Wer zur See fährt, ist wochen- oder monatelang getrennt von Familie und Freunden und findet sich manchmal in unbekannten Häfen wieder. Besonders in der festlichen Jahreszeit ist dies kein leichtes Schicksal für tausende Männer und Frauen, die an Bord eines Schiffes leben und arbeiten. Für Seeleute, die in Kiel anlegen, sind die Stationen der Seemannsmission in Holtenau und der Wik ein sicheres Stück Heimathafen in der Fremde. Hier können Seeleute übernachten, mit der Heimat telefonieren, an Gottesdiensten und Seelsorgen teilnehmen, Ausflüge mitmachen, Hilfe bekommen, wenn sie zum Arzt, ins Krankenhaus oder zu Behörden gehen müssen.
„Support of Seafarer’s Dignity“, Einsatz für die Würde der Seeleute unabhängig von Religion, Herkunft oder Sozialstatus, lautet der Leitspruch der Seemannsmission, für die auch zwei Studierende der FH tätig sind.
Marie Mohr ist Studentin der Sozialen Arbeit im zweiten Semester und arbeitet im Missionsheim an der Schleuse in Kiel-Wik. Hier werden täglich bis zu zwölf Seeleute willkommen geheißen, umsorgt und beraten - rund um die Uhr.
Marie absolvierte nach ihrem Schulabschluss den Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) bei der Seemannsmission, nachdem sie in der Flüchtlingshilfe keinen Platz bekommen hatte.
Diese Entscheidung war genau richtig. „Auch in die Seemannsmission kommen Menschen mit Heimweh, sie sind weit weg von ihrem Zuhause. Da habe ich eine Parallele zu Geflüchteten gesehen“, erklärt Marie. Sie unterstützt die Seeleute, wo immer Hilfe gebraucht wird: bei Besuchen an Bord, um Tageszeitungen in der jeweiligen Landessprache auszuteilen, bei Fragen zu Geld-Überweisungen ins Heimatland, beim Ein- und Verkauf von Lebensmitteln in der Seafarer’s Lounge am Ostseekai.
„Hier können die Menschen von Bord gehen, sich ausruhen, in unserem Shop Tütensuppen, Süßigkeiten oder Telefonkarten einkaufen, einen Computer benutzen und auch Geld überweisen“, berichtet die Studentin. „Am glücklichsten macht es mich, wenn ich den Seefahrerinnen und Seefahrern Zeit und Ruhe für ihre persönlichen Geschichten geben kann.“ Das geschieht zum Beispiel, wenn sie den überwiegend philippinisch-stämmigen Seeleuten hilft, Geld an Familie oder Freunde zu überweisen und erfährt, für wen die Unterstützung gedacht ist. „Sonst arbeiten sie immer nur, bei mir bekommen sie Vertrauen und Ruhe, um aufzutauen und von sich zu berichten.“ Die Arbeit macht der Studentin immer wieder viel Freude – ganz besonders in der Weihnachtszeit.
Über Punsch-Verkäufe auf den Weihnachtsmärkten in Kiel und Bosau unterstützen die Kieler Lions die Mission. Die Erlöse kommen der Seemannsmission als Spenden zugute, die wiederum in Geschenke für die Seeleute investiert werden. In der Weihnachtszeit besuchen Marie und die anderen Helfer die Seefahrerinnen und Seefahrer an Bord, verteilen ihre Gaben. Besonders die Aktion „Weihnachten am Ohr“ sorgt jedes Jahr für große Freude.
„Von Spendengeldern kaufen wir Telefonkarten und Kieler Sprotten aus Schokolade“, so Marie. „Damit die Leute an Weihnachten kostenlos mit ihren Familien telefonieren können.“ Für die Studentin eine wunderbare Tradition: „Die Seeleute sind glücklich, dass jemand an sie denkt, obwohl sie nicht zuhause sind.“
Maries Kommilitone Moritz Panning denkt ebenfalls gerne an die feierlichen Veranstaltungen der Seemannsmission: „Der Sonntag der Seefahrt in der Nikolai-Kirche mit einer Predigt auf Plattdeutsch oder die Andacht unterm Leuchtturm in Holtenau sind schöne Zusammenkünfte für Seeleute, Seefahrerfamilien und Hinterbliebene“, sagt der Musikwissenschaftler und Student im dritten Semester der Sozialen Arbeit.
2017 begann Moritz, sich ehrenamtlich für die Seemannsmission Kiel einzusetzen, nachdem er mit seiner Frau von Berlin nach Kiel zog. Nach einem Beratungsgespräch im Ehrenamtsbüro „Nette Kieler“, traf er sich mit Diakonin Stefanie Zernikow, die für die Heime der Mission verantwortlich ist. „Ich wollte etwas Sinnvolles tun und mit kleinen Gesten helfen, die für andere aber ganz groß sind.“
Mit der Berufsgruppe der Seeleute habe man ansonsten wenig Berührungspunkte, sagt der 33-Jährige. Es sei spannend, neue Menschen kennenzulernen und mehr über die Verhältnisse an Bord eines Schiffes zu erfahren. Momentan hat der Vater einer kleinen Tochter weniger Zeit für sein Ehrenamt in der Seafarer’s Lounge, doch er wird der Seemannsmission auch in Zukunft wieder helfen. „Ein Ehrenamt ist eine schöne Beschäftigung, mit der man viel bewirkt“, findet er.
Marie stimmt Moritz zu, denn über den Vormundschaftsverein lifeline gibt sie einem Jungen aus Afghanistan seit eineinhalb Jahren auch noch ehrenamtlich Nachhilfe in Mathematik. „Er macht gerade sein Abitur an einem Kieler Gymnasium. Ich unterstütze ihn dabei.“
Mit Moritz und Marie arbeiten über 30 Ehrenamtliche sowie nebenberuflich tätige Männer und Frauen bei der Seemannsmission. Neues Engagement ist trotzdem immer gerne gesehen. Wer Lust hat, die Gruppe zu unterstützen, meldet sich unter dsm-kiel(at)seemannsmission.org
Julia Königs