Mein Abschied von meinen Freund*innen und meiner Familie rückt näher, denn Mitte August geht es für mich in meine Wahlheimat für mindestens ein Jahr: Schweden. Der Master, für den ich mich in Örebro eingeschrieben habe, dauert zwei Semester - ob es mich danach wieder zurück in die Heimat zieht oder ich noch ein wenig länger in Schweden bleiben werde, habe ich noch nicht entschieden.
Nachdem ich meine Zusage erhalten und die ersten Euphoriemomente ausgesessen hatte, galt es, meinen Umzug und meinen neuen Lebensabschnitt zu planen. Da Schweden Mitglied der Europäischen Union ist, ist der Umzug glücklicherweise nicht allzu kompliziert. Ein Dach über meinem Kopf brauche ich trotzdem. Und da Masterstudierende aus dem innereuropäischen Ausland seit Anfang des Jahres nicht mehr in den universitären Wohnheimen untergebracht werden, musste ich mich privat umschauen. Fündig geworden bin ich auf blocket.se, dem schwedischen Äquivalent zu Ebay Kleinanzeigen. Dort findet ihr verhältnismäßig günstige Angebote von Privatpersonen, die entweder ein Zimmer untervermieten oder eine ganze Wohnung anbieten. In den meisten Studierendenstädten ist die Auswahl groß, schließlich bin ich eine von zahlreichen Studierenden, die eine Unterkunft suchen und die Nachfrage bestimmt ja bekanntlich das Angebot. Oder so ähnlich.
Auf meiner To-Do-Liste stand außerdem eine Studienfinanzierung, denn ich möchte mich zu 100 Prozent auf mein Studium konzentrieren können. Die wohl bekannteste Option, das Auslandsstudium zu finanzieren, ist das Auslands-Bafög. Ich habe mich für einen Studien-Kredit entschieden. Da kann ich die Auszahlungshöhe bis zu einer bestimmten Summe selbst bestimmen und jederzeit anpassen kann. Mit meinem Eintritt in das Berufsleben nach dem Master beginnt die Rückzahlungsphase. Und die Raten werden abhängig von meinem Brutto-Einstiegsgehalt berechnet. Für mich ist das der erste Kredit, den ich je aufgenommen habe und zunächst hatte ich doch etwas Bauchschmerzen. Für mich waren Kredite stets negativ konnotiert - will ich wirklich einem Bankinstitut Geld schuldig sein? Nach Rücksprache mit meinem Umfeld habe ich dann aber doch beschlossen, dass eine Investition in meine akademische Laufbahn total vertretbar ist.
2020 habe ich bereits ein Auslandssemester in Jönköping absolviert, welches ungefähr drei Auto-Stunden südlich von Örebro liegt. Daher kenne ich das Land und seine Eigenschaften ein wenig - zumindest kann ich einen vernichtenden Kulturschock ausschließen. Das reicht mir völlig aus. Sicher werde ich einige Zeit brauchen, um mich einzuleben, aber da bin ich schließlich in bester Gesellschaft, denn Universitäten wimmeln nur so von Menschen, die für ihr Studium ihren Heimatort verlassen haben. Der Kontakt zu anderen Studierenden aus verschiedenen Ländern vereint in einer ähnlichen Situation hat mir schon in Jönköping ein gutes Gefühl vermittelt, auch an den Tagen, an denen ich mich am liebsten zurück nach Norddeutschland gebeamt hätte.
Heimweh lässt sich nicht ausschließen, und Ungewissheit lässt sich nicht wegplanen. Und ehrlicherweise zieht es jetzt schon in der Magengegend, wenn ich an meine Abreise denke. Manchmal hinterfrage ich sogar mein gesamtes Vorhaben. Wieso mache ich nicht einfach einen Master in Deutschland? Was mir dann hilft, ist die Rückbesinnung an den Anfang des Jahres: Den Gedanken, keinen Studienplatz zu bekommen, hatte ich damals kaum ertragen - zu sehr wollte ich zurück nach Schweden. Außerdem war ich schon immer Opfer meiner Impulsivität: Wenn ich einen Gedanken für eine gute Idee halte, dann möchte ich diesen unbedingt umsetzen. Ansonsten laufe ich Gefahr, ihn nicht wieder loszuwerden. Und Reue, irgendetwas nicht ausprobiert zu haben, möchte ich ungern als Untermieterin in meinem Kopf haben. Solltet ihr ähnliche Ideen in eurem Kopf haben, dann wendet euch an das International Office. Die Mitarbeitenden beraten euch gerne in Sachen Auslandssemester und ihr müsst nicht alles von alleine planen.
Am 15. August geht es für mich gen Norden, mit dem Nachtzug zunächst von Hamburg nach Stockholm, dann zwei Stunden westwärts nach Örebro. Bis dahin werde ich sicherlich noch einige Male zweifeln, am Ende gehe ich trotzdem.