Es ist wirklich fertig! Endlich halte ich das Bunkerbuch in den Händen. Eineinhalb Jahre Arbeit auf den Punkt. Die dicke raue Pappe erinnert mich an die grauen Betonwände des Bunker-D. Doch so grau und karg dessen Wände auch sein mögen, das Leben, das seit 2006 im Bunker pulsiert, ist bunt und vielfältig. Wie lässt sich das, was der Bunker an Facettenreichtum in sich vereint, also in einem einzigen Buch zusammenbringen?
Nach der Vorstellung von Klaus-Michael Heinze, dem Kanzler der Fachhochschule Kiel, sollte das Bunkerbuch in einer besonderen Form und Ausprägung entstehen. Die bunten, lose zusammengehaltenen Blätter enthalten Erinnerungen, Impressionen und Anekdoten zu den einzelnen bunten Persönlichkeiten und Ausstellungen der letzten neun Jahre. „Durch die verschiedenen Papiere und Formate im Inneren des Buches soll eine Brücke zum besonderen und abwechslungsreichen Innenleben des Bunker-D geschlagen werden“, erklärt Heinze die Vision.
Wir machen ein Buch – echt jetzt?
„Seit dem Projektstart des Bunker-D im Jahr 2006 existierte bereits eine vage Idee für ein Bunkerbuch“, erinnert sich Heinze. Richtig konkret wurde diese allerdings erst im Sommer 2014. Zu diesem Zeitpunkt holte der FH-Kanzler den russischen Maler und Buchkünstler Vladimir Sitnikov mit ins Boot. „Ich kenne und liebe seine Bücher“, schwärmt Heinze, „und da wir uns freundschaftlich verbunden sind, lag es nahe, ihm von der Idee zu erzählen.“ Von der Buchidee ganz begeistert, arbeitete Sitnikov daraufhin nächtelang durch und entwickelte die Idee weiter. So entstanden bereits die ersten Entwürfe – jedoch noch ganz ohne Inhalt.
Richtig in Fahrt kam das Projekt dann über die Weihnachtsfeiertage. Während dieser eigentlich ruhigen und besinnlichen Zeit tüftelte Heinze weiter an der Idee und stieß auf die erste Hürde – wo bekommen wir den Inhalt her? Denn dafür war sowohl ein journalistischer als auch ein kunstwissenschaftlicher Hintergrund nötig. Das gelang schließlich durch einen Spagat zwischen dem Kanzler und dem CampusKunst-Team, das für die Webseite bereits seit einem Jahr Ausstellungstexte verfasst sowie Bilder, Videos und andere Informationsquellen zusammengetragen hatte. Heinze kam zu der Erkenntnis, dass, aufbauend auf dieser Basis, nur er die finalen Texte formulieren könnte, die dadurch eine ganz persönliche Note erhielten.
Die zweite Hürde ergab sich dann bei der Layoutgestaltung in der Zusammenführung von künstlerischer Vorstellung und technischen Möglichkeiten. Denn Sitnikov betrachtete jede einzelne Seite wie ein eigenes Gemälde aus Text, Bild und Zwischenraum. In enger Zusammenarbeit mit der Layouterin Kristiina Thiel konnte dann aber das Layout erarbeitet werden. Zeitgleich einigte man sich auch auf eine Druckerei, die den Auftrag für das Bunkerbuch übernehmen sollte und wollte. Die Druckerei Neue Nieswand druckt einerseits seit mehreren Jahren das Campusmagazin „viel.“ und etabliert sich andererseits immer mehr als Anlaufstelle für exklusive und außergewöhnliche Buchprojekte.
Seite für Seite, Ausstellung für Ausstellung entstand auf dem Bildschirm das Buch. Die Texte liefen durch fünf Lektorate, die Fotos wurden sorgfältig ausgewählt. Schließlich war das Buch fertig – jedoch nur am Computer. Die wirkliche Arbeit in der Druckerei beginnt erst jetzt.
Die Geschäftsführerin von nn Druck, Angelika Masuth, baute aus den Vorstellungen des Buchkünstlers und dem vorläufigen Layout direkt einen Dummy. Denn parallel zur Inhaltserschließung und dem Layouten mussten die Materialien und Papiere ausgesucht werden. Die Idee entwickelte sich weiter und weiter, bis all die für den Zusammenbau des Buchs benötigten Materialien feststanden: fünf verschiedene Papierarten, dazu Transparentpapier und dicke Pappen, Sprühkleber und Leinenband für die Bindung und speziell ausgewählte Buchschrauben.
Wir machen ein Buch – echt jetzt!
Bevor das richtige Handwerk losgehen kann, werden in der Druckvorstufe die letzten Handgriffe getätigt. Die RGB-Werte der Bilddaten müssen in CMYK-Werte transformiert werden, um sie später in der Offset-Maschine drucken zu können. Dort wird nämlich jede der vier Farben Cyan, Magenta, Yellow und Karbon (steht für Black) einzeln und nacheinander auf das Papier gebracht. Auch das Zielprofil muss exakt gesetzt werden, denn dieses beschreibt, ob man auf Naturpapier oder gestrichenem Papier druckt – was zwei völlig unterschiedliche Druckbedingungen darstellt. Beachtet man das Material nicht, treten beim Druck Probleme mit der Flächendeckung auf: Das Papier kann durch Trocknen und Rückbefeuchten schrumpfen oder wachsen und auch die Farbwiedergabe wäre unkorrekt.
Nun folgt das „Ausschießen“, bei dem eine spezielle Software die einzelnen Seiten auf dem Papierbogen so anordnet, dass sie nach dem mehrfachen Falzen in der richtigen Reihenfolge im Buch wieder auftauchen. Die ausgeschossenen Bögen werden mit dem CTP-Verfahren (Computer to Plate) auf Aluminiumplatten belichtet. Dabei werden pro Bogen vier Auszüge in den Farben Cyan, Magenta, Yellow und Black belichtet. Für das Bunkerbuch wurden insgesamt 80 Platten hergestellt – diese ergeben sich aus zehn doppelseitig bedruckten Bögen in jeweils vier Farbauszügen.
Mit den belichteten Platten geht es dann endlich ans Drucken. In etlichen einzelnen Arbeitsschritten werden die einzelnen Parts des Bunkerbuchs hergestellt.
Ankunft in der Druckerei Neue Nieswand. Hier entsteht das Bunkerbuch – zum Großteil in Handarbeit!
Das Cover
Das Cover wird gedruckt! Die Farbe muss unbedingt stimmen und wird sorgfältig überprüft. Bei dem hellen und dunklen Grau handelt es sich um Sonderfarben (HKS 95 und HKS 97). Diese lassen sich nur durch eigens angemischte Sonderfarben wiedergeben – oder annähernd durch vorgegebene Mischungsverhältnisse der Druckfarben Cyan, Magenta, Yellow und Black.
Mit einem Farbmessgerät wird sichergestellt, dass die gedruckte Farbe auch wirklich der in der Druckvorstufe definierten Farbe entspricht.
So lässt sich das Bunkerbuch später aufklappen, ohne dass der Buchrücken oder die Prägung beschädigt wird.
Die Farbe stimmt und wird handschriftlich abgesegnet. Jetzt kann der Druck der ca. 400 Cover endlich losgehen, denn obwohl die Auflage auf 300 Stück limitiert ist, wird mehr gedruckt, falls einzelne Exemplare während der Produktion beschädigt werden.
Damit das Cover von innen nicht weiß bleibt, wird es erneut mit in HKS 97 bedrucktem Papier überklebt. Hier ist Genauigkeit und Teamarbeit gefragt!
Die Farbrollen müssen sorgfältig überprüft und gereinigt werden, damit die Farbe auch deckend auf das Papier aufgetragen werden kann.
Anschließend wird das überschüssige Papier entlang der Schnittmarken abgetrennt und das Cover so auf sein richtiges und endgültiges Format gebracht.
Verunreinigungen wie Fussel auf der Rolle hinterlassen ansonsten nämlich weiße Flecken auf dem gedruckten Produkt.
Für die dicke Pappe der Rückseite sind erneut zwei Stationen notwendig. Zuerst wird die Pappe mit Sprühkleber versehen und danach mit ruhiger Hand auf das Cover geklebt – wieder haargenau, wieder im Team, wieder 300 mal.
Im Anschluss erhält jeder fertige Coverbogen eine Prägung, die sich später auf dem Buchrücken ertasten lässt. Das Metallrelief wurde eigens für das Bunkerbuch angefertigt.
Der Inhalt
Jedes einzelne Cover wird mit Sprühkleber präpariert und anschließend auf eine Trägerpappe geklebt, die zwischen den bedruckten Seiten für die Stabilität des Deckels sorgt. Außerdem wird durch die dicke 750er Pappe eine Parallele zu den Bunkermauern geschaffen.
Auf einen Bogen Transparentpapier werden jeweils vier der kleineren Transparentseiten gedruckt.
Hier werden die fertig verstärkten Coverbögen wieder zerschnitten. Jeweils in 3 Stücke – Deckel, Buchrücken und Rückseite. 2 Schnitte, 300 mal.
Über jeden Schritt wird Rücksprache gehalten und die Resultate gemeinsam begutachtet und diskutiert.
An der nächsten Station werden 300 mal die 3 zerschnittenen Einzelstücke wieder exakt zusammengelegt,...
4200 Transparentbögen gehen 300 mal durch 2 Hände, da sie vor dem Schneiden sortiert werden müssen, damit im fertigen Buch später die Reihenfolge stimmt.
... nur um sie dann mit einem dicken, schwarzen Buchbindeband aus Leinen wieder zusammen zu kleben.
Die belichteten Platten für die „normalen“ Inhaltsseiten werden ebenfalls einzeln und per Hand in die Offset- Druckmaschine eingespannt. 80 mal – denn es gibt 10 doppelseitige Bögen und pro Bogen vier belichtete Aluminiumplatten in Cyan, Magenta, Yellow und Black.
Die Druckplatten sind mit wasserabweisenden und wasserfreundlichen Beschichtungen versehen. Dort, wo die Bild- und Textdaten belichtet sind, ist sie wasserabweisend, sodass die Farbe nur dort angenommen wird, bevor sie auf die Farbwalze und von dort aus auf das Papier gelangt.
Auf jedem Bogen sind 16 der späteren Buchseiten angeordnet. Die Offset-Maschine bedruckt diese zunächst nur einseitig.
Daher werden die Bögen im nächsten Schritt gewendet, um sie anschließend im Offset von der anderen Seite bedrucken zu können. Dieses Verfahren nennt sich Schön- und Widerdruck.
Bogen für Bogen wird hier angesaugt und erneut durch den Offset-Druck geschickt, in dem dann nacheinander die Farben Cyan, Magenta, Yellow und Black aufgetragen werden.
Auch hier wird wieder sorgfältig die Farbrichtigkeit und der Farbauftrag überprüft.
Die fertigen Bögen werden in einem sogenannten „Falzaggregat“ gefalzt. Jeder Bogen enthält 16 Buchseiten, sodass nach viermaligem Falzen ein sechzehnseitiges Rohprodukt entsteht. 10 Bögen ergeben 10 Stapel à 16 Seiten, die alle einzeln zusammengetragen werden müssen.
Damit keine Fettflecken auf die Seiten gelangen, werden Handschuhe getragen. Denn wenn das fertige Buch in den Karton kommt, muss es perfekt sein. Zum Gebrauchsgegenstand darf es erst beim Kunden werden.
In jeden losen Buchblock werden dann per Hand die Transparentseiten einsortiert. Bleibt am Ende ein Transparent übrig oder ist zu wenig, ist beim Einsortieren ein Fehler unterlaufen und das rohe Buch kommt direkt an die Seite.
Das gesamte Team von nn Druck hilft bei der Produktion. Prozesse wie das Zusammentragen und Einsortieren optimieren sich oft erst während der Durchführung. Vieles ist „Learning by Doing“.
Das Buch
Anschließend wandert jeder einzelne Buchblock in die Bohrstation. Hier werden die Löcher gebohrt, die für die Schraubenbindung benötigt werden. Das Bohren ist eine heikle Angelegenheit – unterläuft hier ein Fehler, wird die ganze vorangegangene Arbeit zunichte gemacht.
Fast geschafft! Im finalen Schritt werden der fertige Einband und der Inhalt durch eine besondere Schraubenbindung miteinander verbunden.
Ein letzter prüfender Blick – sind die Seiten auch wirklich bündig? Stimmt die Position der Bohrung, damit das Cover direkt anliegt?
Dann der große Augenblick! Das erste Exemplar ist wirklich fertig und wird stolz an Klaus-Michael Heinze und Vladimir Sitnikov übergeben.
Stolz – und auch ein wenig erleichtert – wird das allererste Bunkerbuch begutachtet. Das Ergebnis von 1,5 Jahren Arbeit kann sich wirklich sehen lassen.