Das Interesse am Segeln ist groß, doch nur wenige wollen sich an einen Verein binden. Auch die Segelgruppe an der Fachhochschule Kiel kämpft um Mitglieder. Vereinsvorsitzender Thorsten Althoff ist von dem Angebot der Segelgruppe und den Vorteilen einer Mitgliedschaft überzeugt.
Es klingt wie in einem Werbespot: Im Sommer mit Freunden und einem Kasten Bier zum Steg gehen, die Leinen lösen, Segel hissen, in einer lauschigen Bucht den Anker werfen und im Meer baden. Für Thorsten Althoff ist das kein Traum, sondern Wirklichkeit. Und das, obwohl er kein eigenes Segelboot besitzt, ja noch nicht einmal einen Segelschein gemacht hat. Aber Althoff ist Mitglied der Segelgruppe an der Fachhochschule Kiel. Und deswegen bieten sich ihm alle Möglichkeiten, einen perfekten Segeltag zu erleben.
„Das Besondere an unserem Verein ist, dass er über eigene Segelboote verfügt“, sagt Althoff. Nur wenige Vereine könnten das ihren Mitgliedern bieten. Die Boote seien in einem sehr guten Zustand und immer da, wenn er segeln möchte. Studierende zahlen dafür 150 Euro Vereinsbeitrag im Jahr, für Berufstätige sind es 180 Euro. „Natürlich gibt es Segelvereine mit niedrigeren Mitgliedsbeiträgen. Aber unser Angebot bietet durch unsere Segelboote ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis!“, so der 26-Jährige. „Außerdem haben wir direkten Zugang zu einem der schönsten Segelgebiete der Welt“, betont Vereinsmitglied Harald Jacobsen, Professor am Fachbereich Informatik und Elektrotechnik der Fachhochschule Kiel. Trotz dieser überzeugenden Argumente muss die FH-Segelgruppe um neue Mitglieder kämpfen: Seit mehreren Jahren schreibt der eingetragene Verein rote Zahlen. Fünf Jahre werde er sich so höchstens noch halten, schätzt Jacobsen.
Gegründet wurde die Segelgruppe 1950 von segelbegeisterten Studierenden und Lehrkräften der FH Kiel. Lange Zeit finanzierte sie sich über den von der FH organisierten Schrägen Funken, einst die größte Faschingsfeier Schleswig-Holsteins. Die Veranstaltung erzielte hohe Gewinne, von denen auch die Segelgruppe profitierte und ihre Boote anschaffen konnte. Doch 2003 wurde der Schräge Funken eingestellt. Damit brach ein Großteil der Einnahmen für den Segelverein weg. Seitdem fließen nur noch die Mitgliedsbeiträge in die Kasse. Um den Segelverein unter den Studierenden bekannter zu machen, bot Harald Jacobsen im Rahmen der Interdisziplinären Wochen einen Segelkurs an. Er hoffte, so auch andere an der FH von den großartigen Möglichkeiten des Segelns zu überzeugen und neue Mitglieder für den Verein zu gewinnen. Der Kurs stieß auf großes Interesse: „Die 20 Plätze waren schnell belegt, wahrscheinlich hätte ich auch 50 oder 100 Plätze voll bekommen.“ Auch das Feedback der Studierenden fiel erfreulich aus. Aber dem Verein beitreten wollte niemand von ihnen. Warum? „Ich weiß es nicht, für mich ist es wirklich paradox“, sagt Jacobsen. Der 36-Jährige überlegt deshalb, ob er zukünftig einen solchen Segelkurs mit der Verpflichtung zum Vereinseintritt kombiniert – so, wie es auch bei anderen Vereinen üblich ist.
Ähnlich wie den Studierenden heute, fiel es auch Thorsten Althoff nicht leicht, sich für das Engagement in der Segelgruppe zu entscheiden: „Ich hatte mit Vereinen nie viel zu tun und habe mir Vereinspflichten immer eher lästig vorgestellt.“ Althoff wurde 2008 auf die Segelgruppe aufmerksam, als er am Schnuppersegeln beim Camp 24/7 teilnahm. Direkt bei der Aufnahme in den Verein wurde der damalige Schiffbau-Student gefragt, ob er den Posten des zweiten Vorsitzenden einnehmen wolle, der gerade frei geworden war. Thorsten Althoff wollte – obwohl und gerade weil er kaum jemanden kannte. Denn durch seine Arbeit in der internen Organisation hoffte er, die Mitglieder und den Verein besser und schneller kennenzulernen. Seit zwei Jahren ist Althoff erster Vorsitzender der Segelgruppe und damit vor allem für die Außendarstellung des Vereins verantwortlich. Mittlerweile hat er viele Kontakte geknüpft und seinen Freundeskreis erweitert. Die Stimmung unter den Mitgliedern sei sehr gut, der Verein familiär, unkompliziert und basisdemokratisch. Das Freizeitvergnügen stehe im Vordergrund.
Der Verein hat rund 50 passive und ebenso viele aktive Mitglieder, die sich fünf Segelboote teilen, drei große und zwei kleine. Die „Trigon“ ist das größte Boot. Bei mehrtägigen Touren finden bis zu acht Personen Platz an Bord. Dann werde es aber auch schon sehr gemütlich unter Deck, also sehr eng und auch ein bisschen muffig, schmunzelt Althoff. „Man muss sich schon sehr gern haben und hat einfach wenig Privatsphäre, wie beim Camping.“
Wer nur eine Tagestour unternehmen oder für ein paar Stunden segeln möchte, fährt zum Hafen in Düsternbrook und segelt einfach los, wenn ein Boot frei ist. Natürlich müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Für die drei größeren motorisierten Boote benötigen Segelwillige den Sportbootführerschein See (SBF See) und den Sportküstenschifferschein (SKS), für die „Trigon“ zusätzlich einen Funkschein, da sich an Bord eine fest eingebaute Funkanlage befindet. Außerdem müssen alle zunächst eine vereinsinterne praktische Prüfung ablegen, in der sie ihre Segelfähigkeiten nachweisen müssen. „Die zwei kleinen Jollen dürfen selbst von völlig unerfahrenen Landratten gesegelt werden“, erzählt Althoff. Ein Praxistest muss jedoch auch hier sein, zur eigenen Sicherheit. Die Kurse und Prüfungen für die Segelscheine bietet der Verein nicht an. Dafür können die FH-Seglerinnen und -Segler sie vergünstigt beim Kieler Yachtclub (KYC) absolvieren. Althoff verfügt bisher nur über die vereinsinterne Jollenerlaubnis. Trotzdem ist er in den vier Jahren seiner Mitgliedschaft neben zahlreichen Tagesausflügen auch schon bei mehrtägigen Törns und einer Regatta mitgesegelt – und durfte dabei auch mal das Ruder übernehmen.
Bei Geschwader-Törns über Himmelfahrt und Pfingsten oder längeren Touren nach Dänemark, Schweden oder bis nach Norwegen kostet ein Segelboot pro Person und Tag neun Euro, Studierende zahlen nur sechs. Hinzu kommt ein bisschen Geld für die Tankkasse. Zusätzlich zum „Touren-Kostenbeitrag“ wird von den Mitgliedern eine Arbeitsleistung gefordert, die innerhalb von 15 bis 25 Stunden zu Saisonstart im April und Saisonende im Oktober abgeglichen werden kann. Dann müssen die Boote entweder auf die Segelsaison vorbereitet oder zum Überwintern auf einen Parkplatz in Schilksee gebracht werden. „Im Oktober haben wir alles, was nicht niet- und nagelfest ist, aus und von den Booten abgeschraubt“, erzählt Thorsten Althoff. Segel, Polster, Leinen, Fender, Bordelektronik wie GPS Gerät, Funkgerät oder Echolot und sogar die Batterien aus dem Motor liegen jetzt trocken und warm in einem Lagerraum der FH Kiel. In Schilksee überwintern nur noch Rumpfschale und Motor. Und wer von den Vereinsmitgliedern Lust dazu hat, trifft sich im Winter zu Gruppenabenden und Feiern oder nimmt an gemeinsamen Ausflügen, Bowling oder Pokerabenden teil. Oder plant die nächste Segeltour – so wie Harald Jacobsen: „Für mich ist Segeln mehr als ein Hobby, vielleicht schon eine Art Lebenseinstellung.“ Deswegen sucht er nicht nur nach weiteren Mitgliedern, sondern auch nach anderen Einnahmequellen, zum Beispiel Sponsoren oder öffentlichen Geldern.
Ein wichtiger Schritt für den Fortbestand des Vereins ist die Verlegung der Boote im Sommer 2014 vom West- ans Ostufer: Zukünftig sollen sie dann in der Schwentinemündung liegen, direkt vor der Mensa der Fachhochschule. Das ist nicht nur viel näher, sondern auch deutlich günstiger: Der Verein kann so rund 4.000 Euro Liegegebühren sparen, da die Liegeplätze der FH gehören. Trotz dieser Vorteile war es nicht leicht, alle Mitglieder vom Umzug zu überzeugen, da viele auf dem Kieler Westufer wohnen. Aber schließlich überwog die Erkenntnis, dass dieser Schritt notwendig ist. Sichert er doch – vorerst – den Erhalt des Vereins.