Betreiber von Windanlagen und Schiffseigner könnten in Zukunft viel Geld für Wartungsarbeiten und Ersatzteile sparen. Denn bislang tauschen sie diese Komponenten auf Verdacht oder bei Erreichen ihrer vermuteten Lebensdauer aus. Im Interreg-Programm RELIABLES Offshore entwickeln die Fachhochschule (FH) Kiel, die Syddansk Universitet (SDU) und die Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH (FuE Zentrum FH Kiel) ein Structural Health Monitoring (SHM). Dieses soll auf Basis tatsächlicher Belastungen der Anlage eine zuverlässige Vorhersage über die Haltbarkeit eines Bauteils ermöglichen. SHM kann so helfen, die Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit dynamisch beanspruchter Konstruktionen wie Windanlagen oder Schiffen zu verbessern. Eine Auftaktveranstaltung für interessierte Unternehmen findet am 9. Juni in Kiel statt.
Im Rahmen des Projektes bauen die Projektpartner ein Testcenter für Betriebsfestigkeit in Kiel auf. Das Testcenter ist einmalig in der Interreg-Programmregion. Es soll regionale Unternehmen darin unterstützen, Probleme aus der Praxis mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, modernen Messmethoden zur Vibrationsanalyse, experimentellen Schwingfestigkeitsuntersuchungen und numerischen Berechnungsmethoden zu lösen. Die SDU bringt ihre Kompetenzen in der Vibrationsanalyse, die FH Kiel ihre Expertise im Bereich der Betriebsfestigkeit ein. Berechnungen zur Bauteilbelastung und -verformung nach der sogenannten Finite-Elemente-Methode (FEM) bieten beiden Hochschulen an.
Als Forschungsobjekt dient die Forschungsplattform FINO 3. Sie steht in der Nordsee etwa 70 km vor Sylt und wird vom FuE Zentrum FH Kiel betrieben.
Aktuell werden Berechnungen zur Betriebsfestigkeit dynamisch beanspruchter Anlagen in der Konstruktionsphase durchgeführt und auch abschließend beurteilt. Im laufenden Betrieb erfolgen in festgelegten Abständen Inspektionen, Reparaturen und mitunter auch der Austausch einzelner Bauteile. Diese Wartungsarbeiten fußen nicht auf Berechnungen zur bisher verbrauchten Lebensdauer einer Anlage oder seiner Komponenten. Schwer einzuschätzen sind insbesondere Anlagen und Komponenten, für die aufgrund innovativer Konstruktionen (z. B. schwimmende Offshore-Windenergie-Anlagen, OWEA, oder Spezialschiffe) oder ihres Einsatzgebietes (z. B. OWEA, Wohn-, Konverterplattformen in zunehmend größeren Wassertiefen) noch keine langjährigen Betriebserfahrungen vorliegen. Dementsprechend können Komplikationen auftreten. So kann z.B. der Ausfall einer OWEA aufgrund wetterbedingt verzögerter Reparaturmöglichkeiten zu einem monatelangen Totalausfall der Gesamtanlage führen.
Mithilfe eines Structural Health Monitoring kann die betriebsbedingte Materialermüdung einer Anlage berechnet werden. Auf dieser Basis können Prognosen zur Restlebensdauer der Konstruktion erstellt werden, die nicht mehr auf den statistischen Designmodellen basieren, sondern auf den tatsächlichen Belastungen. SHM ermöglicht nicht nur die Berechnung des optimalen Zeitpunkts für den Austausch wichtiger Komponenten, sondern darüber hinaus Prognosen zur Sicherheit, möglicher Umweltgefährdung und Wirtschaftlichkeit des Weiterbetriebs von Altanlagen.
Vertreter von Industrie und Verbänden begleiten das Projekt RELIABLES Offshore und tauschen sich regelmäßigen mit den Projektpartnern aus. So erhalten Firmen und Institutionen der Programmregion die Möglichkeit, ihre Wünsche und Anforderungen an ein Structural Health Monitoring zu formulieren. Das Projektdauer RELIABLES Offshore hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Bei Interesse an der Auftaktveranstaltung steht der Projektverantwortliche Prof. Dr. Berend Bohlmann unter der E-Mailadresse berend.bohlmann(at)fh-kiel.de als Ansprechpartner bereit.
veröffentlicht am 19.05.2017