Ein Mann© C. Pe­scha

Künst­ler im Ge­spräch: Einar Tur­kow­ski über „Ne­ben­schau­plät­ze“

von Jes­si­ca Sarah Schulz

Sie sind zum ers­ten Mal im Bun­ker-D zu Gast. Was reizt Sie daran, Ihre Werke in dem „grau­en Klotz“ aus­zu­stel­len?

Als Klaus Hein­ze mir anbot, im Bun­ker-D aus­zu­stel­len war ich gleich an­ge­tan, weil es für mich immer schön ist, hier und dort auch ein­mal eine Aus­stel­lung in be­kann­ten Ge­fil­den zu ma­chen. Zu Bun­kern habe ich der­weil ein etwas ge­spal­te­nes Ver­hält­nis. Die eine Seite in mir ver­bin­det damit den Ge­dan­ken an eine schreck­li­che und kaum vor­stell­ba­re Ver­gan­gen­heit, die an­de­re wie­der­um ist fas­zi­niert von heut­zu­ta­ge fremd­ar­tig Wir­ken­dem. Und da ich viel an dä­ni­schen oder fran­zö­si­schen Küs­ten un­ter­wegs bin, sind mir diese Bau­wer­ke als land­schaft­li­che Nar­ben durch­aus be­kannt.

Da viele mei­ner Ar­bei­ten mo­no­chrom bzw. schwarz­weiß sind, be­schäf­ti­ge ich mich viel mit allen nur er­denk­li­chen Kon­tras­ten, um der ein­far­bi­gen Zeich­nung Span­nung zu ver­lei­hen und In­ter­es­se bei der Be­trach­te­rin oder dem Be­rach­ter her­vor­zu­ru­fen. Die Idee, meine fi­li­gra­nen, de­tail­vol­len und er­zäh­le­ri­schen Bil­der auf einer den Bun­ker­wän­den in­ne­woh­nen­den ab­wei­sen­den Grob­heit zu prä­sen­tie­ren, be­inhal­tet für sich schon eine kon­trast­rei­che Ver­bin­dung, ein klei­nes Wag­nis, das mich reizt. Trotz­dem gibt es die Ver­bin­dung des Re­du­zier­ten und Ein­fa­chen. Ich bin ge­spannt, was das für einen Ef­fekt haben wird. Ich kann aber nicht sagen, dass das der Grund für meine Zu­sa­ge war. Hier­für spie­len meist ver­schie­de­ne Dinge eine Rolle.

Sie haben Il­lus­tra­ti­on stu­diert, Sie ge­stal­ten und ver­öf­fent­li­chen Bü­cher – Was fas­zi­niert Sie am Me­di­um Buch?

Von Kind an hat es mich ge­reizt durch und mit Bil­dern Ge­schich­ten zu er­zäh­len. Von An­fang an moch­te ich das se­ri­el­le Ar­bei­ten und die Ver­bin­dung von Text und Bild. Il­lus­tra­tio­nen haben zu­meist eine stark er­zäh­le­ri­sche Kom­po­nen­te, sind für sich ge­nom­men aber stets auch ei­gen­stän­dig. Sie fol­gen dem Text und soll­ten den­noch ihre ei­ge­ne Ge­schich­te er­zäh­len. Sie wol­len in eine un­be­kann­te Welt ent­füh­ren und soll­ten die / den Be­trach­ter*in doch auch seine/ihre ei­ge­ne Fan­ta­sie las­sen. In einer Il­lus­tra­ti­on kann ich Sze­nen er­schaf­fen, die es so zuvor noch nicht gab. Meine Bil­der haben etwas Ci­ne­as­ti­sches. Ein kur­zer Mo­ment einer Hand­lung wird so fest­ge­hal­ten, dass er wie ein Au­gen­blick wirkt, in dem die Be­trach­ter*in ein Teil des Gan­zen wird, weil er/sie sich fra­gen wird, was zuvor ge­schah oder was noch pas­sie­ren wird. Er/sie wird nicht um­hin­kom­men, sich Fra­gen zu stel­len und Ant­wor­ten zu fin­den. Das Bild funk­tio­niert damit so­zu­sa­gen als Motor für die Fan­ta­sie der Be­trach­te­rIn und ist bes­ten­falls in der Lage, ei­ge­ne Ge­schich­ten zu kre­ieren; Ne­ben­schau­plät­ze.

Und das alles pas­siert le­dig­lich, indem ein Buch auf­ge­schla­gen wird, etwas durch­weg Ein­fa­ches wie Prak­ti­sches, etwas Re­du­zier­tes und doch un­end­lich Viel­schich­ti­ges. Ein Buch ist eben ein Buch. Und es wird immer ein sol­ches blei­ben.

Wel­che The­men be­schäf­ti­gen Sie in Ihrer Kunst?

Ich mag Ge­schich­ten, die sich an der Gren­ze zwi­schen Rea­li­tät und Fik­ti­on be­we­gen. Ich mag die Mög­lich­keit, klei­ne Wun­der ent­ste­hen zu las­sen. Ich mag die Magie des Fein­sin­ni­gen, aber auch Fins­te­res und Hu­mor­vol­les, Schö­nes und Un­heim­li­ches. Sind es manch­mal Weis­hei­ten oder Fra­gen, die mich be­schäf­ti­gen, re­flek­tie­re ich mich in man­chen Ge­schich­ten auch selbst. Gerne spie­len auch Dinge eine Rolle, die sich mit Be­trach­tungs­wei­sen bzw. dem ge­nau­en Hin­se­hen be­schäf­ti­gen. Es geht darum, Dinge im Ver­bor­ge­nen zu ent­de­cken, Dinge, die schein­bar un­wich­tig sind. Ich ver­su­che den/die Leser*in dabei stets zu in­te­grie­ren und ihm/ihr Mög­lich­kei­ten auf­zu­zei­gen. Ich lade zu Ent­de­ckungs­rei­sen ein. Ich ver­su­che, eher durch ein Hän­de­rei­chen, den/die Be­trach­ter*in mit ins Ge­sche­hen zu neh­men, um ihn/sie hier und da auf Dinge auf­merk­sam wer­den zu las­sen.

Der Titel der Aus­stel­lung lau­tet „Ne­ben­schau­plät­ze“ – Warum sind für Sie die Hand­lungs­or­te ab­seits des Ge­sche­hens span­nend?

Die Frage ist doch eher, was ge­sche­hen ist. Ge­sche­hen ist über­all und gleich­zei­tig. Die Frage ist also, wor­auf wir unser Au­gen­merk legen. Die Frage ist, was uns in­ter­es­siert. Die Frage ist, ob leise nicht eben­so in­ter­es­sant ist wie laut. Die Frage ist, ob die Hand­lung nicht eben­so de­fi­niert wird durch das, was nicht oder da­ne­ben pas­siert, davor oder da­hin­ter.

Was er­war­tet die Be­su­cher und Be­su­che­rin­nen Ihrer Aus­stel­lung im Bun­ker-D?

Es kommt ja immer dar­auf an, was der/die Be­trach­ter*in von sich aus mit­bringt. Ist er/sie be­reit, Zeit für eine aus­gie­bi­ge Be­trach­tung zu in­ves­tie­ren und seine Ge­dan­ken spie­len zu las­sen? In die­sem Fall wird er/sie mit einem Kopf vol­ler (ei­ge­ner) Ge­schich­ten aus der Aus­stel­lung her­aus­kom­men. Ich hoffe, dass er/sie sich, viel­leicht auch zu­sam­men mit mir, auf eine Ent­de­ckungs­rei­se be­gibt, auf der jedes De­tail zu ihm/ihr spre­chen wird.

Kon­kret wer­den neben ei­ni­gen noch nicht ge­zeig­ten und ganz neuen Bil­dern zahl­rei­che Ori­gi­nal-Il­lus­tra­tio­nen aus den zu­letzt ver­öf­fent­lich­ten Bü­chern sowie ei­ni­ge groß­for­ma­ti­ge freie Ar­bei­ten zu sehen sein, die eine Brü­cke zwi­schen Il­lus­tra­ti­on und Frei­er Kunst bil­den.

Die Aus­stel­lung „Ne­ben­schau­plät­ze“ wird am 20.06.19 um 18:00 Uhr er­öff­net und kann bis zum 15.07.19 jeden Mitt­woch wäh­rend der üb­li­chen Öff­nungs­zei­ten des Bun­ker-D be­sich­tigt wer­den. Der Ein­tritt zu Ver­nis­sa­ge und Aus­stel­lung ist frei.

© Fach­hoch­schu­le Kiel