FH-Student Fynn Kröger und sein Mitstreiter Paul Schulte (Uni Kiel) analysieren seit 2016 in ihrem YouTube-Kanal Ultralativ „YouTube, das Internet und den ganzen absurden Rest“ so intelligent und witzig, dass sie sich Hoffnungen auf den Grimme Online Award machen können. Für die Jury sind die Beiden jedenfalls „die Stimme der Vernunft im YouTube-Wahnsinn“. Morgen (19. Juni 2019) wird es ernst: Wenn die Preisverleihungsgala um 19.30 Uhr beginnt sitzen die Schulfreunde in Köln im Publikum. Aber heute hatte Fynn Kröger noch Zeit, Frauke Schäfer, der Pressesprecherin der FH Kiel, ein paar Fragen zu beantworten.
Was war Ihre ursprüngliche Motivation für den Kanal?
Wir waren frustriert, weil wir das Gefühl hatten, da ist etwas so offensichtliches, das eigentlich keiner Erklärung bedarf, dennoch aber die wenigsten wirklich verstehen. Clickbaiting, Manipulation der Zuschauer, fragwürdige Vermarktungs- und Verkaufsmethoden, aber niemand hat so darüber gesprochen, wie wir es gerne gesehen hätten. Also haben wir unseren Frust in Produktivität umgewandelt und sind selbst aktiv geworden.
Wie hat Ihr Kanal sich dann entwickelt?
In den ersten Monaten nach der Kanalgründung hatten wir maximal 2.000 Zuschauer, bis dann plötzlich die ersten namhaften YouTuber auf uns aufmerksam wurden und öffentlich darüber geredet haben, dass wir genau das sind, was sie sich gewünscht haben. Daraufhin vergrößerte sich unsere Zuschauerzahl natürlich enorm, innerhalb weniger Monate erreichten wir die 100.000 Abonnenten und knüpften viele Kontakte in die Szene.
Wie viel Zeit investieren Sie in die Arbeit?
Das Arbeitspensum ist unterschiedlich. Da ich aktuell sowohl die Videos schreibe, einspreche, animiere als auch hochlade, arbeite ich gerundet etwa acht bis 20 Stunden an einem Video. Das kann aber in beide Richtungen abweichen, manchmal ist man so im Schreibfluss, dass man es auch mal in der Hälfte der Zeit schafft, manchmal ist ein Thema ungeahnt komplex, so dass man auch mal eine ganze Woche dran sitzt.
Was war Ihr bislang erfolgreichstes Video?
Erfolgreich im Sinne von "hat die größten Wellen geschlagen", ist wahrscheinlich die Analyse der Biographie von Sänger und Teenie-Star Lukas Rieger. Offenbar war ich einer der wenigen Nicht-Fans, die dieses Buch gelesen haben, denn anderswo fand ich keine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung damit. Es stellte sich schnell heraus, dass dieses Buch eine Erfolgsstrategie als sinnvoll und moralisch einwandfrei vorstellt, die auf schamlos und ohne Reue gekaufte Likes, programmierte Bots, die den eigenen Videos möglichst viele Aufrufe bescheren sollen, und das Verständnis von sozialen Netzwerken als reine Marketinginstrumente setzt. Das habe ich wiedergegeben und kritisiert. Das hat für ziemlich viel Aufmerksamkeit auch innerhalb der Szene gesorgt. https://youtu.be/uiCa-rJL5BQ
Was sagen Sie zur Nominierung und wie schätzen Sie die Konkurrenz ein?
Wir sind wahnsinnig froh über die Nominierung, für uns ist das der eigentliche Preis! In der Konkurrenz gibt es sehr viele sehr gute Projekte, die sich für Gleichberechtigung, Bildung oder Digitalisierung von Wissen einsetzen. Der Pokal kann also gar nicht wirklich an die Falschen gehen.
Wie geht es weiter mit Studium und Kanal?
Der Kanal wird so lange weitergeführt, wie wir noch etwas zu sagen haben. Wir machen uns keine Illusionen, dass wir dieses Projekt bis an unser Lebensende weiterführen werden, und das ist den meisten Zuschauern sicherlich auch bewusst. Was danach kommt, wissen wir selbst noch nicht so genau. Für mich steht fest, dass die volle Selbstständigkeit ein wenig zu stressig ist, weswegen ich nach dem Studium wahrscheinlich eher in ein klassisches Angestelltenverhältnis in der Medienwelt wechseln werde.