Mit dem Namen ‚Marcus Pfister‘ können vielleicht nicht alle etwas anfangen. Seine Bilderbuchfigur ‚Der Regenbogenfisch‘ hingegen ist weltweit bekannt. Sie war Vorlage für die Show ‚Der Regenbogenfisch und seine Freunde‘, die seit Mitte des Jahres im Mediendom läuft. Zur Museumsnacht Ende August 2012 kam Marcus Pfister an die Fachhochschule (FH) Kiel, um mit Kindern in einem Workshop ein Bilderbuch zu erarbeiten und natürlich um einmal einen Blick in die Show zu werfen. Jana Tresp traf den Schweizer im Interview.
Jana Tresp (JT): Wie fanden Sie die Umsetzung vom Regenbogenfisch im Mediendom?
Marcus Pfister (MP): Sie hat mir gefallen, besonders die Einfachheit der Umsetzung. Es sind dieselben Illustrationen wie im Buch, obwohl sie sich bewegen. Ich male meine Bilder in 2-D. Bei Kinoproduktionen oder ähnlichem hat man heute oftmals den Anspruch, dass alles in 3-D sein muss. Am Ende sieht dann alles völlig anders aus – zum Teil wie Plastik. Bei dieser Show ist es letztlich immer noch der Regenbogenfisch.
JT: War es eine bewusste Entscheidung von Ihnen, dem Regenbogenfisch keinen Namen zu geben?
MP: Komisch, ich weiß nicht, wieso das so ist. In vielen meiner Bücher wie ‚Mats, die Maus‘ oder ‚Pinguin Pit‘ haben die Figuren Namen. Aber für den Regenbogenfisch habe ich einfach keinen gesehen. Für mich war er immer der Regenbogenfisch. Einige Zeit war es wahnsinnig populär, den Figuren in Kinderbüchern Namen zu geben. Diese regelrechte Vereinheitlichung war irgendwie auch langweilig.
JT: Welchen Stellenwert hat der Regenbogenfisch für Sie?
MP: Er hat mir viele Türen geöffnet. Die Bücher wurden in etliche Sprachen übersetzt. Dadurch bin ich durch die ganze Welt gereist. Ein bisschen schade finde ich, dass meine anderen Bücher durch den Erfolg des Regenbogenfisches relativ unbeachtet bleiben.
JT: Gibt es Bilderbuchautorinnen oder -autoren, die Sie inspirieren oder die Ihnen gefallen?
MP: Mich haben schon immer Illustratorinnen und Illustratoren inspiriert, die ganz anders sind als ich, zum Beispiel Helme Heine und Janosch. Sie arbeiten viel freier als ich. Ihre Zeichnungen sehen zum Teil aus wie hingeworfen – das fasziniert mich. Ich hätte mich auch gerne in diese Richtung entwickelt, aber es ist einfach nicht mein Stil.
JT: Können Sie sich vorstellen, ‚Auftragsarbeiten‘ zu machen?
MP: Nein, die Geschichten müssen von mir kommen. Ganz am Anfang habe ich zwei, drei fremde Kinderbücher illustriert, aber das hat nicht so richtig funktioniert. Ich kann keine Bilder zu Geschichten malen, die vom Stil her immer gleich sind. Zu der einen Geschichte passt Aquarell besser und zu der anderen eher die Abklatschtechnik oder Filzstift, Pastellkreide, Tusche.
‚Lisas Mohnblume‘ zum Beispiel ist eine uralte Geschichte, die ich schon lange im Kopf hatte und immer machen wollte. Aber ich fand lange Zeit absolut keinen Zugang – weder zum Text noch zu den Bildern. Bis ich die Abklatschtechnik für mich entdeckte. Dabei trage ich viel Farbe auf vorgefertigte einfache Formen auf und drücke diese auf Papier – ähnlich wie beim Kartoffeldruck. Darin sah ich plötzlich die geeignete Technik. Der Text hat sich dann automatisch ergeben. Wonach ich zehn Jahre lang gesucht habe, war plötzlich innerhalb von zwei Monaten fertig.
JT: Wie lange arbeiten Sie an einem Buch?
MP: Durchschnittlich drei Monate. Wobei das schwierig zu sagen ist, ich arbeite ja nicht kontinuierlich daran. Wenn ich mit der Geschichte fertig bin, geht alles an den Verlag. In der Zwischenzeit mache ich etwas anderes. Wenn ich hingegen an den Illustrationen arbeite, bin ich sehr darauf konzentriert, aber ansonsten kann auch einmal etwas dazwischen kommen.
JT: Haben Sie ein eigenes Atelier, in dem die Figuren Ihrer Bücher entstehen?
MP: Ja, dort entwickele ich die Techniken für die Bücher. Für mich als Illustrator ist die Technik sehr wichtig, zum Beispiel die Folienprägung beim Regenbogenfisch, die geteilten Seiten bei ‚Mats und die Wundersteine‘ oder die Ausstanzungen bei ‚Hallo Freund‘. Mir gefällt es, spielerisch an die Dinge heranzugehen. Beim Regenbogenfisch war ich neugierig, wie ich diese harte, glänzende Folie mit einem ausfließenden, weichen Aquarell zusammen bringen konnte.
JT: Sie schreiben die Texte und malen die Bilder selbst. Was bringt Ihnen mehr Spaß?
MP: Das hat sich im Laufe der Zeit ein wenig verändert. In meinen ersten Büchern wie ‚Piguin Pit‘ gab es immer zuerst die Figur und die Illustration. Die Geschichte war mehr eine Aneinanderreihung von einzelnen Ereignissen. Im Nachhinein finde ich das nicht mehr so gut, aber mit den Jahren habe ich dazugelernt. Mit dem Regenbogenfisch sind die Geschichten inhaltlich viel wichtiger geworden. Heute ist für mich die konzeptionelle Phase am schönsten. Ich entwickele die Idee, schreibe die Geschichte und skizziere parallel dazu die Figur. Die Ausführung der Illustrationen ist dann eher Handwerk.
JT: Was sind Ihre nächsten Projekte?
MP: Im Moment fasziniert mich vor allem die Abklatschtechnik, die ich schon bei ‚Lisas Mohnblume‘ und ‚Was macht die Farben bunt?‘ verwendet habe. In diese Richtung würde ich gerne weiterarbeiten, weil diese Technik selbst schon eine völlige Abstraktion ist: Die Strukturen stellen eigentlich für sich schon alles dar, und ich muss nichts mehr hineinzeichnen. Sie eignet sich auch für andere Projekte. So wird es beispielsweise ein Tier-ABC-Buch für die ganz Kleinen geben.
Ich habe eigentlich selten mit Menschen gearbeitet und schon gar nicht mit Maschinen, sondern mehr mit Tieren. Nächstes Jahr bringe ich ein Buch heraus – eine ganz komische Geschichte, ebenfalls in der Abklatschtechnik. Die Hauptfigur ist ein Auto, ein New Yorker Taxi, das in den Regenwald fährt und dort versucht, gegen die Zerstörung des Regenwaldes vorzugehen. Eigentlich reizte es mich überhaupt nicht, Autos zu illustrieren, aber ich hatte diese Idee und wollte es unbedingt versuchen. Ich muss die Dinge einfach ausprobieren, bis ich sehe, ob etwas funktioniert oder nicht. Und dann muss es mich auch packen – sonst lasse ich es lieber sein.
JT: Welchen Stellenwert hat Ihrer Einschätzung nach das Bilderbuch heute?
MP: Das Bilderbuch hat es heute schwerer als früher. Für neue Bücher ist es schwierig, sich auf dem Markt durchzusetzen oder gar zu Klassikern zu werden. Das kommt zum einen durch die neuen Medien, zum anderen aber vielleicht auch dadurch, dass Eltern gar keine Zeit mehr haben, ihren Kindern vorzulesen.