Ein Mann © H. Janns­sen

Off­shore-An­la­gen­tech­nik: Ma­schi­nen­bau trifft auf re­ge­ne­ra­ti­ve En­er­gi­en

von Peter Kaiz­ler | Joa­chim Kläschen

Meine Schul­zeit an der In­te­grier­ten Ge­samt­schu­le (IGS) in Lan­gen­ha­gen bei Han­no­ver emp­fand ich ins­ge­samt als schreck­lich tro­cken. Daher habe ich die IGS nach der zehn­ten Klas­se mit einem Haupt­schul­ab­schluss ver­las­sen. Da­mals war mir klar, dass ich etwas Hand­werk­li­ches ma­chen woll­te. So habe ich bei den Stadt­wer­ken Han­no­ver dann eine Aus­bil­dung zum An­la­gen­me­cha­ni­ker be­gon­nen.

Das war rück­bli­ckend aus meh­re­ren Grün­den die ab­so­lut rich­ti­ge Ent­schei­dung. Ei­ner­seits mach­te mir die Aus­bil­dung bei den Stadt­wer­ken, die heute ‚Ener­ci­ty‘ hei­ßen, ex­trem viel Spaß. Ich habe so einen ganz an­de­ren Lern­wil­len ent­wi­ckelt, als zur Schul­zeit. Vor allem aber habe ich wäh­rend der Aus­bil­dung ge­spürt, dass der ‚tech­ni­sche Weg‘, den ich ein­ge­schla­gen hatte, der rich­ti­ge Weg für mich war. Stu­die­ren woll­te ich zu die­sem Zeit­punkt al­ler­dings ab­so­lut nicht. Erst nach dem Ab­schluss mei­ner Aus­bil­dung, durch die ich auch einen Re­al­schul­ab­schluss in der Ta­sche hatte, und einer kur­zen Zeit als Ge­sel­le, ließ ich mich von einem Ar­beits­kol­le­gen über­re­den, noch ein­mal die Schul­bank zu drü­cken, um die Vor­aus­set­zun­gen für ein Stu­di­um nach­zu­ho­len.

Ge­mein­sam mit mei­nem Ar­beits­kol­le­gen mel­de­te ich mich an der Fach­ober­schu­le Tech­nik (FOT) in Hil­des­heim an. Neben Fä­chern wie Mathe – das für mich auf der IGS eher lang­wei­lig als hilf­reich war – und Eng­lisch, gab es an der FOT auch Un­ter­richt in Fä­chern wie Sta­tik, Kon­struk­ti­ons­tech­nik und Tech­no­lo­gie­kun­de. Wie sich spä­ter her­aus­stel­len soll­te, war das dort ver­mit­tel­te Wis­sen für mich im Stu­di­ums wich­tig und hilf­reich. Da ich wäh­rend mei­ner Aus­bil­dung be­reits erste Er­fah­run­gen mit So­lar­ther­mie sam­meln konn­te, ten­dier­te ich schon da­mals in Rich­tung ‚re­ge­ne­ra­ti­ve En­er­gi­en‘, und mir war klar, dass es schlie­ß­lich in Rich­tung Ma­schi­nen­bau-Stu­di­um gehen soll­te.

Nach dem Ab­schluss an der FOT konn­te ich al­ler­dings noch nicht mit dem Ma­schi­nen­bau-Stu­di­um durch­star­ten – zu­nächst muss­te ich mei­nen Zi­vil­dienst ab­sol­vie­ren. Ich ent­schied mich für eine Tä­tig­keit bei der Jo­han­ni­ter Un­fall­hil­fe. Das war eine span­nen­de Zeit, al­ler­dings habe ich dabei doch den tech­ni­schen Bezug ver­misst.

Schlie­ß­lich hatte ich mir die Fach­hoch­schu­le Han­no­ver für mein Stu­di­um aus­ge­sucht. Al­ler­dings waren dort da­mals die Zu­gangs­be­schrän­kun­gen für Ma­schi­nen­bau noch stren­ger. Der Stu­di­en­gang Wirt­schafts­in­ge­nieur­we­sen hin­ge­gen hatte dort keine Be­schrän­kung und war im Grund­stu­di­um iden­tisch zu Ma­schi­nen­bau auf­ge­baut, so dass ich meine Hoch­schul­kar­rie­re zu­nächst als ‚Wir­tIng‘ star­te­te.

Nach ein paar Se­mes­tern Wir­tIng hatte ich das Ge­fühl, auf mei­nem Weg ir­gend­wie falsch ab­ge­bo­gen zu sein. Je tie­fer es in die wirt­schaft­li­chen Fä­cher ging, desto mehr fehl­te mir auch hier wie­der der tech­ni­sche Bezug. Hinzu kam, dass ich ne­ben­bei im Mes­se­bau ar­bei­te, um mir das Stu­di­um selbst fi­nan­zie­ren zu kön­nen. Die Ar­beit in den Mes­se­hal­len und mit gro­ßen Teams fas­zi­nier­te mich. Immer häu­fi­ger über­nahm ich Auf­ga­ben des Bau­lei­ters und rea­li­sier­te mit an­de­ren Sub­un­ter­neh­mern in­ter­es­san­te Mes­se­stän­de. Neben die­ser Ver­ant­wor­tung und den neuen Auf­ga­ben be­geis­ter­te mich auch die hand­werk­li­che Kom­po­nen­te, so dass mein Wir­tIng-Stu­di­um immer wei­ter in den Hin­ter­grund rück­te.

Ich stand auf mei­nem Weg an einer Ga­be­lung. Soll­te ich mein Wir­tIng-Stu­di­um be­en­den oder im Mes­se­bau wei­ter­ma­chen? Eine für mich schwie­ri­ge Ent­schei­dung, denn als Wirt­schafts­in­ge­nieur wür­den sich mir viele neue Mög­lich­kei­ten bie­ten; auf der an­de­ren Seite waren die Ver­dienst­mög­lich­kei­ten im Mes­se­bau nicht schlecht. Ein Zei­tungs­ar­ti­kel, den mir mein Vater schick­te, soll­te schlie­ß­lich alles kla­rer ma­chen. Darin ging es um einen neuen und viel­ver­spre­chen­den Stu­di­en­gang an der Fach­hoch­schu­le Kiel: Off­shore-An­la­gen­tech­nik (OAT) [Ab 2022: Er­neu­er­ba­re Off­shore En­er­gi­en (EOE)]. Die Kom­bi­na­ti­on aus Ma­schi­nen­bau und re­ge­ne­ra­ti­ven En­er­gi­en reiz­te mich. Zwar keine So­lar­ther­mie oder Fo­to­vol­ta­ik aber im­mer­hin Wind. Und nicht nur, wenn man aus Nie­der­sach­sen kommt, ist die Aus­sicht ver­lo­ckend, eine Zeit am Meer zu ver­brin­gen.

Nach zwei Tagen Re­cher­che stand meine Ent­schei­dung ei­gent­lich fest. Ein freund­li­ches Te­le­fo­nat mit dem FH-Se­kre­ta­ri­at spä­ter saß ich im Zug nach Kiel, um mir ein Bild vom Cam­pus zu ma­chen… und mich ein­zu­schrei­ben.

Es war für mich über­haupt kein Pro­blem, an der FH An­schluss zu fin­den. Vor allem durch das ganze ‚Drum­her­um‘. Ich muss­te stau­nen, als ich sah, wie viele ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten die FH bot, sich mit in­ter­es­san­ten Hob­bys zu ver­sor­gen. Bei­spiels­wei­se nahm mich einer mei­ner Kom­mi­li­to­nen di­rekt zu einem Tref­fen von Raceyard mit, wo Stu­die­ren­de im Team einen Renn­wa­gen kon­zi­pie­ren und bauen. Den star­ken Zu­sam­men­halt unter den Team-Mit­glie­dern fand ich sehr be­ein­dru­ckend. Lei­der war Raceyard für mich dann al­ler­dings doch zu zeit­in­ten­siv, um in das Team ein­stei­gen zu kön­nen.

Auch die In­ter­dis­zi­pli­nä­ren Wo­chen (IDW) an der FH fand ich klas­se. Zwei Wo­chen lang kann man sich über die Ar­beit an an­de­ren Fach­be­rei­chen in­for­mie­ren und wei­ter­bil­den. Die Aus­wahl war enorm, und all die Mög­lich­kei­ten bie­ten sich, ohne etwas vom Lern­stoff zu ver­pas­sen, da wäh­rend der IDW keine Kurse statt­fin­den. Ich habe so wäh­rend mei­nes OAT-Stu­di­ums die Mög­lich­keit ge­nutzt, mich zum Qua­li­täts­ma­nage­ment-Be­auf­trag­ten wei­ter­zu­bil­den und an Of­fice-Trai­nings teil­zu­neh­men. Un­ver­ges­sen ist für mich auch die Fahrt zum Off­shore-Cam­pus nach Hel­go­land!

Be­son­ders gerne er­in­ne­re ich mich an un­se­re klei­nen Lern­grup­pen. Die klas­se Aus­wahl an Wahl­fä­chern im Haupt­stu­di­um run­de­te das Ganze dann per­fekt ab. Dabei war das Thema ‚re­ge­ne­ra­ti­ve En­er­gi­en‘ immer wie­der im Fokus, und man konn­te auf­grund des Pra­xis­be­zugs auch immer schnell er­ken­nen, wohin die In­hal­te füh­ren soll­ten. So hat mir meine Zeit an der FH sehr viel ge­bracht und auch eine Menge Spaß ge­macht.

Wäh­rend mei­nes OAT-Stu­di­ums habe ich für etwa zwei Jahre als Werk­stu­dent beim GEO­MAR - Helm­holtz-Zen­trum für Ozean­for­schung Kiel ge­ar­bei­tet. Ge­ra­de das macht Kiel für mich so in­ter­es­sant: Hier, di­rekt an der Ost­see, bie­ten sich viele Mög­lich­kei­ten, um Er­fah­run­gen in Ein­rich­tun­gen und Fir­men zu sam­meln, die mit den ma­ri­ti­men Her­aus­for­de­run­gen der Ma­schi­nen­bau-Bran­che sehr ver­traut sind. So habe ich wäh­rend mei­ner Zeit im GEO­MAR auch das pas­sen­de Thema für meine Ba­che­lor­ar­beit ge­fun­den, die ich über eine „Trä­ger­vor­rich­tung für Luft­pul­ser­sys­te­me zur Ver­mes­sung der Meer­see­bö­den“ ge­schrie­ben habe. Es hat ein­fach alles ge­passt.

Seit An­fang 2019 ar­bei­te ich als In­ge­nieur für die mh² off­shore GmbH in der Wind­kraft-Bran­che. Unser Auf­ga­ben­feld liegt klar im Stahl­bau und in der In­stand­hal­tung von Off­shore-Bau­wer­ken. Dazu ge­hö­ren auch Ar­bei­ten mit Seil­zug­tech­ni­ken, also Tä­tig­kei­ten an schwer zu­gäng­li­chen Stel­len der An­la­gen aus dem Seil her­aus. Aus die­sem Auf­ga­ben-Mix er­ge­ben sich immer wie­der in­ter­es­san­te Pro­jek­te, die ich oft als Pro­jekt­in­ge­nieur be­glei­ten darf. So habe in einem guten Jahr gleich meh­re­re Wind­parks ken­nen­ler­nen dür­fen. Ich bin mir si­cher, dass der Be­reich Wind­ener­gie in der Zu­kunft eine immer grö­ße­re Rolle spie­len wird. Durch mei­nen Beruf konn­te ich mir mei­nen Wunsch er­fül­len, auf der ope­ra­ti­ven Ebene in einem tech­ni­schen Beruf zu ar­bei­ten und mich dabei als In­ge­nieur einer guten und wich­ti­gen Sache wid­men.

Wer In­ge­nieur wer­den möch­te, Wert auf fach­ori­en­tier­te und span­nen­de In­hal­te im Stu­di­um legt und eine Lei­den­schaft für Nach­hal­tig­keits-The­men mit­bringt, dem emp­feh­le ich wärms­tens, sich den OAT-Stu­di­en­gang (ab 2022: EOE-Stu­di­en­gang) an der FH an­zu­se­hen. Kiel ist eine tolle Stadt, an der Fach­hoch­schu­le bie­ten sich viele Mög­lich­kei­ten, und im Nach­hin­ein ver­ging die Stu­di­en­zeit fast zu schnell.

Wenn es mich be­ruf­lich ge­gen­wär­tig auch wie­der in Rich­tung mei­ner alten Hei­mat Han­no­ver ver­schla­gen hat, habe ich Kiel als po­ten­ti­el­le Wahl­hei­mat fest ab­ge­spei­chert.

© Fach­hoch­schu­le Kiel