Ein Mann© J. Kläschen

In­ter­view mit Prof. Dr. Luczak: Von der Hit­ze­wel­le zur En­er­gie­wen­de

von Len­nard Woro­bic

Die hei­ßen Tage im hohen Nor­den sind of­fen­bar vor­bei. Kiel und an­de­ren Ur­laubs­or­ten in Schles­wig-Hol­stein be­scher­te der Au­gust ein paar son­ni­ge Tage, die nicht nur Rei­sen­de aus ganz Deutsch­land nut­zen - auch die Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge der FH Kiel tank­te or­dent­lich Son­nen­strah­len. Ex­per­te für nach­hal­ti­ge En­er­gie­tech­no­lo­gi­en bzw. So­lar­ener­gie ist Prof. Dr. An­dre­as Luczak, der am Fach­be­reich In­for­ma­tik und Elek­tro­tech­nik lehrt. An­ge­sichts der ver­gan­ge­nen Hit­ze­wel­le sprach Len­nard Woro­bic aus der viel.-Re­dak­ti­on mit ihm über die PV-An­la­ge der FH Kiel, For­schungs­in­hal­te, sowie das Zu­kunfts­po­ten­zi­al sei­ner Bran­che.

Herr Luczak, die Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge der FH Kiel ging im Sep­tem­ber 2018 in Be­trieb. Wie kam es ei­gent­lich ur­sprüng­lich zu die­sem Pro­jekt?

Die PV-An­la­ge war schon ge­plant, als ich 2016 zur Hoch­schu­le kam. Hin­ter­grund war, dass das Ge­bäu­de 13 re­no­viert und um­ge­stal­tet wurde, mit einem bar­rie­re­frei­en Zu­gang und neuem Ein­gangs­be­reich. In die­sem Zuge wurde dann auch dis­ku­tiert, ob die FH eine PV-An­la­ge dort in­stal­lie­ren soll­te. Dabei ging es vor allem um die Au­ßen­wir­kung, was ein Grund dafür ist, dass es eine Fas­sa­den­an­la­ge wurde. So sieht man von wei­tem, dass wir an der FH mit er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en ar­bei­ten. Wenn man die An­la­ge auf dem Dach in­stal­liert hätte, wäre das zwar güns­ti­ger, aber man würde sie von der Stra­ße aus nicht sehen. Es ging also we­ni­ger um Wirt­schaft­lich­keit, als viel­mehr darum, auf das Thema er­neu­er­ba­re En­er­gi­en auf­merk­sam zu ma­chen. Par­al­lel zur PV-An­la­ge sind auch noch zwei klei­ne Wind­an­la­gen für das Dach ge­plant.  

Wür­den Sie sagen, dass es Ihnen bis­her ge­lun­gen ist, mit der PV-An­la­ge auf re­ge­ne­ra­ti­ve En­er­gi­en auf­merk­sam zu ma­chen? Gab es schon Re­ak­tio­nen?

Ja, mich haben schon öfter Stu­die­ren­de an­ge­spro­chen, spe­zi­ell aus dem Zweig Wirt­schafts­in­ge­nieur­we­sen mit Schwer­punkt re­ge­ne­ra­ti­ve En­er­gi­en. Es ist auch so, dass diese Ver­tie­fungs­rich­tung des Stu­di­en­gangs im letz­ten Jahr einen grö­ße­ren Zu­lauf be­kom­men hat. Wobei es schwer ist zu sagen, womit das genau zu be­grün­den ist. Dass die­ser Be­reich at­trak­ti­ver ge­wor­den, liegt denke ich auch an der all­ge­mei­nen öf­fent­li­chen Dis­kus­si­on über den Kli­ma­wan­del. Ob es di­rekt auf die PV-An­la­ge zu­rück­zu­füh­ren ist, lässt sich nicht ob­jek­tiv sagen.

In­wie­fern be­schäf­ti­gen sich die Stu­die­ren­den mit der An­la­ge?Wel­che For­schungs­pro­jek­te gab es bis­her und wel­che fol­gen viel­leicht noch?

Bis jetzt gab es zwei Pro­jek­te, die auf­ein­an­der auf­ge­baut haben, eines davon läuft ak­tu­ell noch. In bei­den Un­ter­su­chun­gen soll die Per­for­mance der An­la­ge ana­ly­siert wer­den. Es ist näm­lich gar nicht so leicht, her­aus­zu­fin­den, ob eine PV-An­la­ge gut oder schlecht funk­tio­niert, denn die Leis­tung ba­siert auf schwan­ken­der Strah­lung. Die Strah­lungs­leis­tung gilt es mit­hil­fe von Sen­so­ren aus­zu­wer­ten: Läuft die An­la­ge so, wie sie lau­fen soll oder nicht? Auch lang­fris­ti­ge Trends müs­sen be­ob­ach­tet wer­den: Fin­det eine Ver­schmut­zung statt oder wird ein Modul schwä­cher? Die Vor­aus­set­zung für die Per­for­man­ce­ana­ly­se schaf­fen die Stu­die­ren­den mit ihren Pro­jek­ten. Auf die­ser Basis soll auch ein Ver­such für das Re­ge­ne­ra­ti­ve En­er­gi­en Labor, Schwer­punkt So­lar­ener­gie, statt­fin­den. Dabei wer­den die ge­spei­cher­ten Strah­lungs­da­ten her­un­ter­ge­la­den und ana­ly­siert. Wir haben auch noch Wet­ter­da­ten vom GEO­MAR be­kom­men. Die Sta­ti­on ist zwar etwas wei­ter ent­fernt, aber so kön­nen wir un­ter­su­chen, wie gut sich ex­ter­ne Strah­lungs­da­ten ver­wen­den las­sen.

Lässt sich in Bezug auf die Leis­tung der PV-An­la­ge sagen, wie viele Räume in der FH ihr Licht dar­aus ge­win­nen?

Die Ein­spei­sung er­folgt in das Cam­pus­strom­netz in Ge­bäu­de 13, wel­ches wie­der­um auch im ge­sam­ten Cam­pus­strom­netz hängt. Des­we­gen kann man nicht ex­pli­zit sagen, was alles genau mit dem So­lar­strom be­trie­ben wird. Grund­sätz­lich kann man nur sagen, dass die durch­schnitt­li­che Leis­tung der PV-An­la­ge, über das ganze Jahr ge­rech­net, in­klu­si­ve Win­ter und Nacht, etwa ein Ki­lo­watt be­trägt. Der durch­schnitt­li­che Be­darf al­lei­ne für das Ge­bäu­de 13 be­trägt aber etwa 17 Ki­lo­watt. Wäh­rend des Se­mes­ters ist die­ser noch­mal höher, dann geht er viel­leicht sogar Rich­tung 30 Ki­lo­watt. In der vor­le­sungs­frei­en Zeit ist er na­tür­lich deut­lich nied­ri­ger. Dann sind es viel­leicht 5 oder 10 Ki­lo­watt – daran sieht man schon, dass die PV-An­la­ge Ge­bäu­de 13 bei wei­tem nicht ver­sor­gen kann. Das heißt nicht, dass man es des­we­gen nicht ma­chen soll­te, den­noch sieht man den Flä­chen­be­darf, wel­chen es braucht, um re­le­van­te En­er­gie­men­gen zu er­zeu­gen. Ein Pri­vat­haus­halt hat un­ge­fähr ein hal­bes Ki­lo­watt durch­schnitt­li­chen Leis­tungs­be­darf. Das heißt, die An­la­ge, die wir hier haben, würde bi­lan­zi­ell über ein Jahr ge­rech­net etwa zwei Haus­hal­te mit Strom ver­sor­gen.

Also kommt dann in Zu­kunft viel­leicht noch eine neue PV-An­la­ge an die FH?

Mein Wunsch wäre es, noch deut­lich mehr PV-An­la­gen zu bauen. Ich habe auch The­sen be­treut, die sich damit be­schäf­tig­ten, das Po­ten­zi­al am Cam­pus zu er­rech­nen und ab­zu­schät­zen. Wir haben sehr viele Dach­flä­chen, es sind aber nicht alle davon ge­eig­net, aus un­ter­schied­li­chen Grün­den. Es gibt trotz­dem noch genug Po­ten­zi­al, mehr bauen zu kön­nen. Je­doch ist es in ers­ter Linie nicht die Auf­ga­be der FH, PV-An­la­gen zu bauen. Des­halb muss man immer ver­nünf­tig be­grün­den, ob es sinn­voll ist oder nicht. Es liegt auch eine An­fra­ge vom Land Schles­wig-Hol­stein für Was­ser­stoff-Er­zeu­gung vor, wel­che sich in­di­rekt mit PV kom­bi­nie­ren lässt. Grü­ner Was­ser­stoff muss schlie­ß­lich aus er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en er­zeugt wer­den. Um so etwas an der FH rea­lis­tisch tes­ten zu kön­nen, brau­chen wir eben noch­mal deut­lich mehr er­neu­er­ba­re En­er­gi­en - da bie­ten sich dann die Dach­flä­chen an, um mehr PV-An­la­gen zu bauen. Aber das sind jetzt erst mal nur Über­le­gun­gen, wann und wie das um­ge­setzt wird, sehen wir in den nächs­ten Jah­ren.

Wie sieht es ei­gent­lich auf Bun­des­ebe­ne aus: Was muss sich ihrer Mei­nung nach kon­kret ver­bes­sern, um die En­er­gie­wen­de zu schaf­fen?

Das ist die große Frage: Wie schaf­fen wir, dass sich die En­er­gie­wen­de be­schleu­nigt? Meine per­sön­li­che Mei­nung, und die vie­ler Kli­ma­öko­no­men, ist, dass eine wirk­sa­me CO2-Be­prei­sung sek­to­ren­über­grei­fend er­fol­gen soll­te. Mo­men­tan haben wir den eu­ro­päi­schen Emis­si­ons­han­del, der sich aber nur auf die Strom­erzeu­gung be­zieht. Das soll­te mög­lichst schnell auch auf Brenn- und Treib­stof­fe aus­ge­brei­tet wer­den. In dem Kli­ma­pa­ket der Bun­des­re­gie­rung gibt es eben die­sen An­satz, dass auch Brenn- und Treib­stof­fe – also Ben­zin, Die­sel, Heiz­öl und Erd­gas – be­preist wer­den sol­len und auch ein ge­wis­ser Emis­si­ons­han­del dort ein­ge­führt wird. Mein Pro­blem, was auch viele an­de­re so sehen, ist aber, dass das nicht am­bi­tio­niert genug ge­macht wird. Das heißt, die Be­prei­sung ist eben noch so nied­rig, dass die fos­si­le Er­zeu­gung fi­nan­zi­ell immer noch viel zu at­trak­tiv ge­gen­über er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en ist. Es wird immer wie­der be­tont, dass er­neu­er­ba­re En­er­gi­en güns­ti­ger wer­den. Das stimmt auch grund­sätz­lich, aber spe­zi­ell be­reits ab­ge­schrie­be­ne Kraft­wer­ke sind oft­mals immer noch deut­lich güns­ti­ger. So­lan­ge kein fi­nan­zi­el­ler Wett­be­werbs­vor­teil für er­neu­er­ba­re En­er­gi­en herrscht, wird es schwie­rig, sie im gro­ßen Tempo aus­zu­bau­en. Um eine Kon­kur­renz­fä­hig­keit her­zu­stel­len, muss die CO2-Be­prei­sung, die sich aus dem Emis­si­ons­han­del er­gibt, er­heb­lich höher sein. Wir lie­gen mo­men­tan bei etwa 20€ pro Tonne CO2. Der CO2-Preis muss aber auf 40€ bis 50€, bes­ser noch auf mehr als 100€ pro Tonne hoch­ge­hen, damit In­ves­to­ren mas­si­ve Vor­tei­le haben, wenn sie Wind- und PV-An­la­gen bauen, an­statt Gas- und Koh­le­kraft­wer­ke.

Lässt vor dem Hin­ter­grund des Kli­ma­wan­dels pau­schal sagen, dass PV-An­la­gen ein enor­mes Zu­kunfts­po­ten­zi­al haben?

Ab­so­lut. Das Pa­ri­ser Kli­ma­ab­kom­men be­sagt, dass wir spä­tes­tens bis 2050 kli­ma­neu­tral sein müs­sen. Es gibt et­li­che Stu­di­en, die be­schrei­ben, wie das zu er­rei­chen ist. Man ist sich einig, dass ein Aus­bau von Wind- und PV- An­la­gen die al­ler­güns­tigs­te Mög­lich­keit ist. Beide er­gän­zen sich auch recht gut: PV ist lo­gi­scher­wei­se für die Som­mer­mo­na­te ge­eig­net, wäh­rend der Wind, zu­min­dest in Deutsch­land und Mit­tel­eu­ro­pa, eher in den Win­ter­mo­na­ten stär­ker ist. Alles nur mit Wind zu ma­chen ist auf­grund län­ge­rer Flau­ten schwie­rig, nur mit PV hat man nachts und in dunk­le­ren Jah­res­zei­ten ein Pro­blem. Des­we­gen sehe ich ein enor­mes Po­ten­zi­al in der Kom­bi­na­ti­on bei­der Be­rei­che. Wenn die Po­li­tik wirk­lich das um­set­zen will, was sie im Pa­ri­ser Ab­kom­men ver­spro­chen hat, dann müss­te PV und Wind deut­lich mehr aus­ge­baut wer­den, als es jetzt pas­siert. Ak­tu­ell liegt die Strom­erzeu­gung in Deutsch­land durch PV-An­la­gen bei un­ge­fähr 47 Ter­ra­watt­stun­den (TWh), und durch Wind­ener­gie bei un­ge­fähr 124 TWh. Der zu­künf­ti­ge Strom­be­darf, wenn auch Mo­bi­li­tät und Wärme aus Strom er­zeugt wer­den muss, liegt je­doch bei etwa 1700 TWh. Für Frei­flä­chen­an­la­gen ste­hen acht Pro­zent der Flä­che Deutsch­lands zur Ver­fü­gung, wel­che ent­we­der noch un­ge­nutzt ist oder auf der Pflan­zen par­al­lel zu So­lar­mo­du­len an­ge­baut wer­den kön­nen, wo­durch 1700T­Wh er­zeugt wer­den könn­ten. Die Nut­zung von Dä­chern und Fas­sa­den für Pho­to­vol­ta­ik be­an­sprucht kei­ner­lei zu­sätz­li­che Flä­che und könn­te wei­te­re 600 TWh bei­tra­gen.

Kön­nen Sie das Be­rufs­feld rund um er­neu­er­ba­re En­er­gie denn ge­ne­rell emp­feh­len? Und wel­che Jobs gibt es in dem Be­reich, die Stu­die­ren­de spä­ter ma­chen könn­ten?

Aus lang­fris­ti­ger Sicht kann ich es auf jeden Fall emp­feh­len, man muss viel­leicht mal einen lan­gen Atem haben, weil es sehr stark von der po­li­ti­schen För­de­rung ab­hängt. Aber ich sehe da eine gute mit­tel- bis lang­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve, und die Jobs sind sehr viel­fäl­tig. Ge­ra­de mit den­je­ni­gen, die hier Wirt­schafts­in­ge­nieur­we­sen mit Schwer­punkt re­ge­ne­ra­ti­ve En­er­gi­en stu­die­ren, rede ich viel dar­über, wel­che Jobs sie nach ihrer The­sis an­tre­ten. Viele haben auch schon einen Job bzw. eine Zu­sa­ge von Fir­men aus der Bran­che, bevor sie über­haupt die The­sis ab­ge­ben. Im Beruf legen die Stu­die­ren­den haupt­säch­lich An­la­gen aus, über­le­gen sich also zum Bei­spiel: Lohnt sich eine PV-An­la­ge bei die­sem Kun­den? Wie groß muss sie sein? Wel­che Tech­nik muss sie haben? Und vor allem: Ren­tiert sie sich oder nicht?

Glau­ben Sie, dass es in Zu­kunft immer mehr Stu­di­en­gän­ge spe­zi­ell für er­neu­er­ba­re En­er­gi­en geben wird?

Wenn man sich etwa ak­tu­ell die ge­rin­gen PV- und Wind-Aus­bau­zah­len an­schaut, ist es ei­gent­lich nur kon­se­quent, dass wir da noch kei­nen ei­ge­nen Stu­di­en­gang haben. Der Be­darf ist zwar da, aber noch nicht so groß. Doch wenn die En­er­gie­wen­de wirk­lich so um­ge­setzt wird, wie die Po­li­tik es ver­spricht, kann ich mir vor­stel­len, dass der Be­darf an Ar­beits­kräf­ten und Know-How in ein paar Jah­ren auf ein­mal stark an­wach­sen wird. Dann heißt es wo­mög­lich: Wir müs­sen einen ei­ge­nen Stu­di­en­gang für er­neu­er­ba­re En­er­gi­en ma­chen, um die Leute un­ter­zu­be­kom­men. Das wird aber noch ei­ni­ge Jahre dau­ern. Ich kann mir durch­aus vor­stel­len, dass der Boom in etwa vier bis fünf Jah­ren be­ginnt, und wir an der FH dann über einen neuen Stu­di­en­gang nach­den­ken.

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