien und gucken uns die Situation dort an. Das ist sehr zeitintensiv, aber auch sehr wichtig, kommen doch ganz viele Dinge zum Vorschein. Würde ich nicht das von einem Sozialarbeiter betreute Praktikum machen, wäre dafür keine Zeit.
Ich mache Besorgungen von Dingen, die die Kinder brauchen, Arztbesuche, kümmere mich in der Öffentlichkeitsarbeit um die Instagram-Seite. Ich schreibe für jedes Kind ein Profil, führe dafür mit den Kindern Interviews und mache Fotos. Das kostet unheimlich viel Zeit und läuft sonst parallel zum Sponsor*innenprogramm in Deutschland. Ich schreibe ständig E-Mails an die Sponsor*innen, um sie auf dem Laufenden zu halten und Fragen zu beantworten.
Gerade planen wir außerdem eine Party, bei der wir die Geschenke der Sponsor*innen verteilen. Es soll auch Snacks für die Kinder geben und wir wollen mit ihnen deutsche Spiele wie das Bewegungsspiel „Herr Fischer, Herr Fischer, wie tief ist das Wasser?“ spielen. Das kennen die Kinder hier nicht. Dann wollen wir gemeinsame Briefe an die Sponsor*innen schreiben.
Wie ist das Leben der Kinder, die Du besuchst?
Das Dorf ist sehr groß, zumindest von der Fläche her. Die Kinder wohnen alle sehr verteilt. Allein das Dorf hat sechs Schulen, weil es hier üblich ist, dass man zwischen fünf und zehn Geschwistern hat. Da es sehr viele Kinder gibt, muss es auch sehr viel Schulen geben. Man kann nicht sagen, dass es eine typische ugandische Familie gäbe, da gibt es viele verschiedene Muster. Manchmal sind die Väter weggelaufen, manchmal ist es aber auch anders herum, dass die Mütter abhauen. Viele Kinder wachsen auch bei ihren Großeltern auf, während die Eltern arbeiten. Es gibt auch ein Internat für die Kinder, deren Eltern so weit auf dem Land wohnen, dass die Kinder lange laufen müssten, um zur Schule zu kommen. Wenn die Kinder die Möglichkeit haben, zur Schule zu gehen, dann kommen sie meistens mit drei Jahren in die Baby Class. Das kann man sich vorstellen wie Kindergarten, aber sie lernen auch schon die ersten Formen und Farben. Dann geht es weiter in die Middle Class, in der auch ältere Kinder sind. Das ist wie eine Familiengruppe. Im Anschluss geht es in die Top Class, das ist eine Art Vorschule. Schließlich kommt die Primary School, Grundschule sozusagen. Die hat sieben Klassen, P1 bis P7. Danach können sie, wenn die Möglichkeit besteht, auf eine Secondary School gehen, die hat auch noch mal sieben Klassen. Im Anschluss kann der Besuch des Colleges folgen. In der Schule wird leider noch viel geschlagen. Das ist eine Erziehungsmaßnahme. Die Kinder haben meistens kurze Haare, auch die Mädchen. Das ist zum einen eine Form von Respekt gegenüber den Erwachsenen; zum anderen auch eine einfache Hygiene-Maßnahme. Die Kinder müssen Schuluniformen tragen, damit alle gleich sind und nicht gemobbt wird. Nur: Die Kinder, die sich schon die Schulgebühren nicht leisten können, können sich definitiv auch keine Uniform leisten.
Manchmal denke ich mir, krass, das würde in Deutschland halt niemals funktionieren. Manche Eltern versuchen, auch wenn sie keine Schulgebühren zahlen können, die Kinder trotzdem zur Schule zu schicken. Aber nach einiger Zeit bekommen die Kinder dann Hausverbot in der Schule. Ich habe vorgestern mit einem solchen Kind gesprochen. Er sitzt seit drei Jahren zuhause und wartet darauf, wieder in die Schule gehen zu dürfen.
Also ist Dein Einsatz, wenn Du nach Deutschland zurückkommst, eigentlich gar nicht vorbei?
Nein. Ich fange jetzt schon an, traurig zu werden, weil ich mich schon wieder verabschieden muss. Aber ich werde von Zuhause aus definitiv weiterarbeiten. Das wird weitergehen. Wir haben in meiner Praktikumszeit hier ja mehr Kinder in das Programm aufgenommen. Für die muss ich noch mehr Profile schreiben und noch mehr Sponsor*innen finden.