Eine Frau mit braunem Bob, steht vor einigen Bäumen und posiert für die Kamera.© FH Kiel

Phy­sio­the­ra­peu­tin mit Leib und Seele

von Jana Tresp

Sie ist die erste Pro­fes­so­rin für Phy­sio­the­ra­pie in Deutsch­land, die auch Phy­sio­the­ra­pie stu­diert hat. Gleich­zei­tig ist Ka­tha­ri­na Scheel mit 30 Jah­ren die jüngs­te Pro­fes­so­rin an der Fach­hoch­schu­le (FH) Kiel – und sie liebt, was sie macht. „Für mich ist die Phy­sio­the­ra­pie kein Beruf, son­dern Be­ru­fung.“ Seit dem 1. Ok­to­ber 2012 ar­bei­tet sie am Fach­be­reich So­zia­le Ar­beit und Ge­sund­heit. Davor war Ka­tha­ri­na Scheel als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin beim Bun­des­ver­band selbst­stän­di­ger Phy­sio­the­ra­peu­ten in Bo­chum tätig.

Jana Tresp (JT): Wie kamen Sie zu Aus­bil­dung und Stu­di­um?

Ka­tha­ri­na Scheel (KS): Ich bin in Leip­zig ge­bo­ren und auf­ge­wach­sen. Nach dem Ab­itur woll­te ich einen Beruf er­ler­nen, der mit Be­we­gung zu tun hat. Da ich gerne in mei­ner Hei­mat blei­ben woll­te, konn­te ich zwi­schen einem Stu­di­um der Sport­wis­sen­schaf­ten oder der Aus­bil­dung zur Phy­sio­the­ra­peu­tin wäh­len. Den Auf­nah­me­test für das Stu­di­um hatte ich zwar schon be­stan­den, ent­schied mich am Ende aber  für die Aus­bil­dung. Da­mals eine gute Ent­schei­dung, weil ich mich mit 18 Jah­ren noch nicht be­reit für ein Stu­di­um fühl­te.

Nach der Aus­bil­dung habe ich je­doch schnell ge­merkt, dass ich in der Pra­xis an meine Gren­zen stoße. Ob­wohl es viele Fort- und Wei­ter­bil­dun­gen für Phy­sio­the­ra­peu­tin­nen und Phy­sio­the­ra­peu­ten gibt, hat mir eine Struk­tur und Sys­te­ma­tik ge­fehlt. Viele Fra­gen blie­ben durch die an­ge­bo­te­nen Fort­bil­dun­gen un­be­ant­wor­tet. Fra­gen wie: Wie eigne ich mir selbst Wis­sen an? Was ist in mei­nem Be­rufs­feld ge­ra­de up to date? Wie be­hand­le ich am ef­fek­tivs­ten?

Ich habe aber sehr gerne prak­tisch ge­ar­bei­tet – ins­ge­samt drei Jahre lang. Von den Pa­ti­en­tin­nen und Pa­ti­en­ten kommt sehr viel An­er­ken­nung und Dank­bar­keit zu­rück. Wenn ich Men­schen, die im Roll­stuhl sit­zen, wie­der auf die Beine brin­ge und sei es auch nur an Krü­cken, dann ist das ein­fach toll. Für mich ist Phy­sio­the­ra­pie nicht nur Beruf, son­dern Be­ru­fung. Ich bin mit Leib und Seele Phy­sio­the­ra­peu­tin, habe mich aber letzt­lich gegen die prak­ti­sche Ar­beit und für die wis­sen­schaft­li­che Un­ter­maue­rung der Phy­sio­the­ra­pie ent­schie­den.

JT: Warum haben Sie sich für die Wis­sen­schaft ent­schie­den?

KS: Die Phy­sio­the­ra­pie ge­hört zu den Pra­xis­wis­sen­schaf­ten, ähn­lich wie die Pfle­ge, wobei es in der Phy­sio­the­ra­pie eben (noch) an die­ser Wis­sen­schaft­lich­keit man­gelt. Sie zeich­net sich durch Struk­tur- und Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit aus. Wis­sen­schaft be­deu­tet, ei­ni­ger­ma­ßen ernst­haft be­trie­ben, mit Nach­druck ein Ziel zu ver­fol­gen und for­dert auf, sich zu struk­tu­rie­ren. Ich möch­te mei­nen Bei­trag dazu leis­ten.

Da­ne­ben gibt es kaum Phy­sio­the­ra­peu­tin­nen und Phy­sio­the­ra­peu­ten in Deutsch­land, die sich der tat­säch­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Un­ter­maue­rung des Be­rufs an­neh­men wol­len.

JT: Was haben Sie ge­macht, bevor Sie an die FH Kiel ge­kom­men sind?

KS: Ich habe als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin beim Bun­des­ver­band selbst­stän­di­ger Phy­sio­the­ra­peu­ten (IFK e.V.) in Bo­chum ge­ar­bei­tet, an der Schnitt­stel­le zwi­schen Wis­sen­schaft und Po­li­tik. Ich habe Stu­di­en ent­wi­ckelt und durch­ge­führt, ein Cur­ri­cu­lum für Wei­ter­bil­dun­gen und Prä­ven­ti­ons­kon­zep­te er­ar­bei­tet, Stel­lung­nah­men an ver­schie­de­ne Mi­nis­te­ri­en sowie Ar­ti­kel ge­schrie­ben.

JT: Wie kamen Sie an die FH Kiel?

KS: Für mich stand ei­gent­lich schon immer fest, dass ich leh­ren möch­te. Ich habe neben der Tä­tig­keit für den IFK, an der Sport­hoch­schu­le Köln pro­mo­viert. Dass es mit der Pro­fes­sur so schnell klap­pen würde, hätte ich al­ler­dings nicht für mög­lich ge­hal­ten.

JT: Was möch­ten Sie Ihren Stu­die­ren­den ver­mit­teln?

KS: Ich ver­su­che den Stu­die­ren­den einen um­fas­sen­den Blick auf die Phy­sio­the­ra­pie zu geben. Die Aus­bil­dung hat hier und da ihre Schwach­stel­len. Dabei geht es unter an­de­rem um die Fra­gen: Was macht Phy­sio­the­ra­pie aus? Wie ist sie de­fi­niert? Diese Lü­cken ver­su­che ich zu fül­len. Viele ma­chen die Aus­bil­dung und wis­sen nicht, woher der Beruf kommt und wohin sie damit wol­len. Ge­gen­stand der Phy­sio­the­ra­pie ist die mensch­li­che Be­we­gung. Wir sind dazu da, Be­we­gung in Gang zu brin­gen. Daher ver­su­che ich den Stu­die­ren­den zu ver­mit­teln, dass sie Le­bens­hel­fe­rin­nen und Le­bens­hel­fer in dem Mo­ment sind, wo sie den Pa­ti­en­tin­nen und Pa­ti­en­ten zu mehr Be­we­gung ver­hel­fen.

Davon ab­ge­se­hen be­fin­det sich das Be­rufs­bild ge­ra­de in einem Wan­del, wo­durch es wenig fest­ge­leg­te Wege gibt. Daher möch­te ich den Stu­die­ren­den Ori­en­tie­rungs­hil­fe geben.

JT: Was ver­bin­den Sie mit Kiel?

KS: Ich muss ge­ste­hen: eine Sache. Bis­her kann­te ich in Kiel nur die Lu­b­i­nus­schu­le für Phy­sio­the­ra­pie, ehe­mals Heil­gym­nas­tik. Das war prak­tisch die erste Phy­sio­the­ra­pie­schu­le in Deutsch­land. Mitt­ler­wei­le habe ich na­tür­lich schon mehr ken­nen­ge­lernt und finde es schön hier – vor allem die gute Luft. Da ich vor­her in Bo­chum ge­lebt und ge­ar­bei­tet habe, merke ich da schon einen deut­li­chen Un­ter­schied. Wenn ich vor die Haus­tür gehe, atme ich erst ein­mal kräf­tig durch. Dann stellt sich bei mir fast ein Ur­laubs­fee­ling ein.

Kurz­bio­gra­fie

 

seit Ok­to­ber 2012 Pro­fes­sur für Phy­sio­the­ra­pie an der Fach­hoch­schu­le Kiel

2010-2012 Pro­mo­ti­ons­stu­di­um an der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln; Pro­mo­ti­ons­the­ma „Mo­del­le und Pra­xis­kon­zep­te der Phy­sio­the­ra­pie – Eine Ver­or­tung in­ner­halb von An­thro­po­lo­gie und Ethik“

2008-2012 Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin Bun­des­ver­band selbst­stän­di­ger Phy­sio­the­ra­peu­ten – IFK e. V. (Bo­chum)

2007-2008 Frei­be­ruf­li­che Tä­tig­keit als Phy­sio­the­ra­peu­tin in Wien

2007-2008 Wis­sen­schaft­li­che As­sis­ten­tin Me­di­zi­ni­sche Uni­ver­si­tät Wien, In­ne­re Me­di­zin, Ab­tei­lung Rheu­ma­to­lo­gie/Kli­ni­me­trie

2006-2009 HAWK Hoch­schu­le für an­ge­wand­te Wis­sen­schaft und Kunst Fach­hoch­schu­le Hil­des­heim/Holz­min­den/Göt­tin­gen; Mas­ter-Stu­di­en­gang Er­go­the­ra­pie, Lo­go­pä­die, Phy­sio­the­ra­pie; Mas­ter of Sci­ence (Phy­sio­the­ra­py)

2006-2007 An­ge­stell­te Phy­sio­the­ra­peu­tin Kur- und Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum Bad-Pi­ra­warth (Ös­ter­reich)

2005-2006 HAWK Hoch­schu­le für an­ge­wand­te Wis­sen­schaft und Kunst Fach­hoch­schu­le Hil­des­heim/Holz­min­den/Göt­tin­gen; Ba­che­lor-Stu­di­en­gang Er­go­the­ra­pie, Lo­go­pä­die, Phy­sio­the­ra­pie; Ba­che­lor of Sci­ence (Phy­sio­the­ra­py)

2003-2005 An­ge­stell­te Phy­sio­the­ra­peu­tin Kur- und Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum Bad-Pi­ra­warth (Ös­ter­reich), Ge­neh­mi­gung ein­jäh­ri­ger Wei­ter­bil­dungs­ka­renz

2000-2003 Me­di­zi­ni­sche Be­rufs­fach­schu­le des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Leip­zig; Ex­amen zur staat­lich an­er­kann­ten Phy­sio­the­ra­peu­tin

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