Bisher wird angespültes Seegras tonnenweise als Bio-Müll entsorgt. Das will ein Start-up mit FH-Background ändern.
„Allein in der Eckernförder Bucht werden jährlich etwa 2.000 Tonnen Schwemmgut, hauptsächlich bestehend aus Seegras, angespült“, erklärt Tjark Ziehm. In der Sommersaison würden die Stadtwerke die grüne Biomasse von den Stränden entfernen und kostenintensiv entsorgen. Vor etwa einem Jahr dachten sich FH-Student Ziehm und sein Kompagnon Marc Wejda: „Aus so einem gut verfügbaren Naturmaterial muss man mehr machen!“ Schließlich habe „Seegras tolle Eigenschaften und eine hohe Nutzbarkeit als Dämmmaterial bis hin zur Verwendung in der Kosmetik“, sagt Ziehm. Wejda gilt dabei als ursprünglicher Ideengeber - er beschäftigte sich schon während seines Studiums zum Industriedesigner mit Seegras.
Das Problem: Am Strand angespültes Seegras vermengt sich mit anderen Materialien wie Sand und Algen. Die Bestandteile müssen erst in aufwendigen Reinigungsverfahren voneinander getrennt werden, was sich laut Ziehm bisher nicht lohne. „In Dänemark zum Beispiel, darf man das Seegras, anders als in Deutschland, direkt im ‚sauberem‘ Zustand aus dem Meer fischen“, so Informatik-Student Ziehm. Dort habe sich das Material bereits in allen möglichen Bereichen etabliert. „Wer jedoch aktuell dänische Produkte aus Seegras bestellen möchte, wird merken, dass der ganze Markt leergekauft ist“, führt Ziehm fort.
Marktpotential scheint also vorhanden zu sein. Ziehm und Wejda, die sich im September 2021 bei der Ocean Re-CREATION Challenge im TransMarTech in Kiel kennenlernten, entschlossen sich, ein neues Verfahren und eine entsprechende Anlage zu entwickeln. „Wir wollten in der Lage sein, Seegras in großen Mengen zu geringen Kosten waschen zu können“, so Wejda. Die Fachhochschule Kiel stellte Büroräumlichkeiten des StartUp-Office auf dem Seefischmarkt zur Verfügung, und die beiden begannen dort mit der Konzeption.
Nun, im November 2022, sind sie optimistisch, den Prototypen noch diesen Monat fertigzustellen. Die Anlage besteht aus zwei Stufen. Die erste Stufe ist eine sieben Meter lange Waschtrommel, wo die Biomasse durch Spülen mit Regenwasser von Sand befreit wird, der in einem Behältnis aufgefangen wird. Ziehm erklärt: „Der Sand wird aus Küstenschutzgründen am nächsten Tag an die Kommunen der Entnahme-Strände zurückgegeben.“ Anschließend geht es auf einem Förderband in die zweite Stufe. Dort sucht eine KI mit optischen Sensoren nach allem, was nicht Seegras ist, und sortiert das mithilfe von 900 Mal die Minute zugreifenden Robotik-Armen aus.
„Das gereinigte Seegras wird in Containern ohne zusätzlichen Energiebedarf sonnengetrocknet“, so Ziehm. Die aussortierte Masse könne in einer Biogasanlage zusätzlich Energie erzeugen. Installiert werden soll die Anlage auf der Co-Working-Fläche Strandfabrik in Kiel-Friedrichsort, die Produktion soll spätestens im März 2023 beginnen. „Wir müssen noch Bagger, Lkw und Trockencontainer anschaffen, was natürlich weiteren Finanzbedarf mit sich bringt“, sagt Ziehm und führt fort: „Aktuell hoffen wir auf eine Förderung durch die Bundesagentur für Sprunginnovationen.“
Ziehm und Wejda sind stolz auf ihr Projekt und freuen sich auf die Inbetriebnahme ihrer Innovation: „Selbst in der Familie wurde unsere Idee anfänglich als Spinnerei abgetan – nun zeigt sich, dass sie durchaus reales Potenzial hat. Die ersten Anfragen von Kunden liegen bereits vor.“