Hochbau© Pixa­bay

Kli­ma­neu­tra­ler Bauen: FH Kiel un­ter­sucht CO2-Ver­bräu­che und Mög­lich­kei­ten zur Re­du­zie­rung

von Ann-Chris­tin Wim­ber

Sa­nie­rungs­be­dürf­ti­ger Alt­be­stand sowie der Be­darf an neuen Woh­nun­gen las­sen die Bau­wirt­schaft in Schles­wig-Hol­stein boo­men. Ak­tu­el­len Pro­gno­sen zu­fol­ge wird in den kom­men­den Jah­ren vor­aus­sicht­lich zwei bis drei Mil­lio­nen Ku­bik­me­ter um­bau­ter Raum ent­ste­hen. Die­ser Bau­boom hat je­doch einen Nach­teil: Er ist schlecht für die CO2-Bi­lanz. Die kon­ven­tio­nel­le Mas­siv­bau­wei­se ver­braucht etwa 110 bis 140 Ki­lo­gramm des Gases je Ku­bik­me­ter. „Das ist viel“, be­tont Pro­fes­sor Dr. Ste­phan Görtz vom In­sti­tut für Bau­we­sen der FH Kiel, „vor allem, wenn man be­denkt, dass je Ku­bik­me­ter Neu­bau­vo­lu­men le­dig­lich rund 35 Ki­lo­gramm CO2 zur Ver­fü­gung ste­hen, wenn man das Deutsch­land zu­ste­hen­de Koh­len­di­oxid-Rest­bud­get von rund vier Gi­ga­ton­nen nicht über­schrei­ten will.“ Die­ses Rest­bud­get be­schreibt die ma­xi­mal bis 2050 ver­füg­ba­re Menge an CO2, die Deutsch­land zu­steht, wenn die glo­ba­le Er­wär­mung um 1,5 Grad Cel­si­us be­grenzt wer­den soll.

Beim Bau neuer Ge­bäu­de müss­te der Ver­brauch des Kli­ma­ga­ses also um min­des­tens 75 Pro­zent sin­ken. Die ver­stärk­te Nut­zung re­ge­ne­ra­ti­ver En­er­gi­en beim Bau ist ein wich­ti­ger Ein­fluss­fak­tor, wird aber nicht aus­rei­chen. Auch bau­tech­ni­sche Ver­än­de­run­gen sind er­for­der­lich. Wel­che das sein könn­ten, möch­te die For­schungs­grup­pe um Görtz her­aus­fin­den. Zu­nächst will sie die CO2-Ver­bräu­che beim Bau ty­pi­scher Hoch­bau­kon­struk­tio­nen er­mit­teln. So lie­ßen sich Bau­vor­ha­ben op­ti­ma­ler pla­nen. Am Ende sol­len kon­kre­te Vor­schlä­ge ste­hen, um den CO2-Be­darf bei Bau­maß­nah­men mög­lichst kos­ten­neu­tral um min­des­tens 30 Pro­zent zu sen­ken.

Stu­die­ren­de der FH Kiel haben in Vor­un­ter­su­chun­gen be­reits ei­ni­ge CO2-Trei­ber iden­ti­fi­ziert und erste Op­ti­mie­rungs­vor­schlä­ge skiz­ziert. „Al­lei­ne durch die Re­duk­ti­on des Be­ton­vo­lu­mens be­zie­hungs­wei­se dem darin ent­hal­te­nen Ze­ment kön­nen wir schon viel er­rei­chen“, er­läu­tert Dr.-Ing. Frau­ke Ger­der-Roh­kamm, Pro­fes­so­rin für Green Buil­ding, die eben­falls an dem Pro­jekt be­tei­ligt ist. „Eben­so muss der zu­künf­ti­ge Ein­satz der in Schles­wig-Hol­stein ty­pi­schen Klin­ker­fas­sa­den im Ein­zel­fall kri­tisch ana­ly­siert wer­den. Diese sind zwar sehr halt­bar, aber lei­der auch sehr CO2-in­ten­siv in der Her­stel­lung.“

Das Pro­jekt, zu des­sen Part­ner die Ge­bäu­de­ma­nage­ment Schles­wig-Hol­stein AöR (GMSH), das Pla­nungs­bü­ro bbp : ar­chi­tek­ten bdA, das In­ge­nieur­bü­ro TRE­BES sowie KER­SIG Im­mo­bi­li­en zäh­len, wird von der Ge­sell­schaft für En­er­gie und Kli­ma­schutz Schles­wig-Hol­stein (EKSH) mit 150.00 Euro ge­för­dert. „Für die Er­rei­chung der Kli­ma­zie­le stellt die so­ge­nann­te graue En­er­gie im Ge­bäu­de­sek­tor eine enor­me Her­aus­for­de­rung dar“, sagt EKSH-Pro­jekt­lei­ter Dr. Thies Ras­mus Popp und be­zieht sich damit auf die für Her­stel­lung, Trans­port, La­ge­rung, Ver­kauf und Ent­sor­gung be­nö­ti­ge En­er­gie. „Die­ser kön­nen wir uns jetzt an­neh­men. Zudem bie­tet das klare Pro­jekt­ziel der Re­duk­ti­on des CO2-Be­darfs von Hoch­bau­wer­ken auch die Chan­ce, den For­schungs­stand­ort Kiel im Bau­sek­tor noch stär­ker zu eta­blie­ren. Durch den ent­ste­hen­den Wis­sens­trans­fer zwi­schen Hoch­schu­le und Un­ter­neh­men las­sen sich die wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se so­fort prak­tisch um­set­zen“, be­tont Popp wei­ter.

Dass die Er­geb­nis­se in Zu­kunft auch um­ge­setzt wer­den, ga­ran­tiert die Zu­sam­men­ar­beit mit Part­nern aus der Wohn- und Bau­wirt­schaft. Die GMSH ist von der Wich­tig­keit des Pro­jekts über­zeugt. „Die Ent­wick­lung hin zu kli­ma­neu­tra­len Im­mo­bi­li­en von Bund und Land hat für uns als ver­ant­wort­li­che Stel­le für öf­fent­li­ches Bauen in Schles­wig-Hol­stein höchs­te Prio­ri­tät. Um die Ziele zu er­rei­chen, set­zen wir die Bau­stei­ne für nach­hal­ti­ges Bauen in mög­lichst vie­len kon­kre­ten Pro­jek­ten um und er­pro­ben damit, wie eine recht­lich, tech­no­lo­gisch und wirt­schaft­lich rea­lis­ti­sche Um­set­zung der Kli­ma­neu­tra­li­tät bis 2045 er­reicht wer­den kann“, sagt Frank Ei­soldt, GMSH-Ge­schäfts­füh­rer. Die Be­tei­li­gung an dem Pro­jekt stel­le einen wich­ti­gen Schritt in diese Rich­tung dar, die die GMSH ge­mein­sam mit den Stu­die­ren­den der FH Kiel gehe.

 

Bild­quel­le: Satya Prem/Pixa­bay

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