Eine Frau, Deborah Kaschube, steht vor einer „Sincotec Power Swingly“, ein resonanzerregter Prüfstand, um kleine Bauteile und Proben schwingend zu belasten, um ihre Betriebsfestigkeit zu testen.© Le­an­dra Free­se

Kie­ler Ver­bund­pro­jekt op­ti­miert 3D-Druck mit Titan

von Frau­ke Schä­fer

Das Me­tall Titan ist re­la­tiv leicht, ex­trem sta­bil und hält hohen Tem­pe­ra­tu­ren stand. Auf­grund sei­ner Ei­gen­schaf­ten wird es in der Luft-, Raum­fahrt und Schiff­fahrt­s­in­dus­trie eben­so ver­wen­det wie in der Me­di­zin­tech­nik. Um klei­ne Stück­zah­len oder kom­ple­xe Geo­me­tri­en wirt­schaft­lich zu pro­du­zie­ren, dru­cken Her­stel­ler mitt­ler­wei­le immer häu­fi­ger Titan-Bau­tei­le im 3D-Druck-Ver­fah­ren. Wie sich diese Bau­tei­le unter dy­na­mi­scher Be­an­spru­chung ver­hal­ten, ist bis­lang aber wenig er­forscht. Neue Er­kennt­nis­se lie­fert ein trans­dis­zi­pli­nä­res For­schungs­pro­jekt aus Kiel. Ge­mein­sam mit der Ele­ment 22 GmbH und der scud­dy GmbH & Co. KG. haben Wis­sen­schaft­ler*innen der FH Kiel die ad­di­ti­ve Fer­ti­gung von Ti­t­an­bau­tei­len ana­ly­siert und op­ti­miert. Das Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um des Lan­des Schles­wig-Hol­stein för­der­te das For­schungs­vor­ha­ben „FATiG“ mit rund einer hal­ben Mil­lio­nen Euro.

3D-Druck bie­tet die Mög­lich­keit, kom­ple­xe Bau­tei­le in klei­nen Stück­zah­len zu fer­ti­gen. Die­sen Vor­teil macht sich das Kie­ler Un­ter­neh­men scud­dy zu­nut­ze. Für seine Elek­trorol­ler druckt es seit Jah­ren aus­ge­wähl­te Bau­tei­le – meist aus Kunst­stoff, im Pro­to­ty­pen­be­reich auch aus Alu­mi­ni­um. Das For­schungs­pro­jekt „FATiG“ nut­zen die In­ge­nieu­re von scud­dy, um neue Ma­te­ria­li­en zu tes­ten. „Wir woll­ten her­aus­fin­den, ob wir das Ver­fah­ren lang­fris­tig auch für den 3D-Druck von Ti­t­an­bau­tei­len nut­zen kön­nen“, sagt Jörn Ja­co­bi, Mit­grün­der von scud­dy. Die Her­aus­for­de­rung: Bis­her gibt es nur we­ni­ge Er­kennt­nis­se dar­über, wie sich 3D-ge­druck­tes Titan unter dy­na­mi­scher Be­an­spru­chung ver­hält. Für die Be­las­tungs­tests ent­schied sich das Kie­ler Un­ter­neh­men für ein Zahn­rie­men­rad aus Titan. Die­ses Bau­teil treibt das Hin­ter­rad des Elek­trorol­lers an und ist stän­di­gen Er­schüt­te­run­gen und Schlä­gen aus­ge­setzt.

Den 3D-Druck des Zahn­rie­men­rads ver­ant­wor­te­te der zwei­te In­dus­trie­part­ner, die Ele­ment 22 GmbH. Für die Her­stel­lung des Zahn­rie­men­rads nutz­te Dr. Ing. Jo­han­nes G. Scha­per die „Cold Metal Fu­si­on“ Tech­no­lo­gie. Bei die­sem Ver­fah­ren trägt ein 3D-Dru­cker ein Ge­misch aus Me­tall­pul­ver und Bin­de­mit­tel in dün­nen Schich­ten auf. Ein Laser schmilzt das Bin­de­mit­tel und ver­leiht dem Me­tall­pul­ver erste Fes­tig­keit. Nach dem Druck­vor­gang kommt das noch brü­chi­ge Zahn­rie­men­rad in einen Sin­ter­ofen, in dem sich die Me­tall­par­ti­kel unter Hitze und Va­ku­um zu einer sta­bi­len Masse ver­bin­den. Auf das ge­mein­sa­me For­schungs­pro­jekt blickt das Un­ter­neh­men po­si­tiv zu­rück: „Wir konn­ten Cold Metal Fu­si­on bei uns im­ple­men­tie­ren und mitt­ler­wei­le un­se­re Kund­schaft mit Bau­tei­len aus die­ser Tech­no­lo­gie be­die­nen“, sagt Jo­han­nes Scha­per. Auch im Be­reich des Sin­terns eig­ne­te sich das Un­ter­neh­men neues Wis­sen an und kann jetzt neu­ar­ti­ge Bau­teil-Geo­me­tri­en an­bie­ten.

An der FH Kiel un­ter­zog De­bo­rah Ka­schu­be im Rah­men ihrer Pro­mo­ti­on die 3D-ge­druck­ten Bau­tei­le di­ver­sen Stress­tests, bis zum Bruch der ers­ten Spei­che. „In der Wis­sen­schaft kön­nen wir ein­zel­ne Bau­tei­le in­ten­siv und lange auf ihre Be­last­bar­keit prü­fen, aber für die In­dus­trie ist das wirt­schaft­lich na­tür­lich nicht sinn­voll. Sie be­nö­tigt ver­läss­li­che Be­rech­nungs­soft­ware, um ihre Pro­duk­te auf Herz und Nie­ren zu prü­fen und letzt­end­lich deren Le­bens­dau­er vor­her­sa­gen zu kön­nen“, er­klärt Ka­schu­be. Um dies zu er­mög­li­chen, führ­te die Pro­mo­ven­din ge­mein­sam mit Pro­jekt­lei­ter Prof. Dr. Be­rend Bohl­mann die Er­geb­nis­se der Be­las­tungs­tests und die hier­bei ge­sam­mel­ten Ma­te­ri­al­da­ten in einer selbst ent­wi­ckel­ten Soft­ware zu­sam­men. Kom­bi­niert mit einer „Fi­ni­te-Ele­men­te-Ana­ly­se“ für die Mo­del­lie­rung phy­si­ka­li­scher Phä­no­me­ne konn­te sie die Le­bens­dau­er des Bau­teils vor­her­sa­gen. Künf­tig ist es also mög­lich, rech­ne­risch die Le­bens­dau­er von Bau­tei­len zu be­stim­men, die mit­tels Cold Metal Fu­si­on her­ge­stellt wer­den.

 

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