Als Hochschule für Angewandte Wissenschaften hat die FH Kiel das Ziel, ihre Studierenden bestmöglich auf ihre beruflichen Tätigkeiten vorzubereiten. Damit dies künftig noch besser gelingen kann, kooperiert der Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit nun mit dem Institut für Inklusive Bildung.
„Wir bereiten unsere Studierenden auf Tätigkeiten vor, die auch die Umsetzung von Inklusion – beispielsweise im Hinblick auf Kinder und Familien mit Behinderungen – vorsieht. Allerdings verfügen nur die wenigsten Studierenden über eigene Behinderungserfahrungen. Ebenso hatten nur wenige im Rahmen ihrer Biografie Kontakt zu Menschen mit Behinderungserfahrungen“, erklärt Prof. Dr. Sebastian Möller-Dreischer vom Fachbereich die Ausgangslage.
Um Studierenden mehr Einblick in die Arbeit mit Kindern und Familien mit Behinderungen zu geben, bereichern nun sogenannte qualifizierte Bildungsfachkräfte vom Institut für Inklusive Bildung das Curriculum. Diese Bildungsfachkräfte sind Expert*innen in eigener Sache: Als Menschen mit Behinderungserfahrungen können sie aus erster Hand vermitteln, welche Auswirkungen das zugeschriebene Merkmal Behinderung für die Bildungsfachkräfte hatte. Die Idee dahinter ist, die Studierenden zu sensibilisieren, worauf es im Umgang mit Kindern und Familien mit Behinderungen ankommen kann. Entscheidend ist, eine Perspektive zu entwickeln, in der alle Kinder gemeinsam beispielsweise Kindertageseinrichtungen besuchen, eine Erfahrung, die den Bildungsfachkräften verwehrt wurde, da sie vielfach in Sondereinrichtungen aufgenommen wurden.
Eine erste Zusammenarbeit fand am 1. Dezember 2021 im Rahmen der Lehrveranstaltung ‚Inklusion als Herausforderung an die Kindheitspädagogik‘ im Bachelor-Studiengang Erziehung und Bildung im Kindesalter (BAEB) statt. Der Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf biographischen Erfahrungen der Ausgrenzung im Bildungs- im Freizeitbereich, die Menschen mit Lernschwierigkeiten erfahren.
So schilderte Bildungsfachkraft Horst-Alexander Finke, wie er nach seinem Schulabschluss in Kiel aufgrund seiner Behinderung vom Berufsberater in ein Internat im Sauerland vermittelt wurde und über eine Tätigkeit in den Werkstätten der Kieler Stiftung Drachensee schließlich die Möglichkeit erhielt, sich mit dem Institut für Inklusive Bildung zur qualifizierten Bildungsfachkraft weiterzubilden. „Ich habe mich durch meine Tätigkeit zu einer eigenen Persönlichkeit entwickelt und habe durch kolossal an Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein dazugewonnen“, erzählt Finke den Studierenden. „Dieser Unterricht, die Möglichkeit meine Erfahrungen an Sie weiterzugeben, Ihre Fragen zu beantworten und mit Ihnen zu diskutieren, bereitet mir eine große Zufriedenheit. Wenn ich zurückblicke, ist diese Arbeit, die schönste Zeit meines Lebens.“
Das neue und innovative Angebot ist organisatorisch Teil des Aktionsplans ‚Inklusive Hochschule‘. Der Aktionsplan soll Inklusion und Diversität an der Hochschule fördern und sieht vor, Inklusion als einen festen Teil der Lehre an der Hochschule zu verankern. „Ich finde es großartig, dass durch engagierte Kolleg*innen, Angebote in der Lehre geschaffen werden, die sich ganz alltagsnah und praktisch mit dem Thema Inklusion beschäftigen. Und mit dem Institut für Inklusive Bildung haben wir einen tollen Kooperationspartner. Ich hoffe auf viele weitere gemeinsame Projekte“, freut sich die Diversitätsbeauftragte der Hochschule, Alexa Magsaam.
„Für mich ist das Institut für Inklusive Bildung eine großartige Einrichtung, weil es Menschen, denen meist der Weg auf den ersten Arbeitsmarkt versperrt ist, eine Perspektive bietet. Durch eine entfristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen wertvollen Beitrag leisten“, freut sich Möller-Dreischer. Dass das Institut auf einem guten Weg ist, zeigt für ihn dessen Geschichte: „Es handelt sich beim Institut für Inklusive Bildung um eine Kieler Errungenschaft, die mittlerweile an vielen Standorten im ganzen Land multipliziert wird.“
Eine Vision für Schleswig-Holstein hält das Institut zudem bereit: Gemeinsam mit der FH Kiel und anderen Kooperationspartner*innen gibt es erste Überlegungen und Bemühungen, für Menschen mit zugeschriebenen sogenannten ‚geistigen Behinderungen‘ eine Ausbildungsmöglichkeit zur Tätigkeit, beispielsweise in Kindertageseinrichtungen, zu ermöglichen. „Eine inklusive Kindertageseinrichtung kann sich nicht nur durch die gemeinsame Bildung und Erziehung von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen definieren, sondern sollte auch vielfältig auf der Ebene der Mitarbeitenden zusammengesetzt sein“, ist Sebastian Möller-Dreischer überzeugt.